Von Sparbüchern zu Börsen: Brüssel macht die Aktienmärkte Europa zum politischen Experiment
Europa spart viel, investiert aber zu wenig. Das Ergebnis: mehr Rücklagen, aber weniger Wohlstand als in anderen Regionen. Nun drängt die Europäische Kommission unter Führung der portugiesischen Finanzkommissarin Maria Luís Albuquerque auf einen Kurswechsel. In der kommenden Woche wird sie den Mitgliedstaaten konkrete Vorschläge unterbreiten, wie Bürgerinnen und Bürger ihre Ersparnisse stärker in die Aktienmärkte Europa lenken können – mit neuen Anlagekonten, steuerlichen Anreizen und einer breit angelegten Strategie für Finanzbildung.
Ziel ist es, die wirtschaftliche Basis zu verbreitern, die Abhängigkeit von Banken zu verringern und den Unternehmen Zugang zu „geduldigem Kapital“ zu verschaffen, das Innovation und Wachstum fördert.
Kapitalmarktunion: Brüssel will Bürgerinnen und Bürger an die Aktienmärkte führen
Die Kapitalmarktunion (CMU) steht seit einem Jahrzehnt auf der Agenda, doch die Fortschritte sind schleppend. Noch immer sind die Aktienmärkte Europa stark fragmentiert entlang nationaler Grenzen, obwohl die Währungsunion längst besteht. Albuquerque betont, dass es nicht um den Verlust von Souveränität geht, sondern um die Aufgabe überholter Kontrollmechanismen: Nur durch integrierte Märkte könnten mehr Wettbewerbsfähigkeit, höhere Wachstumsraten und letztlich auch stärkere europäische Souveränität erreicht werden. Konkret sollen Bürger über digitale Spar- und Anlagekonten ohne Mindestbeträge investieren können – sei es zehn Euro oder größere Summen. Die gesamte steuerliche Abwicklung würde von Finanzintermediären übernommen. Auf diese Weise sollen Hemmschwellen abgebaut und der direkte Zugang zu den Aktienmärkten Europa erleichtert werden.
Besondere Bedeutung hat dieser Schritt für kleinere Börsenplätze wie Ljubljana oder Dublin. Auch wenn lokale Märkte bestehen bleiben, soll ihre Interoperabilität mit einem virtuellen gesamteuropäischen Markt gewährleistet werden. Damit sollen auch kleine und mittlere Unternehmen leichter Zugang zu Investoren finden, ohne ihre Heimatmärkte verlassen zu müssen. Frontier Markets wie Slowenien könnten so Schritt für Schritt an Liquidität, Tiefe und Attraktivität gewinnen.
Investitionen als Schlüssel für Souveränität und geopolitische Stärke
Doch die Hindernisse bleiben. Private-Equity-Fonds ziehen immer häufiger Unternehmen von der Börse weg, während die Attraktivität öffentlicher Erstangebote sinkt. Hinzu kommt, dass europäische Start-ups weiterhin weniger Zugang zu Risikokapital haben als in den USA. Albuquerque will hier ansetzen: weniger überbordende Regulierung, weniger nationale Sonderregeln und eine Bündelung von Pensionsfonds und Versicherungen, um größere Volumina in die Aktienmärkte Europa zu lenken. Nur so lasse sich Kapital mobilisieren, um den Übergang zur grünen und digitalen Wirtschaft zu finanzieren – von Cybersicherheit über Energie bis hin zu Künstlicher Intelligenz.
Die strategische Dimension ist klar: Europa muss investieren, um nicht in geopolitischen Blöcken abgehängt zu werden. Infrastruktur, Digitalisierung, Verteidigung und Energieunabhängigkeit verlangen nach langfristigen Kapitalflüssen. Öffentliche Mittel reichen nicht aus, weshalb private Ersparnisse und institutionelles Kapital in Zukunft eine zentrale Rolle spielen werden. Die Botschaft der Kommission ist eindeutig: Europa hat die Menschen, die Ideen und die Stabilität – jetzt müssen diese Ressourcen über die Aktienmärkte Europa in Wachstum und Wohlstand übersetzt werden.

