Die Zahlen beziehen sich auf eine Sonderauswertung des Statistisches Bundesamtes in Wiesbaden, die das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) angefragt hatte.
Altersarmut wächst: Jede sechste Rentnerin lebt in Altersarmut
Laut Statistischem Bundesamt gelten Rentner und Rentnerinnen derzeit als armutsgefährdet, wenn sie als Alleinstehende weniger als 1378 Euro netto pro Monat zur Verfügung haben. Frauen haben ein höheres Risiko, weil sie im Schnitt häufiger in Teilzeit arbeiten, längere Pausen bei der Erwerbstätigkeit haben und oft in schlechter bezahlten Berufen tätig sind.
Altersarmut: Zahl der Betroffenen steigt seit 20 Jahren
Immer mehr Menschen in Deutschland können nicht von ihrer eigenen Rente leben: Knapp 660.000 Personen waren im Jahr 2022 auf die Grundsicherung im Alter angewiesen, so viele wie nie zuvor. 17,5 Prozent der Menschen ab 65 Jahren gelten in Deutschland als armutsgefährdet.
Dem Bericht zufolge ist die Zahl der von Altersarmut gefährdeten Menschen in den vergangenen 20 Jahren stark gestiegen – von 2,0 auf 3,4 Millionen. Die Gesamtzahl der Rentnerinnen und Rentner stieg im selben Zeitraum von 19,8 auf 21,4 Millionen.
Laut Aktuellen Daten der Deutschen Rentenversicherung sind rund 12,2 Millionen Rentnerinnen und etwa 9,2 Millionen Rentner betroffen. Das heißt, dass rund jede sechste Rentnerin in Deutschland in Altersarmut lebt. Insgesamt ist es mehr als jeder Siebte.
„Unser Rentensystem ist frauenfeindlich“, kritisierte BSW-Chefin Sahra Wagenknecht und sprach sich für die Einführung eines Rentenmodells nach dem Vorbild Österreichs aus: Dort zahlen fast alle in die gesetzliche Rente ein, auch Beamte. Die Durchschnittsrente liegt deutlich höher als in Deutschland. Konkret fordert das BSW eine Mindestrente von 1500 Euro nach 40 Versicherungsjahren.
Renten-Vorbild Österreich: Warum nicht in Deutschland?
Auch die Gewerkschaft Verdi und der Deutsche Gewerkschaftsbund fordern schon länger, sich bei der Rente an Österreich ein Vorbild zu nehmen. Allerdings unterscheiden sich beide Systeme in mehreren Punkten. In Österreich erwirbt man zum Beispiel nach frühestens 15 Jahren Beitragszahlung Anspruch auf eine Altersrente, in Deutschland bereits nach fünf Jahren.
Das Bundesarbeitsministerium wie auch die Deutsche Rentenversicherung haben in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass die Rentensysteme nicht vergleichbar seien. Die Begründung: Ein Renten-Umstieg in Deutschland würde sehr teuer werden.
Kanzler Merz forderte, die Bürger müssten mehr arbeiten
Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas pocht dabei auf die Schaffung besserer Arbeitsbedingungen für Frauen, um ihre Erwerbstätigkeit zu steigern. „Die Arbeitgeber müssen die Arbeitswelt so gestalten, dass mehr Mütter in Vollzeit arbeiten können“, sagte die SPD-Politikerin der Bild am Sonntag.
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte vergangene Woche in seiner ersten Regierungserklärung die Bürger auf eine „gewaltige Kraftanstrengung“ eingeschworen, um das Land wieder wettbewerbsfähiger zu machen. „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, betonte er.
BSW-Chefin Sahra Wagenknecht: „Unser Rentensystem ist frauenfeindlich“
Bas sagte der Zeitung, eine höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen „schaffen wir nur, wenn alle mitziehen“. Doch in Deutschland gebe es Frauen, die unfreiwillig in der Teilzeitfalle säßen. Sie wollten mehr arbeiten, könnten es aber nicht wegen fehlender Kinderbetreuung oder familienfeindlicher Arbeitsmodelle. „Insbesondere Frauen arbeiten dann oft weniger, verdienen schlechter und am Ende droht Altersarmut. Das ist ungerecht und da müssen wir ran.“
Die Regierung plane zwei Maßnahmen für mehr Erwerbstätigkeit von Frauen: „Wir setzen in der Koalition auf den Ausbau der Kinderbetreuung. Prämien für den Wechsel in Vollzeit vom Arbeitgeber fördern wir steuerlich.“
Nach Angaben des Arbeitsministeriums arbeiten nur 11 Prozent der berufstätigen Männer in Teilzeit, aber knapp 49 Prozent der berufstätigen Frauen, wie die Zeitung berichtet. Wenn die 9,3 Millionen Frauen in Teilzeit ihre Arbeitszeit um 10 Prozent steigern würden (rund zwei Stunden mehr pro Woche und Frau) entspräche dies laut Ministeriumsberechnungen einer halben Million zusätzlicher Vollzeitstellen.