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Hohe Verluste erwartet: Erste Klagen von Anlegern gegen Volkswagen

Ein Landkreis in Texas hat Volkswagen wegen des Abgas-Skandals verklagt. In Australien könnten Strafen in Millionenhöhe drohen. Aber auch in Frankreich und Spanien könnte es für VW unangenehm werden: Hier sind möglicherweise insgesamt mehr als 1,6 Millionen Fahrzeuge von dem Skandal betroffen.
02.10.2015 01:01
Lesezeit: 3 min

Das VW-Aufsichtsratspräsidium kam am Mittwochabend erneut zu einem Krisentreffen zusammen. Neben dem erheblichen Imageschaden drohen dem Konzern weltweite Klagen. Ein Landkreis im US-Bundesstaat Texas hat bereits eine Klage auf den Weg gebracht. In dem am Mittwoch angestrengten Gerichtsverfahren fordert Harris County bis zu 25.000 Dollar pro Verstoß pro Tag. VW habe durch sein betrügerisches Handeln die Bemühungen des Landkreises zur Verbesserung der Luftqualität und zum Schutz der Bürger untergraben. In Harris County liegt unter anderem die Millionenmetropole Houston.

Auch in Australien könnte es teuer werden. Zum einen könnten Verbraucher mit falschen Angaben über die Umweltfreundlichkeit der Wagen getäuscht worden sein, teilte die Verbraucherschutzbehörde Australian Competition and Consumer Commission (ACCC) am Donnerstag mit. Zum anderen verstoße der Einbau manipulierter Software gegen australische Gesetze. Die Behörde warte noch auf Angaben von VW, ob Autos mit dieser Software nach Australien geliefert wurden. Audi hatte dies bereits eingeräumt, allerdings sei die Software in den Audi-Fahrzeugen nicht aktiv gewesen. „Wir sind sehr besorgt über die potenziellen Verbraucher- und Wettbewerbsnachteile“, teilte der Vorsitzende der Behörde, Rod Sims, mit. Jeder Verstoß gegen die Gesetze könne eine Strafe von bis zu 1,1 Millionen australischen Dollar (692.000 Euro) nach sich ziehen, sagte ein Sprecher der Behörde der Nachrichtenagentur dpa. Diese Strafe werde pro verkauftes Auto berechnet, in dem aktive, manipulierte Sorftware eingebaut war. Seit 2009 sind in Australien nach Schätzungen rund 50.000 VWs mit Dieselantrieb verkauft worden.

In Europa haben Frankreich, Spanien und Italien ebenfalls erste Schritte unternommen. Die französische Verbraucherschutzbehörde hat nach Angaben eines Insiders eine Untersuchung in die Wege geleitet. Ziel sei es herauszufinden, ob VW sich ähnlicher Praktiken wie in den USA bedient habe. Die Wolfsburger haben zugegeben, die Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen mit einer Software manipuliert zu haben. Nach Konzernangaben sind weltweit bis zu elf Millionen Fahrzeuge betroffen. In Frankreich sind es knapp 950.000 Autos, in Spanien fast 700.000, wie das Unternehmen mitteilte. An Spanien zahlte VW deshalb bereits erhaltene Subventionen zurück. Zudem machte am Abend die Nachricht Runde, dass auch in Italien ein Umweltverband Klage gegen den Konzern eingereicht hat.

In Südkorea muss VW womöglich rund 120.000 Fahrzeuge zurückrufen. Wie das Umweltministerium des asiatischen Landes mitteilte, will die Regierung bis November eine Entscheidung fällen, welche Maßnahmen VW umsetzen muss. Auch ein Verkaufsstopp sei denkbar. Bis November würden die Abgaswerte von VW- und Audi-Modellen getestet, danach die Diesel-Varianten anderer Hersteller. Erste Klagen gegen den Autobauer sind bereits eingegangen. Zwei Fahrer hätten VW verklagt, sagte Jason Ha von der Anwaltskanzlei Barun IP & Law am Mittwoch in Seoul. Die Kanzlei wirft VW vor, seine Kunden getäuscht zu haben. Etwa 100 weitere Fahrer hätten seine Kanzlei wegen einer möglichen Klage kontaktiert. Die Kanzlei fordert eine Annullierung der Kaufverträge und die Rückerstattung des Kaufpreises. Das südkoreanische Umweltministerium will im Oktober verschärfte Abgastests bei VW- und Audi-Modellen einleiten, die auch in den USA und Südkorea verkauft werden.

Auch hohe Schadenersatzforderungen von Aktionären könnten folgen. „Wir haben zahlreiche Anfragen wegen Schadenersatzklagen von Anwälten erhalten, die größere institutionelle Anleger in den USA vertreten“, sagt Peter Dreier von der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Dreier Riedel. Schadenersatzansprüche könnten zum einen wegen Manipulation des Marktes bestehen. Der auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwalt Andreas Tilp argumentiert, VW habe bereits im Juni 2008 gegenüber einer kalifornischen Behörde falsche Angaben zu den Abgaswerten eines Jetta-Modells gemacht. Damit hätten die Manipulationen begonnen. Tilp hat bereits die erste Klage eines Anlegers vor dem Landgericht Braunschweig eingereicht.

Zudem könnten Aktionäre Ansprüche geltend machen, falls VW seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist. Bereits Anfang September hatte VW gegenüber der US-Umweltbehörde EPA eingestanden, die Abgasgrenzwerte nicht einzuhalten. Die Behörde machte den Fall am 18. September öffentlich. Erst zwei Tage später gestand Volkswagen auch öffentlich in einer Pressemitteilung die Manipulation ein.

Die Höhe des Schadens errechnet sich grundsätzlich nach der Differenz des Kaufkurses und dem Kurs nach öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe. „Wir gehen von einem Mindestschaden von circa 60 Euro pro Aktie aus“, sagt Tilp. Am 18. September hatte die VW-Aktie noch bei mehr als 160 Euro notiert, am Mittwoch lag sie bei 98 Euro. „Fallen die Kurse der VW-Aktien weiter, so erweitert sich der eigentliche Schaden“, sagt Kristin Wahlers, Expertin für Bank- und Kapitalmarktrecht beim Frankfurter Büro von FPS. Allerdings seien die Aktionäre auch verpflichtet, den Schaden gering zu halten. Wieviel Schadenersatz einem Aktionär zustehe, müsse im Einzelfall geprüft werden.

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