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Bratušek abgelehnt: Oettinger könnte für die Energie-Union verantwortlich werden

Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger könnte das Internet-Ressort verlieren und künftig für die Energie-Union zuständig sein. Die Rochade bietet sich an, nachdem die Slowenien Alenka Bratušek vom EU-Parlament abgelehnt wurde. Oettinger versteht perfekt, wie die die EU funktioniert: Zuletzt hatte er angeboten, dass die europäischen Steuerzahler die Rechnungen der Ukraine beim russischen Staatskonzern Gazprom bezahlen könnten.
08.10.2014 22:20
Lesezeit: 2 min

Die designierte slowenische EU-Kommissarin Alenka Bratušek ist im Europaparlament gescheitert. Abgeordnete der Ausschüsse für Umwelt und Industrie votierten am Mittwochabend in Brüssel mit großer Mehrheit gegen die sozialliberale Politikerin, berichtete ein Sprecher der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP). 112 Parlamentarier stimmten demnach gegen sie, nur 13 für sie, 2 enthielten sich.

Bratušek war für den herausgehobenen Posten einer Vizepräsidentin für die Energieunion vorgesehen. Ihr wurde vorgeworfen, sich de facto selbst für das Brüsseler Amt nominiert zu haben. Sie hatte bei ihrer Anhörung in der Volksvertretung einen schlechten Eindruck hinterlassen. Einer der Gründe für die Ablehnung dürfte jedoch nicht so sehr ihre Performance gewesen sein: Möglicherweise wurden Bratušek ihre kritischen Aussagen zur EU zum Verhängnis. Ein konservativer Abgeordneter warf Bratušek vor, sie hätte bei der Ablehnung der Troika in Slowenien den "Slogan" verwendet, Slowenien solle unabhängig bleiben und nicht von der EU besetzt werden.

Tatsächlich ist sie ein Bauernopfer der schwarz-roten Koalition im EU-Parlament. Denn nach eigener Aussage hatte Bratušek dem Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker einen Dreiervorschlag unterbreitet. Hätte Juncker die Selbstnominierung Bratušeks als anstößig empfunden, hätte er sie nicht in sein Team aufnehmen dürfen.

Die slowenische Regierung will nun schnell einen neuen Kandidaten vorschlagen. Unter Berufung auf Aussagen von Regierungschef Miro Cerar meldeten die Medien in der Hauptstadt Ljubljana übereinstimmend, die Koalition wolle in den nächsten zwei bis drei Tagen einen anderen Kommissarsanwärter bestimmen. Cerar habe bereits am Rande des EU-Beschäftigungsgipfels in Mailand Kontakt zu einigen Politikern aufgenommen. Namen wollte er demnach aber nicht nennen. Der Standard aus Wien berichtet, eine mögliche Kandidatin sei die slowenische Ministerin für Entwicklung, Violetta Bulc: Sie sei «eine Spezialistin im Bereich Informationstechnologie und hat einen soliden akademischen Hintergrund und konkrete Arbeitserfahrungen in der EU-Kommission».

Der Standard spekuliert weiter, dass die bevorstehende Rochade den deutschen Kommissar Günther Oettinger wieder zurück in den Energiebereich bringen könnte: Bulc könnte statt Oettinger den Bereich Digitale Wirtschaft übernehmen, für den Oettinger bisher keine Qualifikation mitbringt. Im Energiebereich ist Oettinger allerdings schon gut eingearbeitet und versteht die Funktionsweise der EU perfekt: Erst kürzlich bot er an, dass die europäischen Steuerzahler die offenen Rechnungen der Ukraine bei Gazprom bezahlen könnten. Oettinger würde statt Bratušek neuer Vizepräsident werden und sich um die vor allem von Angela Merkel immer wieder forcierte Energie-Union kümmern. Juncker muss allerdings noch die Sozialdemokraten überzeigen, weil diese im Parteienproporz den Posten eines Vizepräsidenten beanspruchen.

Bei den Anhörungen im EU-Parlament befürworteten die Abgeordneten mehrheitlich die Kandidatur des konservativen Spaniers Miguel Arias Cañete für den Posten des Klima- und Energiekommissars. Auch er ist umstritten, da er bis vor kurzem Anteile an Ölfirmen hielt. Der CDU-Parlamentarier Peter Liese berichtete, der Spanier habe 77 Ja-Stimmen und 48-Gegenstimmen erhalten.

Liese sagte: «Cañete ist zu Recht mit einem überzeugenden Votum ausgestattet worden.» Er habe sich klar zu seiner künftigen Politik geäußert. Der Grünen-Abgeordnete Sven Giegold kritisierte, bei dem Spanier gebe es weiter Fragen zu Interessenkonflikten.

Das Parlament kann bei der Bildung der neuen Kommission von Präsident Jean-Claude Juncker nicht einzelne Kandidaten ablehnen, sondern nur das gesamte Gremium mit insgesamt 27 Kommissaren. Die Abstimmung über die Juncker-Kommission ist für den 22. Oktober geplant.

In der Volksvertretung berieten Fraktionen und Ausschüsse in Dauersitzungen über die Resultate der Kommissarsanhörungen, die am Dienstag zu Ende gegangen waren.

Abstimmungen im zuständigen Fachausschuss waren auch zu den beiden designierten Wirtschafs-Vizepräsidenten Jyrki Katainen und Valdis Dombrovskis sowie zu Jonathan Hill (Finanzmarkt) und Pierre Moscovici (Wirtschaft und Finanzen) geplant.

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