Politik

Grundsicherung im Alter: Zu wenig gearbeitet und trotzdem Rente?

Das Thema Rente ist ein heißumkämpftes Wahlkampfthema in der „Rentnerrepublik“ Deutschland – und die Zahl der Rentner und der Altersarmut steigt stetig. Was, wenn man zu wenig gearbeitet und zu wenig verdient hat? Hier bietet der Sozialstaat die sogenannte „Grundsicherung“ statt Rente an. Wer profitiert? Ein Überblick.
25.12.2024 07:48
Lesezeit: 3 min
Grundsicherung im Alter: Zu wenig gearbeitet und trotzdem Rente?
Grundsicherung statt Rente: Im Juni 2024 bezogen bundesweit 728.990 Menschen die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das ist ein neuer Höchstwert. (Foto: dpa) Foto: Felix Kästle

Die Zahl der Senioren in Deutschland, die zusätzlich zu ihrer Rente auf Sozialhilfe angewiesen sind, ist auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Das meldet die Neue Osnabrücker Zeitung unter Berufung auf Daten des Statistischen Bundesamtes. Angefragt hatte die Gruppe Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) im Bundestag.

Grundsicherung gegen Altersarmut: So viele Rentner wie noch nie betroffen

Im Juni 2024 bezogen demnach bundesweit 728.990 Menschen die sogenannte Grundsicherung im Alter. Das sei ein neuer Höchstwert. Rekordwerte gab es demnach in Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Dem Zeitungsbericht zufolge waren es ein Jahr zuvor bundesweit noch knapp 692.000 bedürftige Rentner und damit rund 37.000 weniger. Im Vergleich zu 2015 sei es ein Zuwachs um rund 39 Prozent.

Grundsicherung statt Rente: Wer profitiert?

In Deutschland sind die Voraussetzungen für den Erhalt einer Rente klar definiert. Mindestens fünf Jahre muss man in die Rentenversicherung eingezahlt haben, um im Alter eine Rente zu erhalten, wie es unter anderem auch bei „deutsche-rentenversicherung.de“ heißt.

Langzeitarbeitslose, Menschen mit dauerhafter Arbeitsunfähigkeit und Personen, die nie gearbeitet haben, sind häufig nicht in der Lage, die erforderlichen Beitragsjahre zu sammeln. Deshalb haben sie keinen Anspruch auf reguläre Rentenleistungen.

Doch das bedeutet nicht, dass sie im Alter ohne Unterstützung dastehen. Hier kommt die Grundsicherung ins Spiel. Sie ist für diejenigen gedacht, die die Regelaltersgrenze erreicht haben, aber keine ausreichende Altersrente beziehen können.

Wie hoch ist die Grundsicherung?

Die Höhe der Grundsicherung variiert und hängt von mehreren Faktoren ab. Im Jahr 2024 liegt der Regelsatz für Erwachsene, die allein oder in einer Wohngemeinschaft leben, bei 563 Euro. Für Ehe- und Lebenspartner, die gemeinsam wohnen, sind es 506 Euro. Diese Beträge sollen die Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Heizung und Krankenversicherung abdecken.

Für die Berechnung der Grundsicherung werden verschiedene Einkommensarten berücksichtigt. Dazu gehören Erwerbseinkommen, Mieteinnahmen, Kindergeld und Renten. Auch Unterhaltszahlungen und Zinsen fließen in die Berechnung ein. Wichtig ist, dass bestimmte Einkommensarten wie Elterngeld bis 300 Euro oder Pflegegeld nicht angerechnet werden.

Vermögen und Grundsicherung

Bevor die Grundsicherung in Anspruch genommen werden kann, muss das eigene Vermögen aufgebraucht werden. Dazu zählen Bargeld, Sparguthaben, Immobilien und Wertpapiere. Bestimmte Vermögenswerte wie ein angemessenes selbst bewohntes Grundstück oder Familienerbstücke bleiben jedoch unberührt.

Jährliche Beantragung der Grundsicherung

Die Grundsicherung wird nicht automatisch gewährt. Rentner müssen sie jährlich neu beantragen, denn die Auszahlung gilt nur für zwölf Monate. Dies ist besonders wichtig, da sich Sozialabgaben und Lebenshaltungskosten ändern können, was eine Anpassung der Unterstützung notwendig macht.

Auch wenn man nie gearbeitet hat, bedeutet das nicht, dass man im Alter ohne finanzielle Unterstützung dasteht. Die Grundsicherung für Rentner bietet eine wichtige Absicherung, um die grundlegenden Lebenshaltungskosten zu decken.

70 Prozent beantragen keine Grundsicherung im Alter

Fachleute gehen davon aus, dass 70 Prozent der anspruchsberechtigten Menschen die Grundsicherung im Alter nicht beantragen – obwohl sie ihnen zustehen würde. Die Gründe für dieses Verhalten sind vielfältig. Häufig sind bei den Anträgen die bürokratischen Hürden hoch, die finanziellen Verhältnisse werden von den Ämtern penibel durchforstet. Eine solche Prüfung von Einkommen, Vermögen und Wohnkosten beschämt viele Menschen, da sie ihre ganzen persönlichen Verhältnisse offenlegen müssen.

Gefühl als Bittsteller dazustehen

Dazu kann man sich in dieser Lage als Bittstellerin oder Bittsteller fühlen – und wird häufig auch so behandelt. Das passt vielen Menschen, die oft ein arbeitsreiches Leben hinter sich haben, nicht in ihr Selbstbild. Viele realisieren dabei, dass ihr jahrzehntelanges Arbeiten sie nicht vor Altersarmut schützt.

Lange waren Betroffene es gewohnt, für den eigenen Lebensunterhalt und womöglich für den der Kinder zu sorgen – da ist die Erkenntnis, dass das Geld im Alter nicht reicht, sehr bitter. Hinzu kommt, dass Empfängerinnen und Empfänger von Sozialleistungen gesellschaftlich in der öffentlichen Diskussion abgewertet werden. Das zeigt sich an der andauernden Debatte rund ums Bürgergeld. Niemand möchte zu dieser viel gescholtenen Gruppe gehören.

Sozialverband VdK fordert automatische Auszahlung

VdK-Präsidentin Verena Bentele fordert daher: „Ziel sollte sein, dass Sozialleistungen bei einem Anspruch automatisiert ausgezahlt werden. Dies wäre über eine negative Einkommenssteuer möglich und würde einen Antrag überflüssig machen. Bis dahin müssen die Verfahren vereinfacht werden. Die Anträge müssen kürzer und leichter verständlich gemacht werden.“

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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