Unternehmen

Überstundenabbau: Ansammeln von Überstunden - Welche Rechte haben Arbeitgeber?

Das Überstundenvolumen liegt in Deutschland, auch ohne steuerfreie Überstunden, auf einem hohen Niveau: 2024 wurden 1,2 Milliarden Überstunden geleistet. Mancher Arbeitnehmer sammelt sogar gezielt Überstunden an, um sie später wieder abzubummeln. Aber wer entscheidet, wann man die gesammelten Stunden wieder abbauen darf oder muss?
18.06.2025 12:29
Lesezeit: 4 min
Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Überstundenabbau: Fast die Hälfte der Beschäftigten macht Überstunden

Als Überstundenabbau wird der Vorgang bezeichnet, in dem Mitarbeitende die geleisteten Überstunden wieder abbauen, um ihr Arbeitszeitkonto auszugleichen und bei „Null“ zu landen. Ein Überstundenabbau kann in monetärer Form erfolgen, aber auch in Form eines Freizeitausgleichs.

Die Deadline für das laufende Projekt drängt, die Arbeit will mal wieder kein Ende nehmen: Das Ansammeln von Überstunden scheint eine übliche Praxis deutscher Arbeitnehmer zu sein, denn fast die Hälfte der Beschäftigten macht regelmäßig Überstunden: Einer Befragung des Deutschen Gewerkschaftsbunds sind das 44 Prozent der Beschäftigten. Knapp ein Viertel der Befragten arbeitet pro Woche mehr als fünf Stunden länger als vertraglich vereinbart. Was sind die Hintergründe der vielen Überstunden und welche Regeln gelten beim Abbau für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?

Unbezahlter Überstundenabbau: Mehr als die Hälfte bummelt ab

Vier von zehn Befragten gaben an, zumindest gelegentlich außerhalb der normalen Arbeitszeit unbezahlte Arbeit für ihren Betrieb zu erledigen. 15 Prozent tun dies nach eigenen Angaben sehr oft oder oft. Der DGB ergänzt unter Berufung auf Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB, dass 53,6 Prozent aller Überstunden im Jahr 2024 unbezahlt geleistet worden seien.

Überstundenabbau: Wer bestimmt wann und wie?

Wann die gesammelten Überstunden abgebaut werden dürfen, kann in der Praxis ganz unterschiedlich gehandhabt werden, wie Kathrin Schulze Zumkley, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Gütersloh, erklärt. Grundsätzlich gilt aber: Der Arbeitgeber kann Beschäftigte einseitig zum Abbau von Überstunden verpflichten, wenn keine anderweitigen Regelungen greifen. Gibt es keine weitere Vereinbarung, kann der Arbeitgeber sogar jederzeit Freizeitausgleich anordnen – auch kurzfristig.

Eine Möglichkeit für den Freizeitausgleich besteht zum Beispiel in der Anpassung der Arbeitszeit. Hat ein Arbeitnehmer etwa an einem Tag zehn statt acht Stunden gearbeitet, kann der Arbeitgeber anordnen, dass der betroffene Beschäftigte am nächsten Tag nur sechs Stunden arbeiten soll. Dadurch wird der reguläre Wochenschnitt wieder erreicht und die Überstunden ausgeglichen.

Überstundenabbau: Wann liegt die Entscheidung beim Arbeitnehmer?

Insbesondere in Arbeitsverhältnissen mit Gleitzeit oder einem Arbeitszeitkonto liegt die Entscheidung aber oft auch beim Arbeitnehmer. Beschäftigte können dann etwa Beginn oder Ende der Arbeitszeit ihres Arbeitstags anpassen.

Generell gilt aber, was im Arbeitsvertrag steht. Dort kann festgelegt sein, wie mit Überstunden umzugehen ist. Als Überstunden werden alle Arbeitsstunden bezeichnet, die über das hinausgehen, was im Arbeitsvertrag vereinbart worden ist. Überstunden muss der Arbeitgeber theoretisch extra vergüten – oder er gibt dem Arbeitnehmer für die zusätzlichen Stunden frei.

Unter Umständen darf der Arbeitgeber auch gar keine Überstunden verlangen. Sofern es keine expliziten Regelungen im Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung gibt, sind Beschäftigte nur verpflichtet, solche Arbeitszeiten abzuleisten, die vertraglich vereinbart sind. Lediglich in Ausnahmefällen, etwa Notsituationen, können Beschäftigte einer Anordnung von Überstunden kaum entziehen.

Mehrarbeit: Entlohnen statt Freizeitausgleich

Sofern der Arbeitgeber keinen Freizeitausgleich schaffen kann, können Arbeitnehmer sich Überstunden auch auszahlen lassen. Gesetzlich ist die Entlohnung von Überstunden allerdings nicht geregelt. Daher muss sich aus dem Tarif- oder Arbeitsvertrag ergeben, dass die Überstunden entlohnt werden.

Enthält der Vertrag keine Regelungen, um sich die Überstunden ausbezahlen zu lassen, muss der Arbeitgeber die Mehrarbeit aber dennoch entlohnen, sofern dies betriebs- oder branchenüblich ist. Dies ist gesetzlich in § 612 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben.

Was gilt für bereits geleistete Überstunden nach einer Kündigung?

Damit für geleistete Überstunden auch eine Bezahlung erfolgt, sollte der Arbeitnehmer generell die Mehrarbeit genauestens dokumentieren, sofern im Unternehmen keine Zeiterfassung vorhanden ist. Nur so können die Überstunden und der Grund fürs längere Arbeiten detailliert nachgewiesen werden. Bei einer Kündigung des Arbeitsvertrages gibt es grundsätzlich auch die Möglichkeit, die angesammelten Überstunden auszahlen zu lassen: Eine Auszahlung ist vor allem dann möglich, wenn kein Freizeitausgleich gewährleistet werden kann.

TIPP: Denken Sie allerdings unbedingt daran: Lassen Sie sich die Überstunden auszahlen, sind noch Steuern fällig. Steuerrechtlich handelt es sich dabei nämlich um normalen Arbeitslohn. Ausnahmen bilden Zuschläge für die Sonn- und Feiertags- sowie die Nachtarbeit.

Steuerfreie Überstunden ab 2025? Steuerliche Anreize in der Kritik

DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel kritisierte, dass Union und SPD mit den geplanten „steuerfreien Überstunden“, die geleistete Anzahl an Überstunden noch mehr angeheizt wird – etwa mit Steuervorteilen. „Zusammen mit der offenbar geplanten Abschaffung des 8-Stunden-Tags ist das ein Giftcocktail für die Gesundheit und Leistungskraft von Beschäftigten“, sagte Piel. Da mehr als die Hälfte aller Überstunden nicht vergütet würden, würde eine Steuerfreiheit den Beschäftigten nichts bringen, fügte sie hinzu.

In ihrem Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD festgehalten: „Damit sich Mehrarbeit auszahlt, werden Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt.“ Und weiter: „Wir werden einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten schaffen: Wenn Arbeitgeber eine Prämie zur Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen.“

Überstunden steuerfrei – ab wann gilt das neue Gesetz?

Bisher handelt es sich lediglich um eine geplante Maßnahme, die im Koalitionsvertrag zwischen SPD und CDU/CSU vereinbart wurde. Ein konkreter Gesetzentwurf liegt derzeit noch nicht vor. Es handelt sich hierbei um politisches Versprechen. Es muss zunächst das reguläre Gesetzgebungsverfahren durchlaufen oder ggf. eine Sofortmaßnahme in Kraft gesetzt werden. Bis dieser Plan also umgesetzt wird, kann es noch etwas dauern. Das Gesetz soll allerdings nur für Vollzeitangestellte (34 Wochenstunden bei Tarifbindung/ 40 Stunden ohne Tarifbindung) und nicht für Teilzeitbeschäftigte gelten.

Lesen Sie hier mehr über die geplanten „steuerfreien Überstunden“ und welche Auswirkungen die neuen Regelungen auf die Personalkosten der Unternehmen haben.

Kathrin Schulze Zumkley ist Fachanwältin für Arbeitsrecht, Mitglied im Geschäftsführenden Ausschuss der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) und Dozentin der Deutschen Anwalt Akademie sowie der Rechtsanwaltskammer Hamm.

 

 

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

Mirell Bellmann

Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Wirtschaft verlangsamt sich weiter – Regierung prüft Kursanpassungen
20.10.2025

Das Wirtschaftswachstum in China hat sich im dritten Quartal auf 4,8 Prozent abgeschwächt, nach 5,4 Prozent und 5,2 Prozent in den beiden...

DWN
Finanzen
Finanzen Finfluencer: Wie Social Media junge Anleger in die Falle lockt
20.10.2025

Junge Anleger lassen sich von Finfluencern in sozialen Netzwerken verführen – mit fatalen Folgen. Schweden greift jetzt durch: Die...

DWN
Politik
Politik EU-Verteidigungsplan: Brüssel will Drohnenschutz für ganz Europa
20.10.2025

Brüssel plant den größten EU-Verteidigungsplan seit Jahrzehnten: Ein gesamteuropäischer Drohnenschild, gemeinsame Beschaffung und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Im Bürokratie-Dschungel: Über 300.000 neue Stellen in Unternehmen
20.10.2025

Obwohl Bürokratieabbau in Deutschland groß diskutiert wird, mussten Unternehmen in den vergangenen drei Jahren massiv Personal...

DWN
Technologie
Technologie Herbst der Entscheidungen: Wie die Medienhäuser ihre Zukunft sichern
20.10.2025

Die Medienhäuser befinden sich in einer entscheidenden Phase des Wandels. Künstliche Intelligenz, der Einfluss globaler Plattformkonzerne...

DWN
Panorama
Panorama ALDI Süd zieht Konsequenzen: Schluss mit Billigfleisch aus niedrigster Haltungsform
20.10.2025

ALDI Süd will Fleisch aus der untersten Haltungsform schrittweise aus den Regalen nehmen. Produkte aus Haltungsform 1, bei denen nur die...

DWN
Politik
Politik Deutschland stärkt Präsenz im hohen Norden – Verteidigungsminister Pistorius startet Arktis-Reise
20.10.2025

Bei seiner ersten Station in Reykjavík hat Verteidigungsminister Boris Pistorius eine engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit...

DWN
Finanzen
Finanzen Krankes Kind: Wie lange dürfen Eltern bei der Arbeit fehlen und wann gibt es Kinderkrankengeld?
20.10.2025

Ein krankes Kind stellt Eltern oft vor schwierige Entscheidungen: Arbeit oder Pflege? Zwischen Jobpflicht und Fürsorge klafft oft eine...