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Warum zum Teufel investieren Unternehmen nicht mehr?

Warum investieren Unternehmen nicht mehr – obwohl das Geld billig ist und die Gewinne sprudeln? Dieser Artikel geht der Investitionslähmung auf den Grund und zeigt, warum Europas Zukunft auf dem Spiel steht.
16.06.2025 10:56
Lesezeit: 3 min
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Warum zum Teufel investieren Unternehmen nicht mehr?
Unternehmensinvestitionen in Europa liegen auf einem relativ niedrigen Niveau. (Foto: dpa) Foto: Patrick Pleul

Hohe Rentabilität und historisch niedrige Finanzierungskosten helfen nicht weiter

Trotz hoher Rentabilität und historisch niedriger Finanzierungskosten investieren Unternehmen laut der OECD einfach nicht genug. Was sind die Hemmnisse – und wo liegen die Lösungen?

Weltweit investieren Unternehmen im Allgemeinen nicht ausreichend. Das führt einerseits zu einer zu schwachen Steigerung der Produktivität und andererseits zu einem Rückgang des potenziellen Wirtschaftswachstums. In den vergangenen Quartalen haben sich die privaten Investitionen von Unternehmen und Haushalten weiter verlangsamt, und auch die Investitionsprognosen sind schwach, warnen die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie die Europäische Investitionsbank (EIB).

Investitionen in Anlagevermögen liegen unter dem Vorkrisentrend

Zunächst führte die globale Finanz- und Wirtschaftskrise, die 2007 im US-Finanzsektor ausbrach, zur Ausweitung einer wirtschaftlichen Krise auch in Europa. Danach folgte die Corona-Pandemie. Beide Ereignisse haben die Kapitalakkumulation dauerhaft verlangsamt und damit zu einem spürbaren Rückgang der Investitionen geführt, wie die OECD in ihren jüngsten Wirtschaftsprojektionen betont – mit besonderem Fokus auf Investitionsfragen.

Die realen Gesamtinvestitionen – also das Volumen der Bruttoanlageinvestitionen in der gesamten Volkswirtschaft – haben sich nach diesen Krisen nicht vollständig erholt. Hinzu kamen der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise mit drastisch gestiegenen Energiepreisen.

Ende 2024 liegt das reale Investitionsvolumen weltweit immer noch rund 22 Prozent unter dem Trend vor der Finanzkrise sowie sieben Prozent unter dem Trend vor der Corona-Krise, welche durch staatliche Einschränkungsmaßnahmen als Reaktion auf die Pandemie ausgelöst wurde. Im OECD-Durchschnitt entfallen über 60 Prozent aller Investitionen auf Unternehmensinvestitionen.

Zu wenige Investitionen – zu wenig BIP-Wachstum

Unternehmensinvestitionen in Europa liegen auf einem relativ niedrigen Niveau – sie müssten steigen, um Wirtschaftswachstum, Produktivität und Löhne stärker zu steigern. In den vergangenen 15 Jahren war das BIP-Wachstum schwächer als in den 2000er Jahren, weil Unternehmensinvestitionen gesunken sind.

Der Beitrag des Kapitals – also akkumulierte Investitionen – zum Wirtschaftswachstum betrug Anfang der 2000er Jahre knapp zwei Prozentpunkte, aktuell jedoch weniger als einen Prozentpunkt. Diese scheinbar kleine Differenz akkumuliert sich: Ein Prozentpunkt mehr Wachstum über zehn Jahre würde heute 6,7 Milliarden Euro zusätzliches BIP bedeuten.

Die größten Investitionshemmnisse: Fachkräftemangel, Unsicherheit, Energiekosten

Trotz hoher Unternehmensrenditen und niedriger Kapitalkosten (UCC) behindern drei Hauptfaktoren die Investitionstätigkeit: Zukunftsunsicherheit, Fachkräftemangel und hohe Energiekosten – das zeigen sowohl OECD als auch EIB. In Deutschland nennen Unternehmen als größte Hürden: fehlende Fachkräfte, Unsicherheit über die wirtschaftliche Zukunft und Energiepreise.

In den USA steht ebenfalls der Fachkräftemangel an erster Stelle, gefolgt von Regulierung und Unsicherheit. In Österreich dominieren Fachkräfte und Energiekosten; in Italien Unsicherheit und Energiepreise.

Ein strukturelles Problem: Kapital fließt nicht in produktive Investitionen

Laut OECD lassen sich etwa 50 Prozent des Investitionsrückstands mit Nachfrageflaute und Unsicherheit erklären – die andere Hälfte mit strukturellen Veränderungen. Unternehmen investieren zunehmend in immaterielle, vor allem digitale Güter – bei gleichzeitig sinkendem Anteil reinvestierter Gewinne und geliehener Mittel für produktive Zwecke. Hohe Renditeerwartungen und der Trend, Finanzmittel zu horten oder an Aktionäre auszuschütten, dominieren. In Deutschland stieg der Anteil der Gewinnausschüttungen von rund 1,6 auf 3,3 Prozent.

Die wachsende Marktkonzentration, insbesondere im Digitalsektor, verstärkt diesen Trend. Große, renditestarke „Superstar“-Unternehmen tätigen den Großteil der Investitionen, während kleinere Firmen verdrängt werden. Innovationen weichen zunehmend Lobbyismus und Regulierungsbegünstigung – Rent-Seeking statt Produktivitätssteigerung.

Deutschland im Fokus: Gleiche Symptome – strukturelle Folgen

Auch in Deutschland ist ein Rückgang langfristiger Sachinvestitionen zu beobachten – trotz hoher Exportüberschüsse und liquider Unternehmen. Die Investitionsschwäche droht, Deutschland technologisch und industriell zurückzuwerfen, insbesondere im internationalen Wettbewerb um KI, Digitalisierung und Energieeffizienz. Die strukturellen Ursachen ähneln sich EU-weit: Unsicherheit, Fachkräftemangel, Konzentration, ein zu zögerliches Innovationsklima.

Die OECD empfiehlt eine klare Linie: politische Planbarkeit, mehr Wettbewerb, Investitionen in immaterielle Vermögenswerte erleichtern – etwa durch Steuerreformen, bessere Finanzierung und gezielte Innovationsförderung. Auch nationale Entwicklungsstrategien sollten den Übergang zu einer innovationsgetriebenen Ökonomie fördern. Entscheidend ist der Mut zu langfristigen Strategien – statt kurzfristiger Kapitalausschüttung.

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