Politik

Griechenland: USA rufen den Zahltag für Europa aus

Lesezeit: 3 min
04.07.2015 00:52
Die US-Regierung hat offenbar entschieden, dass in der Schuldenorgie in der Eurozone nun Tabula rasa gemacht werden muss. Der Crash in Griechenland wird zum Zahltag für die europäischen Steuerzahler und Sparer in Griechenland.
Griechenland: USA rufen den Zahltag für Europa aus

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Lange Zeit war vielen Beobachtern unklar, welche Strategie die USA in der Griechenland Krise eigentlich verfolgen. Mehrfach hat die US-Regierung die Europäer aufgefordert, die Krise im Einvernehmen zu beenden. Doch insbesondere das Verhalten des IWF gab Rätsel auf. Der IWF lavierte. Er konnte sich nicht klar erklären, ob er nun einem weiteren Kreditprogramm mit Modifikationen zustimmen würde oder nicht. Immer wieder war jedoch ins Gespräch gebracht worden, dass für Griechenland ein Schuldenschnitt unumgänglich sei.

Mit den jüngsten Erkenntnissen, die sich aus der Analyse des IWF zur völlig außer Kontrolle geraten Schuldenorgie in Europa ergeben, wird das Bild klarer. Die Amerikaner haben den Zahltag für die Eurozone ausgerufen. Sie bedienen sich dabei einer griechischen Regierung, die mit dem Rücken zur Wand steht und bis zuletzt die Hoffnung hatte, noch irgendwie um weitere dramatische Einschnitte im Sozialsystem und Steuererhöhungen umhin kommen zu können.

Welche Rolle dabei der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis gespielt hat, ist unklar. Varoufakis ist in den internationalen Finanzeliten bestens vernetzt. Er hatte zuletzt eine Professur an einer amerikanischen Universität inne. Im Unterschied zu den meisten der Euro-Retter hat Varoufakis klar erkannt, dass die Schulden in Griechenland nicht tragfähig sind. Diese Erkenntnis deckt sich mit der Einschätzung des IWF. Gemeinsam mit seinem Regierungschef Tsipras hat Varoufakis dafür gesorgt, dass es keine faulen Kompromisse mehr geben kann.

Am Freitag hat die Schuldenkrise eine dramatische Wendung genommen. Der IWF veröffentlicht eine vernichtende Analyse, in der er feststellte, dass Griechenland im Grunde nach dem bisherigen Modell nicht mehr zu retten ist. Insbesondere in Deutschland hat diese Analyse Bestürzung ausgelöst. Denn sie führt zu keinem anderen Ergebnis als der bittere Erkenntnis, dass die Eurostaaten nun für die außer Kontrolle geraten Schulden geradestehen müssen. Aktuell reden wir hier von einer Summe von 360 Milliarden Euro, die die europäischen Steuerzahler nun verloren geben müssen. Noch versuchen die Finanzminister, insbesondere Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble, diese Tatsache unter den Tisch zu kehren.

Doch dies funktioniert nicht mehr. Das Spiel ist aus.

Am Freitagabend brachte eine Nachricht von Reuters die endgültige Erkenntnis. Die EU hatte offenbar versucht, die Veröffentlichung des verheerenden IWF Berichts zu verhindern. Doch die Amerikaner, und mit ihnen die anderen IWF-Staaten, hatten entschieden: Die Zeit ist gekommen, um die ganze Wahrheit auf den Tisch zu legen.

Für die Amerikaner und mit ihnen für alle anderen Staaten des IWF, insbesondere für die großen Schwellenländer, ist es klar: Niemand anders als die Europäer selbst werden für ihre eigenen Schulden geradestehen müssen. Die Schwellenländer haben schon seit langem darüber gemurrt, dass die Gelder des IWF für innereuropäische Rettungen verwendet werden. Sie waren der berechtigten Auffassung, dass diese Gelder eigentlich für die Entwicklugsländer dieser Welt zur Verfügung stehen müssen.

Daher ist nun der große Schuldenschnitt in der Eurozone unausweichlich. Dies ist vor allem für Bundeskanzlerin Angela Merkel ein großes Problem. Sie hatte ihren Landsleuten immer einzureden versucht, dass die europäischen Schulden-Staaten auf einem guten Weg seien. Diese Fiktion ist nach dem IWF-Bericht nicht mehr aufrechtzuerhalten.

Doch der Schuldenschnitt ist nur eine Seite der Bereinigung. Wie die FT berichtet, wird es zu einem dramatischen Schuldenschnitt auch für die Kleinsparer in Griechenland kommen. Alle Guthaben über 8000 Euro werden rasiert. Und das ist noch die bessere Lösung für die Griechen. Denn die Alternative ist der totale Bankencrash in Griechenland, wodurch die Sparer sämtliche Einlagen verlieren würden. Vor genau dieser Alternative war Zypern im Jahr 2012 gestanden.

Wie sich diese dramatische Entwicklung auf die anderen Krisenstaaten in Eurozone auswirken wird, ist noch völlig unklar. Die spanische Protestpartei Podemos hat bereits vor einigen Wochen Gespräche mit dem IWF begonnen, um die Schuldentragfähigkeit der spanischen Schulden zu evaluieren. Es ist zu erwarten, dass nun auch die anderen Krisenstaaten der Euro-Zone einen Schuldenschnitt anstreben werden.

Damit dürfte klar sein, dass die Haushalte der nordeuropäischen Staaten signifikanten Belastungen ausgesetzt sein werden. Ein Teil davon wird vermutlich durch technische Tricks zu verstecken sein. Doch alles kann man auf diese Weise nicht verschwinden lassen.

Im Grunde ist das Referendum in Griechenland am Sonntag ein bitterer Neuanfang für die gesamte Eurozone. Ob die gemeinsame Währung und damit die EU als Ganzes dieses Fiasko überleben werden, kann zur Zeit in keiner Weise seriös vorhergesagt werden. Es wird kein Stein auf dem anderen bleiben.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Yulin Delegation - Erfolgreich veranstaltetes Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen in Berlin

Am 25. April 2024 organisierte eine Delegation aus der chinesischen Stadt Yulin ein erfolgreiches Wirtschafts- und Handelsaustauschtreffen...

DWN
Politik
Politik Steinmeier unter Feuer: Kontroverse um Ukraine-Hilfen und Taurus-Lieferungen
30.04.2024

Bundespräsident Steinmeier steht wegen seiner Aussagen zur Ukraine-Hilfe in der Kritik. Politiker werfen ihm vor, seine Rolle nicht...

DWN
Unternehmen
Unternehmen SAP Stellenabbau: Abfindungsangebote stehen, 2600 Jobs sollen wegfallen
30.04.2024

Im Rahmen der weltweiten Umstrukturierung von SAP sollen 2600 Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut werden. Nun wurden...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ukraine-Krieg: So ist die Lage
30.04.2024

Ukraine ruft nach dringender Militärhilfe, während tägliche Raketenangriffe weiterhin zivile Opfer fordern. Selenskyj und Stoltenberg...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Massenprotest bei Thyssenkrupp: Beschäftigte fordern Arbeitsplatzerhalt
30.04.2024

Bei Deutschlands größtem Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel ist viel im Umbruch. Arbeitnehmervertreter fordern Standortgarantien und...

DWN
Immobilien
Immobilien Vonovia dreht das Blatt: Gewinn nach Milliardenverlust
30.04.2024

Nach einem harten Jahr meldet Deutschlands Immobiliengigant Vonovia einen beeindruckenden Gewinn – ein Wendepunkt. Seine Aktie springt...

DWN
Finanzen
Finanzen Einzelhandel erlebt Umsatzsprung: Hoffnung auf Konsumaufschwung wächst
30.04.2024

Deutschlands Einzelhandel verzeichnet den stärksten Umsatzanstieg seit über zwei Jahren, mit realen Zuwächsen und positiven Aussichten...

DWN
Technologie
Technologie Rakete eines deutschen Start-ups soll in den nächsten Tagen ins Weltall starten
30.04.2024

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens...

DWN
Finanzen
Finanzen Deutschlands Wirtschaft trotzt Erwartungen: Wachstum statt Rezession im ersten Quartal
30.04.2024

Deutschlands Wirtschaft wächst trotz düsterer Prognosen: 0,2 Prozent Wachstum im ersten Quartal. Auch der Einzelhandel gibt Anlass zur...