Politik

Österreich: Geheimhaltung über Einsatz von Pestiziden in Landwirtschaft

Lesezeit: 2 min
04.05.2013 00:39
Der österreichische Agrar-Minister Berlakovich weigert sich, die Daten zum Umfang des Insektizid-Einsatzes zu veröffentlichen. Zwar sei ihm der Bienen-Schutz wichtig, doch das Gesetz schütze die Chemie-Konzerne.
Österreich: Geheimhaltung über Einsatz von Pestiziden in Landwirtschaft

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Neonicotinoide sind hochwirksame Insektizide. Doch sie stehen unter Verdacht, für das Sterben der Bienen mitverantwortlich zu sein. Das österreichische Bundesamt für Ernährungs-Sicherheit verweigert Informationen darüber, wie viel von diesen Insektiziden pro Jahr auf den Feldern des Landes gesprüht wird.

Zwar müssen die Hersteller und Händler von Neonicotinoiden die Daten dem Bundesamt melden. Das heißt, das Bundesamt kennt die Zahlen. Doch das Bundesamt berief sich im Vorjahr in einer Stellungnahme an das Parlament auf den Datenschutz und auf die Amts-Verschwiegenheit.

Der ORF zitiert aus dem Schreiben des Bundesamtes: „Bei Abwägung des Interesses an der Geheimhaltung und jenes auf Auskunft überwiegt das Interesse der Meldepflichtigen an der Geheimhaltung der Informationen.“

Diese Pflicht zur Geheimhaltung gelte im Übrigen auch für alle Daten, die dem Parlament übermittelt worden sind. Wolfgang Pirklhuber, der Agrarsprecher der Grünen, nennt daher keine konkreten Zahlen für einzelne Hersteller. Er sagt über die gesamte Branche:

In Summe sind im Jahr 2011 etwa zehn Tonnen dieser Neonicotinoide in Verkehr gebracht worden. Zehn Tonnen dieser Gifte, von denen wir inzwischen wissen, dass sie hochtoxisch sind, dass sie ähnlich wirken wie krebserregende Stoffe, dass sie auf Amphibien, auf Wasserlebewesen ganz hohe Wirkung haben und dass sie selbstverständlich die Bienen massiv schädigen und töten können.

Zudem hält Pirklhuber die Geheimhaltung der Unternehmens-Daten für ungerecht:

Den Bauern und Bäuerinnen nötigt man alle möglichen Informationen ab, von den Ohrmarken der Tiere angefangen bis zu jedem Liter Milch, den sie direkt vermarkten. Aber die chemische Industrie hat einen Freibrief, in Österreich Wirkstoffe in Verkehr zu bringen, ohne dass die Öffentlichkeit informiert wird, wie viel diese Wirkstoffe ausmachen und wie es konkret in der Anwendung aussieht.

Zwar kritisiert der Grüne zu Recht, dass die Bauern gezwungen werden, viele unnötige Informationen an das Bundesamt zu melden. Doch auch die Unternehmen der chemischen Industrie müssen dem Bundesamt melden, welche Wirkstoffe sie in welchem Umfang produzieren und vertreiben. Das ist offenkundig eine Gleichbehandlung.

Aufgrund der massiven Proteste gegen die Geheimhaltung von Unternehmens-Daten sah sich der österreichische Landwirtschafts-Minister Nikolaus Berlakovich zu einer Stellungnahme genötigt:

Der Schutz von Bienen ist mir ein wichtiges Anliegen. In der EU und weltweit gibt es ein Bienensterben. Das hat vielfältige Ursachen. Deren Ursachen sind nicht klar und können vielfältige Gründe wie auch die Varroa-Milbe, die Klima-Veränderungen oder Handy-Strahlungen haben. Es muss eine breite Diskussion mit einer umfassenden Lösung geben.

Wir brauchen eine fundierte Basis, deshalb werde ich nun ein Wissenschaftler-Gremium einsetzen, um die bereits vorhandenen Studien zu analysieren. Weiter werde ich einen Forschungsauftrag erteilen, der die wirklichen Ursachen des Bienensterbens in Österreich analysieren soll.

Berlakovich rechtfertigt die bisherige Geheimhaltung von Unternehmens-Daten. Jetzt will er jedoch einlenken:

Transparenz ist bei der Anwendung von Neonicotinoiden und anderen Pflanzenschutzmitteln absolut notwendig. Nach dem bestehenden Umwelt-Informationsgesetz dürfen genaue Daten wegen des Schutzes betrieblicher Interessen nicht veröffentlicht werden. Ich will diese gesetzliche Lücke rasch schließen, daher setze ich mich für eine Novellierung des Gesetzes ein.

Vorwürfe aus der Opposition, wonach Umwelt- und Landwirtschaftsminister Niki Berlakovich ein Erfüllungsgehilfe der chemischen Industrie sei, weist das Lebensministerium entschieden zurück.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Zu Weihnachten Zukunft schenken

Gerade zu Weihnachten wünschen sich viele Menschen, etwas von ihrem Glück zu teilen und sich für diejenigen zu engagieren, die es nicht...

 

DWN
Unternehmen
Unternehmen Quiet Quitting: Der stille Job-Rückzug mit gefährlichen Folgen
22.12.2024

Ein stiller Rückzug, der Unternehmen erschüttert: Quiet Quitting bedroht die Substanz deutscher Betriebe. Warum immer mehr Beschäftigte...

DWN
Politik
Politik Steuern und Abgaben: Mehrheit der Steuerzahler zahlt 2025 noch mehr – mit oder ohne Ampel!
22.12.2024

Das „Entlastungspaket“ der Ampel ist eine Mogelpackung, denn Steuersenkungen sind nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Ab dem 1. Januar 2025...

DWN
Technologie
Technologie DWN-Sonntagskolumne: Künstliche Intelligenz Hype Cycle - Zwischen Revolution und Enttäuschung
22.12.2024

Ist künstliche Intelligenz nur ein Hype oder der Beginn einer Revolution? Zwischen hohen Erwartungen, Milliardeninvestitionen und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Psychische Gewalt am Arbeitsplatz: Ursachen, Folgen und Lösungen
22.12.2024

So können Unternehmen gegen verbale Übergriffe aktiv werden- Beleidigungen, Drohungen und Beschimpfungen: Rund ein Drittel der...

DWN
Politik
Politik Migrationskrise: Asyl-Rekordhoch in Deutschland und die illegale Migration an den Grenzen geht ungebremst weiter
22.12.2024

In Deutschland leben fast 3,5 Millionen Geflüchtete, von Asylsuchenden über anerkannte Flüchtlinge bis zu Geduldeten. Das ist ein neuer...

DWN
Finanzen
Finanzen Kindergeld beantragen: Tipps und wichtige Infos für 2025
22.12.2024

Wussten Sie, dass Sie Kindergeld bis zu sechs Monate rückwirkend erhalten können? Dies gilt sowohl für Ihr erstes Kind als auch für...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Märchen vorbei? Steht Deutschlands Automobilindustrie vor dem Aus?
22.12.2024

Volkswagen in der Krise, Mercedes, BMW & Co. unter Druck – und hunderttausende Jobs stehen auf dem Spiel. Wie kann der Kampf um...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Credit Suisse-Debakel: Ausschuss sieht Schuld bei Bank
22.12.2024

Die Nervosität an den Finanzmärkten war im Frühjahr 2023 groß - drohte eine internationale Bankenkrise? Für den Schweizer...