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Kultur im Wandel: Steht das Ende der Nine-to-five-Kultur bevor?

In Deutschland ist das Arbeiten nach dem klassischen Nine-to-five-Rhythmus noch weit verbreitet – und das spiegelt sich auch bei Öffnungszeiten wider. Viele Museen schließen bereits am frühen Abend, was Berufstätigen einen Besuch unter der Woche oft erschwert. Doch zunehmend setzen Institutionen und Unternehmen auf flexiblere Zeiten, um den Bedürfnissen einer modernen Gesellschaft gerecht zu werden.
04.10.2025 13:39
Aktualisiert: 04.10.2025 14:09
Lesezeit: 3 min
Kultur im Wandel: Steht das Ende der Nine-to-five-Kultur bevor?
Museen erweitern zunehmend ihre Öffnungszeiten für Berufstätige (Foto: dpa). Foto: Rolf Vennenbernd

Deutschlands öffentliche Museen gelten vielen als behäbige „Nine to five“-Institutionen, die also nur von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet haben - oder auch mal 18.00 Uhr. In der Regel wird das nicht positiv bewertet, eher nach dem Motto: Da arbeiten Menschen, die um Punkt fünf oder sechs Feierabend machen und denen es egal ist, dass es sehr viele Menschen gibt, die erst danach kommen könnten.

Doch das ist natürlich ein Klischee. Langsam, aber sicher wird die Museumslandschaft hierzulande - wortwörtlich - offener.

Jüngere schätzen flexiblere Zeiten

„Dass sich Freizeitaktivitäten zunehmend in den Abend verlagern und wir – die Museen – große Konkurrenz haben, ist ja eigentlich nichts Neues“, sagt Judith Hartstang vom Sprengel Museum Hannover. „Gerade jüngere Zielgruppen schätzen flexiblere Zeitfenster.“ Darauf reagiere man mit mehr Zugänglichkeit.

Das Sprengel Museum hat für seine derzeitige Kunstausstellung „Niki. Kusama. Murakami. Love You for Infinity“, die sehr Instagram-tauglich ist, extra seine Öffnungszeiten verlängert: viermal in der Woche bis 20.00 Uhr. Das bedeute mehr Personalbedarf, lohne sich aber, um das Publikum zu erreichen, sagt Hartstang.

Vorreiter bei ausgedehnteren Öffnungszeiten scheinen privatwirtschaftlich geführte Häuser zu sein wie etwa das DDR-Museum in Berlin-Mitte (täglich 9.00 bis 21.00 Uhr) oder auch die boomenden Lichtspiel-Spektakel zum Eintauchen, die zahlreichen immersiven Ausstellungen zu verschiedenen Themen.

Mehr als 100 Millionen Menschen strömen jährlich in deutsche Museen

Über mangelnde Nachfrage können sich Museen und Ausstellungshäuser jedenfalls hierzulande kaum beschweren. Nach wie vor werden jedes Jahr bei ihnen weit mehr Menschen gezählt (zuletzt rund 106 Millionen Besuche laut Museumsbund) als in den Theatern (zuletzt 20 Millionen Zuschauer laut Bühnenverein) oder in den Fußballstadien der Bundesliga-Vereine (11,8 Millionen Fans in der Saison '24/'25).

Viele Museen haben montags Ruhetag, manche auch dienstags. Einige Museen sind fast nie zu oder nur an ein paar Feiertagen im Jahr, darunter Weihnachten oder etwa wie das Jüdische Museum Berlin an Jom Kippur (2025 am 2.10.).

Langer Donnerstag?

Dutzende Museen bieten neben ihrer recht strengen Regelöffnungszeit wenigstens einen längeren Abend in der Woche an. Oft ist dann vom „Langen Donnerstag“ die Rede. Das hat ein wenig was von Zeitreise in die 90er Jahre.

Denn im Herbst 1989 fiel nicht nur die Berliner Mauer, auch der sogenannte Dienstleistungsabend wurde in der Bundesrepublik eingeführt. Er ließ Läden bis 20.30 Uhr öffnen (für Jüngere: Ja, das galt schon als große Liberalisierung).

Es handelte sich damals um einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zu einer weitreichenderen Lockerung des Ladenschlussgesetzes, das zuvor viele Jahre die Öffnungszeiten bis 18.30 Uhr beschränkt hatte.

Auch der Louvre schließt meist um sechs

Viele deutsche Museen ticken also noch, wie in den 90ern (in denen Berlin auch als erste Stadt die einmal pro Jahr stattfindende «Lange Nacht der Museen» einführte). Wobei an dieser Stelle nicht unterschlagen werden soll, dass auch andere Länder keine ultraliberalen Museumszeiten pflegen.

Auch das Kunsthaus Zürich hat nur einen langen Abend bis 20.00 Uhr pro Woche (donnerstags). In Wien haben nur einige Museen manchmal länger als 18.00 Uhr auf, darunter die Albertina (Mittwoch und Freitag bis 21.00 Uhr). So ist es auch beim weltberühmten Louvre in Paris.

In Deutschland bieten einen langen Donnerstag bis 21.00 Uhr zum Beispiel die folgenden Häuser an: das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, das Museum Kunstpalast in Düsseldorf und das Städel-Museum in Frankfurt am Main. In Köln hat das Museum Ludwig jeden ersten Donnerstag im Monat bis 22.00 Uhr geöffnet, das Wallraf-Richartz-Museum jeden ersten und dritten.

Das Folkwang-Museum in Essen hat Donnerstag und auch Freitag länger auf (heißt hier: bis 20.00 Uhr), die Neue Nationalgalerie Berlin nur donnerstags, die Alte Pinakothek München dagegen dienstags und mittwochs. Mittwoch länger auf machen etwa auch das Germanische Nationalmuseum Nürnberg (bis 20.30 Uhr) und das Museum Reinhard Ernst in Wiesbaden (21.00 Uhr).

Doch das alles ist fast nichts gegen ein spezielles Hamburger Museum beziehungsweise die weltgrößte Modelleisenbahnanlage: das Miniatur Wunderland. Es begrüßt jährlich knapp 1,5 Millionen Gäste, wie Sprecher Niklas Weissleder sagt. Oft gebe es ein dichtes Gedränge an der Anlagenkante.

Deshalb ging man hier schon vor Jahren in die Vollen: „Um möglichst vielen einen Besuch zu ermöglichen, sind die Öffnungszeiten weit ausgedehnt, häufig sind die Türen von 7.00 Uhr bis 1.00 Uhr nachts geöffnet.“

Es gebe Sonderveranstaltungen wie eine abendliche Hafenrundfahrt mit anschließendem Wunderland-Besuch. Weissleder sagt: „Wir könnten manchmal sogar 24 Stunden öffnen, doch das möchten wir dem Team nicht zumuten und benötigen in der Nacht Zeit, um die Anlage zu warten und zu reinigen.“

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