Politik

Untersuchung: EU schreibt Gesetze wörtlich nach Vorgaben von Lobbyisten

Ein neues Textanalyse-Programm beweist, wie viel Einfluss die Industrie auf EU-Gesetztestexte hat. Britische Wissenschaftler haben diese Methode angewandt, um aufzuzeigen, wie konkret die Tabak-Lobby in den Jahren 2009 bis 2014 ein Gesetz verwässert hat.
21.08.2014 00:32
Lesezeit: 1 min

Lobbyisten in den EU-Institutionen arbeiten daran, dass Gesetze in ihrem Sinne geändert werden. Das ist soweit bekannt. Neu ist allerdings ein Text-Analyse-Programm, welches genau die Eingriffe der Industrie in den Gesetzes-Text aufzeigt.

Untersucht wird, wie sich die Wortwahl in den Entwürfen verändert. In der vergangenen Woche haben britische Forscher erstmals dazu im British Medical Journal einen Artikel veröffentlicht. Untersucht wurde dazu Entstehung der Tabak-Gesetze zwischen 2009 bis 2014.

Mit der Feststellung, dass „die Tabakindustrie dafür bekannt ist, den wirtschaftlichen Nutzen über die Bedrohung für die Gesundheit zu stellen“, verfolgte das Text-Erkennungssystem die Frequenz von „Pro-Industrie-Worten“, wie etwa „Wirtschaft“, im Vergleich zu jenen des öffentlichen Interesse, wie „Gesundheit“ oder „warnen“, in drei EU-Texten..

Zu den Papieren gehören das öffentliche Anhörungsdokument der Europäischen Kommission aus dem Jahr 2010, der Gesetzesentwurf aus dem Jahr 2012 und das endgültig verabschiedete Gesetz aus dem März dieses Jahres.

„Im Laufe der Zeit verschwand der Wordstamm „Gesundheit“ von 1,5 Prozent der Gesamtwörteranzahl im ersten Papier auf 1,21 Prozent bei dem beschlossenen Gesetz. Dasselbe gilt für das Wort „warnen“. Das Gegenteil geschah beim Wortstamm „ökonomisch“.

Die EU-Gesetzgebung verschob wesentlich Positionen zugunsten jener der Tabakindustrie und anderer Beteiligter, einschließlich Einzelhändlern, die mit der Position der Industrie verbunden waren“, sagen die Analysten der Oxford University, der University of Bath, des Zentrums für Tabakwaren- und Alkoholstudien Großbritannien und der London School of Hygiene & Tropical Medicine.

Aus dem ersten Vorschlag wurden die Vorschläge für eine schmucklose Verpackung und Beschränkungen für den Verkauf entfernt. Im zweiten Vorschlag wurde die Größe der abschreckenden Bilder auf den Verpackungen von 75 Prozent auf 65 Prozent reduziert. Zudem wurde das Verbot für Slim-Zigaretten wieder entfernt, sowie jenes für Menthol-Zigaretten um fünf Jahre verschoben.

Die Forscher sprechen von einem „beispiellosen“ Grad der Lobbyarbeit. Vor allem der Rücktritt des ehemaligen EU-Gesundheitskommissar John Dalli im Jahr 2012 half der Industrie, das Gesetz zu verzögern und nach eigenen Wünschen zu formen. Bekannt ist auch, dass geheime Treffen der EU-Behörden mit der Tabak-Lobby stattfanden. Es gab zudem mögliche Verstrickung von Mitgliedern des Barroso-Kabinetts. Es soll mindestens fünf Treffen gegeben haben, die die Barroso-Leute entgegen den Vorschriften der WHO nicht deklariert haben (mehr dazu hier).

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Kernenergie-Aktien explodieren um 542 Prozent: Anleger warnen vor Blasenbildung
01.07.2025

Kernenergie-Aktien feiern ein spektakuläres Comeback – befeuert durch den steigenden Strombedarf für Rechenzentren. Die Branche erlebt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Svenska Digitaltolk: Dolmetscher-Gigant kauft KI-Unternehmen – Millionenumsatz prognostiziert
01.07.2025

Schwedens Dolmetscher-Gigant will Europas Übersetzungsmarkt aufrollen – mit KI, Millionenplänen und dem Griff nach Deutschland. Doch...

DWN
Politik
Politik Grenze zu – zumindest teilweise: Polen kontrolliert ab Montag
01.07.2025

Polen wird ab kommendem Montag vorübergehend wieder Grenzkontrollen an der Grenze zu Deutschland einführen. Das kündigte...

DWN
Politik
Politik Krankenkassen schlagen Alarm: Zusatzbeiträge könnten deutlich steigen
01.07.2025

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) warnen vor Druck zu neuen Beitragserhöhungen ohne eine rasche Bremse für steigende Kosten....

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Thyssenkrupp-Umbau betrifft Tausende – Betriebsräte fordern Klarheit
01.07.2025

Angesichts weitreichender Umbaupläne bei Thyssenkrupp fordern die Beschäftigten klare Zusagen zur Zukunftssicherung. Betriebsräte pochen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...