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Arbeitszeitbetrug: Was Beschäftigte wirklich wissen müssen

Früh einstempeln, spät ausloggen, aber zwischendurch privat surfen – viele nehmen es mit der Arbeitszeit nicht so genau. Doch genau hier lauert ein Risiko. Wo endet die Grauzone, wo beginnt der Arbeitszeitbetrug – und welche Konsequenzen kann er nach sich ziehen?
15.08.2025 12:24
Lesezeit: 3 min
Arbeitszeitbetrug: Was Beschäftigte wirklich wissen müssen
Eine elektronische Stechuhr zur Arbeitszeiterfassung: Gerichte urteilen bei Arbeitszeitbetrug sehr streng (Foto: dpa). Foto: Jan Woitas

Arbeitszeitbetrug: Was zählt rechtlich als Arbeitszeitbetrug?

Manche Arbeitnehmer nehmen es mit der Zeiterfassung nicht allzu ernst. Wo Arbeitszeitbetrug beginnt, welche Spielräume es gibt und welche Folgen selbst kleinere Verstöße nach sich ziehen können.

Frühes Einstempeln, ein Arztbesuch als Ausrede oder private Internetnutzung im Homeoffice: Solche Handlungen sind verbreitet – bergen jedoch rechtliche Risiken. Wer sich mit dem Thema Arbeitszeitbetrug auseinandersetzt, kann böse Überraschungen vermeiden. "Arbeitszeitbetrug liegt vor, wenn Beschäftigte wissentlich unzutreffende Angaben zur Arbeitszeit machen", erklärt Arbeitsrechtsexperte Prof. Michael Fuhlrott vom Verband deutscher Arbeitsrechtsanwälte (VDAA).

Ein Fall von Arbeitszeitbetrug ist auch gegeben, wenn Arbeitszeitvorgaben gezielt unterlaufen werden – etwa durch Ein- und Ausstempeln ohne erbrachte Arbeitsleistung. "Ebenso ist das Manipulieren von Zeiterfassungsgeräten oder das Delegieren des Stempelns an Dritte ein klarer Fall von Arbeitszeitbetrug", sagt Juristin Josephine Klose von der Arbeitnehmerkammer Bremen. Laut Fuhlrott ist der Arbeitsvertrag die rechtliche Basis. Arbeitnehmer schulden eine vereinbarte Arbeitsleistung – zum Beispiel 40 Stunden wöchentlich. Diese müssen nicht nur erbracht (Hauptpflicht), sondern auch korrekt dokumentiert werden (Nebenpflicht).

Graubereiche rund um den Arbeitszeitbetrug – darauf sollten Arbeitnehmer und Arbeitgeber achten

Eine aktuelle Unternehmensstudie aus Herbst 2024 zeigt: Rund 70 Prozent der befragten Führungskräfte beobachten Fälle von Arbeitszeitbetrug, wobei etwa ein Drittel der Unternehmen potenzielle Umsatzverluste durch fehlerhafte Zeiterfassung auf über 10 Prozent schätzt. Allein diese Zahlen verdeutlichen, dass Arbeitszeitbetrug kein Einzelfall, sondern ein strukturelles Risiko für Unternehmen ist. Unternehmer sollten daher klare, transparente Zeiterfassungsrichtlinien implementieren und diese regelmäßig kommunizieren, um sowohl Arbeitsleistung als auch Vertrauen zu sichern.

Digitale Systeme zur Arbeitszeiterfassung sind laut Umfrage bereits in 80 Prozent der Firmen Standard – sie erschweren bewusstes Täuschen und beugen Arbeitszeitbetrug effektiv vor. Bei Verdacht ist ein klärendes Gespräch oft effektiver als sofortige fristlose Kündigung, allerdings bleibt diese im Extremfall eine Option, wenn der Arbeitszeitbetrug umfassend nachgewiesen ist. Entscheidend sind Schwere, Wiederholung und Vertrauensverlust. Unternehmer sollten sensibilisieren, präventiv handeln und klare Konsequenzregeln bei Manipulationsversuchen kommunizieren. So lassen sich Schäden vermeiden, Produktivität steigern und das Risiko von Arbeitszeitbetrug nachhaltig reduzieren.

Besonders bei Vertrauensarbeitszeit und mobiler Arbeit entstehen Unklarheiten. "Kurze Raucherpausen oder private Anrufe werden oft nicht dokumentiert – entscheidend sind Umfang, Häufigkeit und betriebliche Regeln", erklärt Fuhlrott. Ein Szenario: In einer Firma wird toleriert, dass man für kurze Raucherpausen nicht ausstempelt. Doch was gilt, wenn der Mitarbeiter sich Kaffee holt und 15 Minuten privat mit einer Kollegin spricht – ohne Bezug zur Arbeitsleistung? "Streng genommen handelt es sich hierbei um Pausenzeit, nicht um Arbeitszeit", betont Fuhlrott. Laut Klose sind jedoch gelegentliche Privatgespräche meist geduldet – sie fördern eine angenehme Atmosphäre und damit auch die Arbeitsleistung.

Gerichte urteilen streng beim Arbeitszeitbetrug

"Arbeitszeitbetrug wird von den Gerichten keinesfalls verharmlost", so Klose. Entscheidend sei, wie schwer der Betrug wiegt und wie stark das Vertrauen beschädigt wurde. Selbst kleinere Verstöße können arbeitsrechtlich bedeutsam sein, wenn sie das Vertrauensverhältnis beeinträchtigen. Fuhlrott verweist auf ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln: Ein Fahrscheinprüfer erledigte private Dinge während dokumentierter Arbeitszeit. Die fristlose Kündigung wurde bestätigt.

Zudem musste der Arbeitnehmer Detektivkosten von knapp 20.000 Euro ersetzen, die der Arbeitgeber gezahlt hatte, um den Arbeitszeitbetrug nach Hinweisen zu belegen (LAG Köln, Urteil vom 11.2.2025 – 7 Sa 635/23).

Führt Arbeitszeitbetrug automatisch zur fristlosen Kündigung?

Nein. "Auch eine ordentliche Kündigung oder eine Abmahnung sind möglich", erklärt Klose. Welche Folgen ein Arbeitszeitbetrug hat, hängt vom Ausmaß sowie weiteren Faktoren wie Betriebszugehörigkeit ab. Selbst Schadenersatzforderungen sind denkbar. "In besonders schweren Fällen drohen auch strafrechtliche Konsequenzen wegen Betrugs oder Urkundenfälschung – wenngleich das selten vorkommt", so Fuhlrott.

"Der Arbeitgeber muss im Streitfall überzeugend belegen, dass ein Beschäftigter Arbeitszeitbetrug begangen hat", sagt Klose. Als Beweismittel dienen Zeugenaussagen, technische Auswertungen oder auch Videoüberwachung.

Fehler ohne Absicht: Ist das auch Arbeitszeitbetrug und welche Kontrollmaßnahmen sind erlaubt??

Arbeitgeber dürfen keine lückenlose Kontrolle ohne Anlass durchführen. "Ein konkreter Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung muss bestehen – etwa bei Einsatz von Detektiven oder Keyloggern", so Klose. Keylogger erfassen sämtliche Tastatureingaben an einem Gerät. Unproblematisch sei laut Fuhlrott eine offene Zeiterfassung – auch technisch unterstützt –, wenn diese transparent erfolgt.

Unabsichtliche Fehlbuchungen – etwa durch versehentlich falsches Eintragen – ziehen meist keine sofortige Strafe nach sich. "Entscheidend ist, ob Vorsatz erkennbar ist und wie mit dem Fehler umgegangen wird", betont Fuhlrott. Ehrliche Korrekturen und offene Kommunikation sind hier entscheidend. Maßgeblich ist, ob der Mitarbeiter glaubhaft erklären kann, dass es sich um ein Versehen handelt. "Wer zum zweiten Mal vergisst, eine Raucherpause einzutragen, muss sehr schlüssig erklären, warum das nicht absichtlich geschah", sagt Fuhlrott – ansonsten liegt der Verdacht auf Arbeitszeitbetrug nahe.

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