ESG wird Teil der Überlebensstrategie für Unternehmen
Eines der wichtigsten Zukunftsthemen für Unternehmenslenker ist ESG – die drei Säulen Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (Environmental, Social, Governance).
Mit steigenden Anforderungen von Kunden, Mitarbeitenden und Banken sowie schärferer Regulierung seitens der EU wird ESG zum entscheidenden Faktor für die langfristige Relevanz von Unternehmen. ESG sollte deshalb heute schon fester Bestandteil der Unternehmensstrategie sein – besser heute als morgen, mahnt Expertin Jeanette Fangel Løgstrup. Grüne Transformation und soziale Verantwortung sind keine neuen Begriffe. Im Gegenteil, sie stehen seit Jahren auf den Agenden der Wirtschaft. Das Gleiche gilt für den Begriff ESG, unter dessen Dach diese Themen heute zusammengefasst werden.
Doch auch wenn das Konzept nicht neu ist und viele davon bereits gehört oder gelesen haben, führt kein Weg mehr daran vorbei: In den letzten Jahren ist ESG so wichtig geworden wie nie zuvor. Bald wird es schlichtweg zur Grundvoraussetzung, um überhaupt unternehmerisch tätig zu sein. „Ich glaube, es wird die Lizenz zum Wirtschaften. Wer nicht ernsthaft daran arbeitet, verliert langfristig seine Relevanz. Wer es hingegen konsequent umsetzt, wird als Unternehmen deutlich attraktiver“, so die klare Einschätzung von Jeanette Fangel Løgstrup, Aufsichtsrätin, Beraterin und Autorin mit langjähriger Erfahrung im Bereich Nachhaltigkeit auf Führungsebene.
ESG-Unternehmen steigen in die Champions League auf
Allgemein lässt sich sagen: Die Erwartungen an Unternehmen sind heute hoch. Alle Anspruchsgruppen – von Kunden über Mitarbeitende bis hin zum Finanzsektor – verlangen Transparenz darüber, wie ein Unternehmen zur Gesellschaft beiträgt. Die globalen Herausforderungen, insbesondere die Klimakrise, sind offensichtlich. Konsens ist: Jede Firma muss Teil der Lösung sein.
„Der Druck kommt von vielen Seiten – von Kunden, künftigen Mitarbeitenden und Finanzakteuren. Gleichzeitig stehen umfangreiche Regulierungen der EU kurz bevor. Es führt kein Weg daran vorbei: Unternehmen müssen ESG-Kompetenz entwickeln, ob sie wollen oder nicht“, so Løgstrup. Am Ende werden jene Unternehmen am stärksten dastehen, die diese Agenda aktiv angehen, neue Lösungen entwickeln und ESG ernsthaft umsetzen.
Fehlender Überblick als größte Hürde
ESG sollte auch als wirtschaftliche Chance verstanden werden. Die grüne Transformation erfordert massive Investitionen – wer innovative Lösungen beisteuert, gewinnt neue Märkte und Kunden. Vieles ist zudem gesunder Menschenverstand. Doch unabhängig von der Erfahrung gibt es für alle Firmen noch viel zu tun. Die größte Herausforderung liegt oft darin, den Status quo zu analysieren und einen konkreten ESG-Fahrplan zu entwickeln. Hierbei spielen Branche und Unternehmensgröße eine Rolle.
„Gerade kleine und mittlere Unternehmen tun sich schwer. Ihnen fehlen oft die Ressourcen, die größere Unternehmen haben“, erklärt Løgstrup. Auch bei den Großen bestehe die komplexe Aufgabe, alle relevanten Daten zu erfassen und den Anforderungen der kommenden EU-Berichtspflichten gerecht zu werden – gerade Daten aus der Lieferkette, die für die Bewertung der Umweltperformance entscheidend sind, sind oft schwer zu beschaffen.
Deshalb gilt: Die Aufgabe muss in überschaubare Schritte zerlegt werden – insbesondere für Firmen, die keine Ressourcen für dedizierte ESG-Teams oder Neuanstellungen haben.
„ESG wird in den nächsten Jahren eine der wichtigsten Führungsaufgaben. Es ist keine Kür mehr, sondern integraler Bestandteil von Unternehmensführung“, betont Løgstrup.
Ein sinnvoller erster Schritt ist die sogenannte Wesentlichkeitsanalyse: „Man muss analysieren, wo genau die eigene Firma den größten Unterschied machen kann – in ihrer Branche, mit ihrem Geschäftsmodell. Wo sind die Erwartungen besonders hoch? Was bedeutet das für Strategie und Geschäftsmodell?“, so Løgstrup.
ESG erfordert neue Führungskompetenzen
Kurz gesagt: ESG muss sichtbar Teil der Unternehmensstrategie werden. Das Thema erfordert Führung – und diese verlangt neue Kompetenzen, die in der Gesellschaft noch rar sind.
„Nachhaltige Führung erfordert Fachwissen und ein grünes Mindset. Das gilt für das Top-Management, den Aufsichtsrat, aber auch für alle Mitarbeitenden. Jeder muss verstehen, was Nachhaltigkeit für die eigene Firma bedeutet und welchen Beitrag man selbst leisten kann“, sagt Løgstrup.
Die Verantwortung liegt besonders bei der Unternehmensspitze – dort werden Agenda und Richtung vorgegeben. Gleichzeitig braucht es starke Kommunikationsfähigkeiten, um die Vision nach innen und außen zu vermitteln.
Für viele Führungskräfte ist ESG Neuland – es wird nicht an jeder Hochschule gelehrt. Deshalb sind Zeit und Einsatz gefragt, um zu verstehen, wie ESG konkret in der Praxis umgesetzt wird. „ESG wird geschäftsentscheidend auf vielen Ebenen: Wer es gut macht, steht im Markt besser da. Auch Investoren legen immer mehr Wert auf ESG-Kriterien bei Investmententscheidungen und Unternehmensbewertung“, so Løgstrup.
Auch Banken berücksichtigen ESG immer stärker. Wer hier gut abschneidet, erhält leichter Zugang zu grünen Finanzierungen – oft zu günstigeren Konditionen. Das wirkt sich direkt auf die Kapitalkosten aus. Die wirtschaftliche Argumentation für ESG ist also schlüssig.
Natürlich kann eine nachhaltige Transformation auch Investitionen erfordern – große oder kleine, je nach Branche. Aber sie dient letztlich der Zukunftssicherung. „Man kann sagen: ESG verändert die Realität des Wirtschaftens. Es wird eine der zentralen Führungsaufgaben der kommenden Jahre – eine Grundvoraussetzung und Teil des Kerngeschäfts. Es ist keine Frage des Wollens mehr – ESG ist heute fester Bestandteil von Unternehmensführung“, resümiert Løgstrup.
Ohne ESG kein Geschäft mehr
Auch in Deutschland setzt die ESG-Welle Unternehmen unter Druck. Die EU-Taxonomie, das Lieferkettengesetz und neue Berichtspflichten betreffen besonders den deutschen Mittelstand. Gleichzeitig eröffnen ESG-Initiativen Zugang zu Kapital, sichern Marktpositionen und stärken die Arbeitgeberattraktivität. Wer jetzt nicht handelt, läuft Gefahr, Aufträge, Talente und Investoren zu verlieren.Nachhaltigkeit, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung sind längst kein freiwilliges Marketing mehr – sie entscheiden über Zukunft und Wettbewerbsfähigkeit. Wer ESG ignoriert, verliert die Lizenz zum Wirtschaften. Wer es klug integriert, profitiert wirtschaftlich und gesellschaftlich gleichermaßen.