Die schwarz-rote Koalition hat kürzlich angekündigt, ein Programm zur Senkung der Strompreise für alle Verbraucher bis zum 11. Juli vorzulegen. Auch die Industriestrompreise sollen sinken. Angepeilt werden mindestens 5 Cent Senkung pro Kilowattstunde. Dies lässt sich fast vollständig über eine Steuersenkung und eine Reduzierung von Umlagen erreichen.
Wie Gitta Connemann (CDU), parlamentarische Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium, dazu ausführte, soll die Stromsteuer auf das europäisch zulässige Mindestmaß reduziert werden, sowie Netzentgelte und Umlagen sinken. So ist es auch im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Aktuell beträgt der europäische Mindestwert bei der Stromsteuer 0,05 Cent pro Kilowattstunde, in Deutschland zahlen die Verbraucher allerdings zur Zeit 2,05 Cent/kWh. Zusätzlich werden Umlagen in Höhe von 2,5 Cent/kWh fällig. Für den Industriestrom sind in diesen Bereichen niedrigere Steuern und Umlagen angesetzt.
Mit der Strompreissenkung will die neue Bundesregierung die Verbraucher mit den Einnahmen aus dem Emissionshandel der CO2-Zertifikate entlasten. Die Maßnahme dient auch dazu, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu stärken und die Elektrifizierung in allen Bereichen voranzutreiben.
Erleichterungen für private Haushalte und Industrie
Das Institut der Deutschen Wirtschaft hat die finanziellen Erleichterungen, die sich durch die geplante Strompreissenkung ergeben würden, für verschiedene Verbrauchergruppen berechnet. Die Strompreissenkung, die dann auch eine geringere Mehrwertsteuerbelastung nach sich zieht, würde die privaten Haushalte bereits um mehr als 5 Cent pro Kilowattstunde entlasten. Eine Familie mit zwei Kindern würde im Einfamilienhaus bei einem Jahresverbrauch von 4000 kWh bereits 220 Euro sparen können. Für Gewerbe und kleine Industrieunternehmen, die nicht bereits anderweitig entlastet werden, läge die Entlastung zwischen 4 und 5 Cent. Für stromintensive Industrien soll es ferner zusätzliche Entlastungen geben, die jedoch noch nicht genau ausgestaltet sind und auch davon abhängig sein werden, ob den Unternehmen bereits Beihilfen gewährt wurden.
Die neue geplante Maßnahme folgt einer Reihe von weiteren Maßnahmen, die bereits in den letzten Jahren umgesetzt wurden, um die Energiekostenbelastung beim Strom zu senken. Bereits 2022 wurde die EEG-Umlage abgeschafft und 2023 die Absenkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe vorübergehend eingeführt. Ferner gab es für die Produzenten einen Zuschuss zu den Netzentgelten, der jedoch aufgrund der schwierigen Haushaltslage im letzten Jahr niedriger ausgefallen ist als geplant.
Strompreissenkungen belasten die öffentlichen Haushalte
Eine Reduzierung der Strompreissteuer auf das europäisch vorgesehene Minimum von 0,1 Cent für Haushalte und 0,05 Cent für Industrieunternehmen werden allerdings die jährlichen Einnahmen des Haushalts aus der Stromsteuer fast vollständig einbrechen. Diese lagen im Jahr 2023 bei immerhin 6,8 Milliarden Euro. Die Abschaffung von drei Umlagen würde zusätzlich im Haushalt einen Finanzierungsbedarf von insgesamt 8,8 Milliarden Euro bedeuten. Die geplanten Maßnahmen reißen also insgesamt eine Lücke von ca. 15 Milliarden Euro in die öffentlichen Kassen.
Außerdem sollen nach den Plänen der Bundesregierung auch die Netzentgelte reduziert werden und dann auch langfristig fixiert werden. Wie umfangreich die Reduzierung werden soll, ist aktuell noch offen, im Sondierungspapier der Koalitionsparteien war jedoch von einer Halbierung der Übertragungsnetzentgelte die Rede. Würde dies umgesetzt, verzichtet die öffentliche Hand auf weitere 6 Milliarden Euro. Zusammen mit den Entlastungen aus Stromsteuer und Umlagen summieren sich die Mindereinnahmen dann schon auf 21,6 Milliarden Euro.
Sonderregelungen für stromintensive Branchen
Für die sehr energieintensiven Industrien gibt es schon seit einiger Zeit hierzu bestimmte Ausnahmeregelungen zur Stromsteuer, den Netzentgelten und den Umlagen. Sie werden deshalb durch dargestellten neuen Maßnahmen auch nur in sehr geringem Umfang weiter entlastet. Sie profitieren außerdem zusätzlich von Strompreiskompensation, die die indirekte Belastung durch den europäischen Emissionshandel ausgleicht. Diese Maßnahme dient der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit, da internationale Konkurrenzunternehmen diesen Belastungen auch nicht ausgesetzt sind. Hier plant die neue Bundesregierung, diese Entlastungen nun auch auf weitere Branchen auszuweiten, die zukunftsträchtig sind, wie etwa die Batterieproduktion oder auch Rechenzentren.
Industriestrompreis muss noch festgelegt werden
Damit die energieintensiven Branchen dauerhaft und breit entlastet werden, will die Regierung ferner einen Industriestrompreis festlegen, der jedoch mit Brüssel abgestimmt werden muss. Hierbei gibt es jedoch noch viel Gestaltungsbedarf, denn der Industriestrompreis muss mit den bereits geplanten Entlastungsmaßnahmen abgestimmt werden. Auch wird es notwendig sein, die Auswirkungen auf den Strommarkt zu analysieren. Die Kosten für diese Maßnahme sind also aktuell noch nicht absehbar.
Der Strompreis ist für die Regierung ein wichtiger Hebel um einerseits die Energiewende voranzutreiben und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken. Der Industriestandort Deutschland soll durch einen wettbewerbsfähigen Strompreis attraktiv bleiben und soll auch die Elektrifizierung vorantreiben. Die dadurch entstehenden Kosten sollen in erster Linie durch die Einnahmen aus dem Emissionshandel finanziert werden.
Energiekosten belasten die Deutschen
Wie der Energieversorger Verivox kürzlich in einer Umfrage feststellte, fühlen sich 88 Prozent der Deutschen durch die aktuellen Energiepreise belastet. Wie Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox weiter ausführte, sind die Energiekosten in den letzten vier Jahren um insgesamt 38 Prozent gestiegen. Die Teuerung im Energiebereich liegt damit ungefähr doppelt so hoch wie die allgemeine Teuerungsrate. Wie die Umfrage ergab, haben auch 84 Prozent der Befragten Sorgen, was die zukünftige Entwicklung der Energiepreise betrifft. Die Sorgen sind nicht unbegründet – wer heute noch mit fossilen Brennstoffen heizt wird sich mit steigenden CO2-Preisen konfrontiert sehen. Wie Storck anführte, können für ein Einfamilienhaus mit Gasheizung bereits im nächsten Jahr bis zu 280 Euro zusätzliche Kosten anfallen, beim Heizen mit Heizöl können das bis zu 400 Euro sein.
CO2-Bepreisung wird zum Problem für Nutzer fossiler Energien
Aktuell wird die CO2- Bepreisung noch vom Staat jährlich festgelegt und ist fix. Ab 2027 soll dann jedoch ein freier Handel der CO2-Zertifikate beginnen, bei dem sich der Preis für eine Tonne CO2 dann am Markt frei bildet. Experten erwarten dann einen drastischen Preisanstieg für die CO2-Zertifikate. Für den Fall, dass der CO2-Preis dann über 100 Euro pro Tonne steigen sollte, sind dann Mehrkosten von bis zu 1000 Euro in den geschilderten Fällen möglich. Aktuell kostet die Tonne CO2 im Jahr 2025 noch 55 Euro.
Wie das das Climate-Tech-Unternehmen Purpose Green nun berechnet hat, könnte das Szenario aber auch noch viel dramatischer ausfallen. Das Unternehmen, das auf energetische Sanierungen spezialisiert ist, hat für den sich ab 2027 frei bildenden CO2-Preis verschiedene Szenarien angenommen, bei denen im äußersten Fall bis zu 400 Euro pro Tonne CO2 angenommen wurden. In diesem Fall könnten die zusätzlichen Heizkosten für ein Einfamilienhaus um bis zu 5000 Euro im Jahr in manchen Städten in Deutschland steigen.
Vermieter aufgepasst: CO2-Preise dürfen nicht vollständig an die Mieter durchgereicht werden
Wer als Vermieter eine schlecht sanierte Immobilie vermietet, der kann demnächst schnell in wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen. Je schlechter eine Immobilie saniert ist, desto höher ist der Anteil an den Heizkosten, den der Vermieter selbst zu tragen hat, denn er darf den CO2-Preis nicht vollständig an die Mieter weitergeben. Deshalb wird der CO2- Preis auch insbesondere bei den Immobilienbesitzern durchschlagen. Das ist auch so gewollt, denn durch diese Regelung sollen energetische Sanierungen durchgesetzt werden. Wer da nicht mitmachen will, für den kann die Vermietung dann schnell unwirtschaftlich werden.