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Wohnungslos trotz Job: Wohnungsnot betrifft in Deutschland zunehmend Erwerbstätige

Die Wohnungslosenzahlen steigen in Deutschland rasant: 474.700 Menschen gelten aktuell als wohnungslos – das sind 8 Prozent mehr als 2024. Inzwischen sind immer mehr Berufstätige mit eigenem Einkommen von der Wohnungsnot betroffen. Die Wohnungslosenhilfe bestätigt den besorgniserregenden Trend und stellt konkrete Forderungen an die Bundesbauministerin.
29.08.2025 18:03
Lesezeit: 3 min
Wohnungslos trotz Job: Wohnungsnot betrifft in Deutschland zunehmend Erwerbstätige
Immer mehr Erwerbstätige und Familien von Wohnungslosigkeit bedroht. 13 Prozent aller Menschen, die sich an die Wohnungsnotfallhilfe wenden, sind erwerbstätig. (Foto: dpa) Foto: Christian Charisius

Immer mehr Erwerbstätige von Wohnungslosigkeit bedroht

Ein immer größerer Teil der Wohnungslosen in Deutschland hat einen Job. Das ist ein Ergebnis des veröffentlichten Jahresberichts der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAGW): 13 Prozent aller Menschen, die sich an die Wohnungsnotfallhilfe wenden, sind erwerbstätig. Der Bericht betrachtet Zahlen von 2023 – zehn Jahre zuvor lag der Anteil der Erwerbstätigen noch bei 8,4 Prozent.

Knapp zwölf Prozent der Wohnungslosen sind Rentner. Dieser Anteil hat sich über die vergangenen Jahre kaum verändert. 46 Prozent und damit leicht weniger als bei vergangenen Erhebungen beziehen Sozialleistungen. Alle anderen Wohnungslosen – knapp 30 Prozent – verfügten über kein eigenes Einkommen. Auch Familien mit Kindern sind zunehmend betroffen. Ihr Anteil ist unter den Wohnungslosen gestiegen: Laut dem Jahresbericht leben elf Prozent mit mindestens einem Kind im Haushalt. Damit wurde ein Höchstwert gemessen. 2021 waren es noch 10,6 Prozent.

38 Prozent haben keine deutsche Staatsangehörigkeit

Aus dem Bericht geht außerdem hervor, dass insbesondere Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit stark von Wohnungsnot betroffen sind. Im Berichtsjahr hatten 38 Prozent keine deutsche Staatsangehörigkeit – ein Höchststand. 20 Prozent der nicht-deutschen Wohnungslosen lebten trotz Erwerbstätigkeit weiterhin in Wohnungsnot. Unter den ausländischen Wohnungslosen finden sich mit 18 Prozent auch häufiger Familien.

„Wir sehen, dass fehlende Anerkennung ausländischer Abschlüsse, Sprachbarrieren und ein eingeschränkter Zugang zu Sozialleistungen vielfach zu prekären, teils ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen führen, die den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zusätzlich erschweren“, sagte Joachim Krauß von der BAG Wohnungslosenhilfe. „Dadurch wirkt Migration zunehmend als eigenständiger Risikofaktor für Wohnungsnot.“

„Wir brauchen gezielte, migrationssensible Angebote in der Wohnungslosenhilfe und einen diskriminierungsfreien Zugang zum regulären Wohnungsmarkt“, forderte Susanne Hahmann, die Vorsitzende der BAG Wohnungslosenhilfe. Doch solange es in Deutschland nicht genug bezahlbarem Wohnraum gebe, werde es auch keine wirksame Bekämpfung von Wohnungslosigkeit geben.

Regierung: Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit

Der Wohnungsbau in Deutschland befindet sich in einer tiefen Krise: Zwischen dem Jahreshöchststand im vierten Quartal 2022 und der Jahresmitte 2025 sind die Baustarts für Neubauprojekte um rund 85 % eingebrochen. Der Bundesbedarf liegt bei mindestens 320.000 Wohnungen jährlich – tatsächlich werden in diesem Jahr weniger als 200.000 Neubauwohnungen fertiggestellt. Diese Lücke führt zu stark steigenden Mietpreisen, vor allem in Großstädten, und verschärft den Wohnungsmangel.

Es hänge nun an Bauministerin Verena Hubertz (SPD), inwieweit der Nationale Aktionsplan zur Beseitigung der Wohnungslosigkeit mit finanziellen Mitteln ausgestattet und konkreten Maßnahmen untermauert werde. „Nur dann kann sich etwas bewegen“, sagte die Diakonie-Geschäftsführerin: „Das Recht auf eine Wohnung ist ein wichtiges Menschenrecht.“

Zahl der Wohnungslosen um acht Prozent gestiegen

Das Statistische Bundesamt hatte im Juli einen erneuten Anstieg der Wohnungslosenzahlen in Deutschland gemeldet. Demnach waren zum Stichtag 31. Januar 2025 rund 474.700 Menschen in überlassenem Wohnraum, bei Freunden, in Sammelunterkünften oder Einrichtungen für Wohnungslose untergebracht, acht Prozent mehr als im Vorjahr.

Studierende und Azubis mit hohen Wohnkosten belastet

Studierende mit einem eigenen Haushalt geben im Durchschnitt mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Wohnkosten aus. Mit einer Quote von 53 Prozent sind sie deutlich stärker belastet als die Gesamtbevölkerung mit knapp 25 Prozent, wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte. Grundlage der Zahlen sind demnach Erhebungen zu Einkommen und Lebensbedingungen aus dem Jahr 2024. 62 Prozent der Studierendenhaushalte gelten als überlastet durch ihre Wohnkosten. Auch Auszubildende mit einem eigenen Haushalt hätten einen verhältnismäßig großen Teil ihres Einkommens in Wohnkosten stecken müssen, hieß es. Bei dieser Gruppe lag die Belastung im Schnitt bei 41 Prozent.

Die Hälfte der Studierenden mit eigener Haushaltsführung verfügte laut Statistikamt zuletzt über ein mittleres Einkommen von weniger als 930 Euro pro Monat. Studenten, die mit anderen Studierenden oder Auszubildende zusammen wohnen, verdienten sich im Schnitt 42 Prozent ihrer Einkünfte selbst. Gut 32 Prozent machte laut Statistik private Unterstützung wie Unterhaltszahlungen von Angehörigen aus, 14 Prozent Bafög-Leistungen oder Stipendien.

Fazit: Wohnungsnot verschärft sich weiter

Deutschland steuert auf eine langanhaltende Wohnraumkrise zu. Die drastisch gesunkenen Baustarts, stagnierende Projektplanungen und Verzögerungen gefährden die Wohnversorgung in vielen Regionen – besonders in den Großstädten. Nur eine Politik mit kurzfristig wirkenden Instrumenten und einer stabilen Planungssicherheit für Bauunternehmen kann zu mehr Wohnungsbau führen. Fakt ist: Von stabilen und erschwinglichen Mieten ist Deutschland weit entfernt. Immer mehr erwerbstätige Menschen können sich mit ihrem Verdienst keinen Wohnraum mehr leisten.

Die BAGW stützt sich dabei auf die Auswertung von mehr als 43.000 Beratungsgesprächen in 237 Einrichtungen aus dem Jahr 2023.

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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