Asylpolitik: EU-Staaten beschließen schärfere Migrationspolitik
Härtere Vorgaben, mögliche Rückführungszentren und eine nun geregelte Verteilungsfrage: Die EU-Staaten erzielen wichtige Kompromisse bei umstrittenen Punkten der Migrationspolitik. Schneller und häufiger abschieben, Schutzsuchende aufnehmen oder stattdessen Solidaritätsbeiträge zahlen: Die EU-Staaten kommen bei zentralen Fragen der Migrationspolitik deutlich voran. Darauf verständigten sich die Mitgliedsländer bei einem Treffen der europäischen Innenminister in Brüssel.
Der größte Streitpunkt bleibt die Aufteilung im Rahmen des sogenannten Solidaritätsmechanismus. Die EU-Länder einigten sich darauf, innerhalb der Europäischen Union 21.000 Schutzsuchende umzusiedeln, um besonders belastete EU-Staaten zu entlasten, wie die EU-Innenminister festhielten. Außerdem sollen weniger beanspruchte EU-Länder im Rahmen dieses Solidaritätsmechanismus, der mit der europäischen Asylreform 2024 beschlossen wurde, 420 Millionen Euro bereitstellen – die jeweiligen Beiträge können miteinander verrechnet werden. Auch andere Solidaritätsbeiträge wie Sachleistungen sind möglich. Finanzielle Unterstützung und Sachleistungen könnten somit theoretisch von unterstützungspflichtigen EU-Staaten erbracht werden, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Damit wird die Migrationspolitik innerhalb der EU weiter verzahnt und die Asylpolitik auf gemeinsame Lastenteilung ausgerichtet.
Deutschland darf frühere Aufnahmen verrechnen
Welche Leistungen Deutschland oder andere Länder nach der Einigung konkret erbringen müssen, blieb zunächst offen. Nach einer Analyse von EU-Innenkommissar Magnus Brunner kann die Bundesrepublik jedoch geltend machen, dass sie sich bereits um sehr viele Asylbewerber kümmert, für die eigentlich andere EU-Staaten zuständig wären. Deshalb gilt es als unwahrscheinlich, dass Deutschland zusätzlich Schutzsuchende übernimmt oder sonstige Beiträge für den Solidaritätspool leistet. Diese Einschätzung berührt sowohl die deutsche Migrationspolitik als auch die europäische Asylpolitik.
Mehr Druck auf Menschen ohne Bleiberecht bei Rückführungen
Zudem wollen die EU-Staaten den Druck auf abgelehnte Asylbewerber erhöhen und Rückführungen effizienter organisieren. Menschen ohne Bleiberecht sollen dafür neue Pflichten erhalten und bei fehlender Kooperation mit den Behörden Leistungskürzungen hinnehmen müssen, teilten die Mitgliedsländer mit. Zu den im März von der EU-Kommission vorgelegten Vorschlägen muss das Europäische Parlament noch Stellung beziehen. Danach können die Verhandlungen über die Verordnung starten. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EU-Parlament werden allerdings keine größeren Änderungen erwartet.
Abgelehnte Asylbewerber sollen dem Plan zufolge verpflichtet werden, aktiv an ihrer Rückführung mitzuwirken. Legen sie nach einer Aufforderung nicht umgehend Dokumente zur Identifikation vor, müssen sie mit Strafen rechnen. Außerdem sollen sie für die Behörden erreichbar bleiben. Wer die Zusammenarbeit verweigert, muss mit Konsequenzen rechnen – etwa mit der Kürzung von Leistungen oder einem längeren Einreiseverbot. Nach Vorstellung der EU-Staaten sind in einzelnen Fällen auch Haftstrafen möglich.
Auch Rückführungszentren in Drittstaaten außerhalb der EU sollen durch die Verordnung erlaubt werden. In diesen sogenannten Return Hubs sollen ausreisepflichtige Asylbewerber untergebracht werden, die nicht in ihre Heimat- oder Herkunftsländer abgeschoben werden können. Der Ansatz ist Teil der neuen Migrationspolitik der Union.
Migrationspolitik: Sichere Drittstaaten
Für die Auslagerung von Asylverfahren ist das Konzept sicherer Drittstaaten zentral. Es soll das europäische Asylsystem entlasten, indem Menschen in Nicht-EU-Länder abgeschoben werden, um dort ihr Asylverfahren abzuwarten. Eine entsprechende Festlegung würde auch die Einrichtung von Rückführungszentren in Drittstaaten erleichtern und die Migrationspolitik vereinheitlichen.
Bisher mussten Asylsuchende eine enge Verbindung zu einem solchen Drittstaat nachweisen, etwa durch Familienangehörige oder einen längeren Aufenthalt. Nach dem Vorschlag der EU-Staaten könnte künftig bereits ein Abkommen zwischen einem Mitgliedstaat und dem Drittstaat genügen. Schutzsuchende könnten damit auch in Länder abgeschoben werden, in denen sie noch nie waren und zu denen sie keine familiäre, kulturelle oder sonstige Bindung haben. Unbegleitete Minderjährige sind ausgenommen.
Auch zu diesem Punkt muss das EU-Parlament noch abschließend Position beziehen, bevor Verhandlungen beginnen können.
Sichere Herkunftsländer
Abschiebungen in die nordafrikanischen Länder Marokko, Tunesien und Ägypten sollen nach dem Willen der EU-Länder schneller erfolgen. Dazu sollen diese Staaten als sichere Herkunftsländer eingestuft werden. Das Kosovo, Kolumbien sowie die südasiatischen Staaten Indien und Bangladesch sollen ebenfalls auf die Liste kommen. Auch hier fehlt noch die Positionierung des EU-Parlaments.
Grundsätzlich sollen zudem Länder, die Kandidaten für einen EU-Beitritt sind, als sicher gelten. Dazu würden etwa Albanien, Montenegro oder die Türkei zählen. Die EU-Liste wäre für alle Mitgliedstaaten verbindlich. Gleichzeitig muss weiterhin jeder Einzelfall geprüft werden. Menschen aus diesen Ländern, die in der EU Schutz suchen, werden also nicht automatisch abgeschoben, erhalten aber ein beschleunigtes Asylverfahren. Diese Änderungen gehören zur gemeinsamen Migrationspolitik und sollen Verfahren der Asylpolitik beschleunigen.
Zuletzt weniger Asylanträge – Deutschland nicht mehr auf Platz eins
Nach Angaben der EU-Asylagentur ist die Zahl neuer Asylbewerber in der gesamten Europäischen Union sowie in den Nicht-Mitgliedsländern Norwegen und Schweiz im ersten Halbjahr dieses Jahres insgesamt gesunken. Bis Ende Juni wurden in der Staatengruppe aus 29 Ländern (EU+) 399.000 neue Anträge registriert – gegenüber dem ersten Halbjahr 2024 ein Rückgang von 114.000 beziehungsweise 23 Prozent. Bei den deutschen Behörden gingen im ersten Halbjahr 70.000 Anträge von Neuankömmlingen ein. Damit liegt die Bundesrepublik innerhalb der EU auf Platz drei hinter Frankreich (78.000) und Spanien (77.000).

