Finanzen

Kleine Renten: Warum niedrige Bezüge nicht automatisch Armut bedeuten

Viele Ruheständler leben mit kleinen Renten – und dennoch gut. Rentenpräsidentin Gundula Roßbach widerspricht alarmistischen Tönen über Altersarmut und warnt vor verzerrten Bildern. Hinter niedrigen Bezügen stecken oft kurze Versicherungszeiten oder Teilzeitphasen, nicht zwingend Armut. Auch bei Milliardenkosten für die Rentenreform sieht sie keinen Grund für Panik.
13.11.2025 07:30
Lesezeit: 3 min
Kleine Renten: Warum niedrige Bezüge nicht automatisch Armut bedeuten
Kleine Renten, große Debatte: Rentenpräsidentin Roßbach hält die Warnungen vor Altersarmut für überzogen – und sieht trotz Milliardenkosten stabile Strukturen. (Foto: dpa) Foto: Rolf Vennenbernd

Machen kleine Renten arm?

Viele erhalten nur Renten von einigen Hundert Euro. Doch den Betroffenen droht damit nicht zwangsläufig Armut. Auch angesichts künftiger Milliardenkosten sieht die Rentenversicherung keinen Anlass für Alarmismus.

Kleine Renten, aber keine Armut?

Jede und jeder Zehnte in Deutschland bekommt eine Bruttorente unter 300 Euro im Monat. Darauf wies Rentenpräsidentin Gundula Roßbach bei einer Veranstaltung in Würzburg hin. Zwölf Prozent erhalten zwischen 300 und 600 Euro, rund 13 Prozent zwischen 600 und 900 Euro. Doch kleine Renten bedeuten nicht automatisch Armutsgefährdung, erklärte Roßbach. Zudem stellte die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Bund mit Blick auf mögliche Milliardenkosten durch die geplante schwarz-rote Rentenreform fest: "Wir erleben keine Kostenexplosion in der Rentenversicherung."

Wie hoch die Renten im Schnitt liegen

International betrachtet sei Deutschland "nicht überproportional großzügig, was die Alterssicherung anbelangt", sagte Roßbach. Im Vergleich der OECD-Industriestaaten liege Deutschland unter dem Durchschnitt. Nach aktuellen Zahlen der Rentenversicherung von Ende 2024 beträgt die Bruttorente bei Männern knapp 1.580 Euro, bei Frauen etwas mehr als 1.070 Euro. Nach "einem erfüllten Erwerbsleben" mit mindestens 35 Versicherungsjahren liegt sie jeweils rund 400 Euro höher, betonte Roßbach.

Hinter niedrigen Renten stecken meist kurze Versicherungszeiten – etwa durch Phasen von Arbeitslosigkeit, Kindererziehung oder den Wechsel in die Selbstständigkeit. Auch Beamtinnen und Beamte haben zusätzlich zu ihrer Pension oft kleine Renten aus früheren Beschäftigungen.

Kleine Rente: großes Gesamteinkommen

Bei Paaren zeigt sich der Unterschied zwischen Rente und Haushaltseinkommen besonders deutlich: Vier Prozent von ihnen erhalten laut Roßbach eine Rente unter 500 Euro. Diese Paare verfügen jedoch im Schnitt über mehr als 5.300 Euro Bruttoeinkommen – das höchste Gesamteinkommen aller Gruppen, wie die Rentenpräsidentin betonte.

Geringe Renten seien also "keineswegs ein ausreichendes Indiz" für geringe Haushaltseinkommen. Außerdem lasse sich nicht ablesen, ob jemand freiwillig und gut bezahlt Teilzeit arbeitete oder in einem Vollzeitjob schlecht verdiente.

"Keine Kostenexplosion in der Rentenversicherung"

In der Debatte um die künftigen Mehrausgaben für die Rente zeigte sich Roßbach gelassen. "Wir erleben keine Kostenexplosion in der Rentenversicherung, wir haben eine stetige Entwicklung." Dramatische Warnungen vor Milliardenkosten durch das geplante Rentenpaket der Regierung, das im Dezember im Bundestag verabschiedet werden soll, wies sie zurück. "Das summiert sich im Verlauf auf", sagte Roßbach. Prozentual betrachtet handele es sich jedoch um eine gleichmäßige Entwicklung.

Seit Jahrzehnten bewegt sich die demografische Entwicklung in Deutschland auf einem vorhersehbaren Pfad. Der Grund: Die geburtenstarken Babyboomer-Jahrgänge treten nun massenhaft in den Ruhestand. Roßbach sagte, es sei lange klar gewesen, dass die Absicherung teurer werde, weil es mehr Rentnerinnen und Rentner gebe. Im Umlagesystem gebe es aber "keinen Kollaps, sondern Entwicklungen".

111 Milliarden Euro zusätzliche Kosten

Mit ihrem Rentenpaket wollen Union und SPD unter anderem das Rentenniveau bis 2031 bei 48 Prozent sichern und die Mütterrente ausweiten. Junge Abgeordnete von CDU und CSU lehnten den Gesetzentwurf wegen dauerhafter Belastungen in seiner aktuellen Form ab. Milliarden-Folgekosten nach 2031 seien der jungen Generation nicht zuzumuten. Auch der Vorsitzende des Bundesvorstands der Deutschen Rentenversicherung, Alexander Gunkel, warnte am Vortag vor "dauerhaft" höheren Rentenausgaben.

Die Mehrausgaben, die ab Mitte 2032 durch das Gesetz entstehen, bezifferte Gunkel auf 111 Milliarden Euro bis 2040. Nach dem raschen Aufbrauchen heutiger Milliardenreserven rechnet er für 2028 mit einem sprunghaften Beitragsanstieg um 1,2 Punkte auf 19,8 Prozent – und bis 2030 mit einem Anstieg der Rentenausgaben um fast 26 Prozent.

Beamte in die Rente?

Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, forderte, "die gesetzliche Rente auf breitere Schultern zu verteilen". In der angekündigten Rentenkommission müsse ein Konzept zur Einbeziehung von Beamtinnen und Beamten in die Rente vorgelegt werden. Sozialministerin Bärbel Bas (SPD) sagte in einem Interview: "In die Rentenversicherung sollten auch Beamte, Abgeordnete und Selbstständige einzahlen."

Auch bei der Rentenversicherung blickt man gespannt auf die weitere Reformdebatte und die Arbeit der Rentenkommission. Gunkel wies die Forderung nach einer Einbeziehung der Beamten zurück – allein schon, weil der Bund für die meisten gar nicht zuständig sei. Alternativ könnten einfach weniger Menschen verbeamtet werden, schlug Gunkel vor.

Rentenpräsidentin Roßbach betonte, dass für Umverteilung von Reich zu Arm das Steuersystem geeigneter sei, solange in Deutschland "ein fragmentiertes Alterssicherungssystem" bestehe. Nicht nur die gesetzliche Rentenversicherung sorge für Absicherung. Für Beamtinnen und Beamte, aber auch für Ärzte, Anwälte und Architekten existieren eigene Systeme.

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