Wirtschaft

Fachkräfteeinwanderung: Neue „Work-and-Stay-Agentur“ soll Anwerbung ausländischer Fachkräfte erleichtern

Das Anwerben von ausländischen Fachkräften verläuft schleppend in Deutschland. Nun möchte Arbeitsministerin Bärbel Bas die Fachkräfteeinwanderung digitalisieren und vereinfachen. Künftig soll eine zentrale Anlaufstelle die Prozesse für alle Beteiligten, also Behörden, Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinfachen.
17.10.2025 11:03
Lesezeit: 3 min
Fachkräfteeinwanderung: Neue „Work-and-Stay-Agentur“ soll Anwerbung ausländischer Fachkräfte erleichtern
„Work-and-Stay-Agentur“: Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will mit einer neuen zentralen Anlaufstelle die Einwanderung erleichtern und so mehr Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen. (Foto: dpa) Foto: Niklas Graeber

Bärbel Bas plant „Work-and-Stay-Agentur“ für ausländische Fachkräfte

Seit Jahren versuchen verschiedene Bundesregierungen, mehr Fach- und Arbeitskräfte aus dem Ausland anzuwerben, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Dafür hat die Ampel-Regierung das Einwanderungsrecht für Fach- und Arbeitskräfte deutlich liberalisiert, doch die Verfahren sind langwierig und aufwendig: Anträge müssen auf Papier gestellt werden, zu viele Behörden sind zuständig.

Nun startet die Regierung einen neuen Versuch, die Zahlen zu steigern, denn Deutschland braucht mehr Fachkräfte: Laut der Bundesagentur für Arbeit leben rund 300.000 Menschen mit einer Aufenthaltserlaubnis zum Arbeiten aus Nicht-EU-Staaten hierzulande, etwas mehr als 106.000 verfügen über eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis. Die Bundesagentur für Arbeit und das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gehen aber aufgrund des demografischen Wandels von einem jährlichen Bedarf von rund 400.000 ausländischen Fachkräften aus.

Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) will deshalb die Einwanderung erleichtern und so mehr Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt gewinnen. Ihr Vorschlag: eine „Work-and-Stay-Agentur“, die Verfahren rund um die Erwerbsmigration zentralisiert, digitalisiert und beschleunigt. Eine solche Einrichtung ist auch schon Bestandteil der Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien gewesen. Das Konzeptpapier für die Gründung der neuen Agentur liegt derzeit zur Abstimmung in den beteiligten Ressorts.

Neue Agentur soll Fachkräfte schneller ins Land bringen

„Mit der digitalen Work-and-Stay-Agentur reißen wir die bürokratischen Hürden ein, die den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt bisher erschweren“, sagte Bas in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Für ausländische Fachkräfte wird es einfacher und attraktiver, nach Deutschland zu kommen.“ Interessenten, die nicht aus EU-Staaten stammen, brauchen aktuell in der Regel beispielsweise einen Aufenthaltstitel und es muss ein inländisches Beschäftigungsverhältnis nachgewiesen werden. Es gelten zudem zahlreiche Ausnahmen für bestimmte Beschäftigtengruppen, etwa medizinisches Personal oder Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Die Vielzahl von Regelungen und Ausnahmen sowie die verschiedenen Anlaufstellen der beteiligten Behörden machen das Verfahren derzeit sehr unübersichtlich und kompliziert.

Wann genau die neue Agentur an die Arbeit gehen kann, ist noch offen. Die Finanzierung für Aufbau und Betrieb der Work-and-Stay-Agentur liegt beim Bund.

Ziel: ein „One-Stop-Government“

Die neue Agentur soll künftig als digitale Anlaufstelle nach dem Prinzip des „One-Stop-Government“ arbeiten, der Bereitstellung von allen Diensten aus einer Hand: Fachkräfte können dort online Visa- und Aufenthaltsanträge stellen, Dokumente hochladen und Bescheide abrufen. Auch Arbeitgeber sollen ihre Bewerbenden über die Plattform unterstützen können – vom Mittelständler bis zum Konzern.

Hinsichtlich der Anerkennung ausländischer Abschlüsse und Berufserfahrungen soll nach Angaben des Bundesarbeitsministeriums die Work-and-Stay Agentur „alle Verfahren der Fachkräfteeinwanderung bündeln, darunter auch die Anerkennungsverfahren.“ Für die Anerkennungsverfahren selbst seien grundsätzlich aber die Länder und Kammern zuständig. Die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse ist bisher der entscheidende Faktor, der zu den Engpässen bei der Fachkräfteeinwanderung führt.

Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse

Für 2024 hat das Statistische Bundesamt zur Anerkennung gemeldet: 95.500 Anerkennungsverfahren wurden erfasst, 79.100 Abschlüsse wurden anerkannt. Davon kamen 87 Prozent der positiv beschiedenen Anträge aus den sogenannten Drittstaaten.

Am häufigsten wurden Qualifikationen aus der Türkei (9.200), der Ukraine (6.400), Tunesien (5.300), Indien (4.900) und Syrien (4.300) anerkannt. Besonders gefragt blieben Pflegefachkräfte (32.500 Anerkennungen) und Ärztinnen und Ärzte (11.000) – beides Berufe, in denen der Fachkräftemangel besonders groß ist.

Der Zuwachs bei ukrainischen Abschlüssen hat sich binnen eines Jahres mehr als verdoppelt. Insgesamt endeten 97 Prozent der Verfahren positiv, was auf eine hohe Anerkennungsfähigkeit der Qualifikationen hindeutet.

Wirtschaft fordert Tempo und klare Zuständigkeiten

Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) ist dem Projekt gegenüber aufgeschlossen, es sei eine „große Chance, die Erwerbsmigration zukunftsgerichtet weiterzuentwickeln“. Die BDA mahnt allerdings: Der Erfolg stehe und falle mit der konsequenten Digitalisierung und Zentralisierung der Verfahren.

Heute seien zu viele Behörden beteiligt – von den Visastellen über die Bundesagentur für Arbeit bis zu den Ausländerämtern. Das mache die Prozesse langwierig und ineffizient. Die BDA fordert deshalb eine „Tandemlösung“ aus dem Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten (BfAA) und der Bundesagentur für Arbeit (BA) als organisatorisches Rückgrat der neuen Agentur.

Die Work-and-Stay-Agentur müsse der zentrale Ansprechpartner für ausländische Arbeitskräfte sein, die zum Zweck der Aufnahme einer Beschäftigung, einer Ausbildung, einer beruflichen Anerkennung oder eines Studiums nach Deutschland einreisen, und für deren Arbeitgeber. Eine weitere Forderung der BDA: Die Erteilung von Erstaufenthaltstiteln müsse mit dem Visaverfahren verschränkt und so beschleunigt werden. Die Ausländerbehörden (ABH) vor Ort sollten aber weiterhin für alle anderen Verfahren zuständig bleiben, etwa für die Vergabe unbefristeter Aufenthaltstitel, Themen rund um den Familiennachzug, wenn er nicht im Rahmen der Einreise der Arbeitskraft stattfindet, oder Einbürgerungsverfahren.

Außerdem betont die BDA, dass die Anerkennung beruflicher Qualifikationen weiterhin bei Kammern und Ländern bleiben solle – allerdings digital angebunden und mit klaren Schnittstellen. Die „Work-and Stay-Agentur“ müsse der zentrale Ansprechpartner für Fachkräfte und Arbeitgeber werden, lautet das Fazit der Arbeitgebervertreter: „Deutschland kann sich keine Papierverfahren mehr leisten, wenn andere Länder längst digital rekrutieren.“

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Mirell Bellmann schreibt als Redakteurin bei den DWN über Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor arbeitete sie für Servus TV und den Deutschen Bundestag.

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