Politik

Vor Abschiebung: Stimmung in Griechenland explosiv

In Griechenland stellen sich die Behörden auf unruhige Tage ein: Vor der ersten Abschiebung von Flüchtlingen und Migranten in die Türkei sei die Stimmung unter den Flüchtlingen explosiv, berichten griechische Medien. Die Behörden wissen nicht, was passiert, wenn die Flüchtlingen aus den Lagern geholt werden sollen.
02.04.2016 16:39
Lesezeit: 2 min

Werbung +++

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Die Vorbereitungen für die umstrittene Rückführung von Flüchtlingen und Migranten aus Griechenland in die Türkei laufen auf Hochtouren. Der Plan der Küstenwache und der EU-Grenzschutzagentur Frontex sieht vor, dass von Montag bis Mittwoch zunächst rund 750 Asylsuchende, die illegal auf die griechischen Inseln gekommen sind, in die Türkei zurückgebracht werden. Im Gegenzug werden in Deutschland und anderen EU-Ländern die ersten Syrer erwartet, die auf Grundlage des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei legal in der Europäischen Union aufgenommen werden sollen.

Die Behörden in Griechenland befürchten erhebliche Widerstände unter den Flüchtlingen, die zwangsweise zurückgebracht werden sollen. Auf den Inseln Lesbos und Chios gibt es Proteste, Migranten verurteilten die geplanten Rückführungen als «Deportationen». Hunderte Flüchtlinge, die am Freitag aus dem «Hotspot» von Chios ausgebrochen waren, harrten am Samstag im Hafen der Inselhauptstadt aus.

«Athen, Athen» und «Freiheit, Freiheit» skandieren die Menschen. Sie forderten, dass Fähren sie zum griechischen Festland und nicht in die Türkei bringen. Zwei Fähren wurden deshalb umgeleitet, sie legten außerplanmäßig im Hafen von Mestá im Westen der Insel an, wie der griechische Rundfunk berichtete. In den «Hotspots» werden Flüchtlinge seit Inkrafttreten des Flüchtlingspakts mit der Türkei festgehalten, um in die Türkei abgeschoben werden zu können.

Die Vereinbarung sieht vor, dass alle Flüchtlinge, die nach dem 20. März illegal nach Griechenland übergesetzt sind, zwangsweise in die Türkei zurückgebracht werden können. Für jeden Syrer, den die EU abschiebt, soll ein anderer Syrer auf legalem Wege in die EU kommen - die Union rechnet mit bis zu 72 000 Personen. Davon sollen weniger als 16 000 auf Deutschland entfallen. Deutschland will am Montag die ersten Syrer einfliegen lassen.

Das griechische Parlament machte am Freitagabend im Eilverfahren den Weg für die Rückführung in die Türkei frei. Das Gesetz wurde mit breiter Mehrheit gebilligt. Menschenrechtsorganisationen sehen die Vereinbarung der EU mit Ankara äußerst kritisch. Nach einem Bericht von Amnesty International soll die Türkei in den vergangenen Wochen massenhaft Flüchtlinge aus Syrien in das Bürgerkriegsland abgeschoben haben.

Trotz des Rückführungsabkommens kamen bis zum Samstag binnen 24 Stunden 566 neue Migranten aus der Türkei nach Griechenland. Die Rückführungsaktion soll am Montag starten. Die ersten Flüchtlinge sollen um 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 MESZ) aus dem Hafen Mitilini auf Lesbos in den türkischen Hafen von Dikili gebracht werden. Dies berichtete die halbamtliche griechische Nachrichtenagentur ANA-MPA unter Berufung auf Regierungskreise.

«Für jeden Migranten, der ausgewiesen wird, werden wir einen Polizisten als Aufpasser einsetzen», sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. «Unsere Angst ist, wie man diese Menschen aus den Lagern rausholt.» Die Stimmung unter den Migranten sei explosiv. «Spirale der Gewalt in den Aufnahmelagern», titelte die konservative Athener Zeitung «Kathimerini». «Messerstechereien und Massenausbrüche», meldete das Boulevardblatt «Ethnos».

Dramatisch ist die Lage auch auf dem Festland. Vor allem im Elendslager von Idomeni im Norden und im Hafen von Piräus harren Tausende Menschen in Kuppelzelten und Wartehallen aus. Die griechische Regierung ist ratlos, wie sie mit den Menschen umgehen soll. In den vergangenen Tagen war es wiederholt zu Schlägereien und Tumulten gekommen. Wie die Athener Tageszeitung «Kathimerini» am Samstag weiter berichtete, schließt Bürgerschutzminister Nikos Toskas erstmals den «Einsatz leichter Polizeigewalt» nicht mehr aus - allerdings nur in Ausnahmefällen, wenn «jemand Probleme macht».

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Frankreich: Regierung von Premier François Bayrou scheitert bei Vertrauensfrage
08.09.2025

Frankreichs Regierung unter Premier François Bayrou ist an der Vertrauensfrage gescheitert. Ein krachendes Votum zwingt Präsident...

DWN
Politik
Politik Höhere Beitragsbemessungsgrenzen: Sozialbeiträge werden für Beschäftigte 2026 spürbar steigen
08.09.2025

Die schwarzrote Koalition will die Beitragsbemessungsgrenzen für Rente, Pflege und Krankenversicherung anheben – mit der Begründung,...

DWN
Politik
Politik Government Pension Fund Global: Norwegens Ölfonds trotzt den USA
08.09.2025

Der Government Pension Fund Global (GPFG) sorgt für Streit: Nach dem Ausschluss von Caterpillar und israelischen Firmen drohen die USA mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Autozulieferer unter Druck: Stellenabbau bei Bosch, Conti, ZF – Autobranche kämpft ums Überleben
08.09.2025

Die deutsche Autobranche steckt in einer existenziellen Krise. Auftragseinbrüche, Milliardeninvestitionen in E-Mobilität und massiver...

DWN
Finanzen
Finanzen Wölfe der Wall Street: US-Börsen zwischen Rekorden und Unsicherheiten – steigt der Goldpreis auf 5.000 Dollar?
08.09.2025

Die US-Börsen schwanken zwischen Euphorie und Risiko: Rekorde bei S&P 500 und Nasdaq treffen auf Sorgen um Fed-Unabhängigkeit und...

DWN
Politik
Politik EU-Asylagentur: Deutschland bei Asylanträgen nicht mehr führend
08.09.2025

Seit mehr als zehn Jahren lag Deutschland bei Asylanträgen in Europa unangefochten an der Spitze. Nun übernehmen Frankreich und Spanien...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Warum Führungskräfte manchmal unlogische Entscheidungen treffen – und was zu tun ist
08.09.2025

Führungskräfte treffen oft irrationale Entscheidungen – aus Zeitdruck, Denkfehlern oder Selbstüberschätzung. Doch wer mutig ist und...

DWN
Politik
Politik Zwei Jahre nach dem Start: Wird die Regierung das Heizungsgesetz abschaffen?
08.09.2025

Zwei Jahre nach Inkrafttreten des Heizungsgesetzes plant die schwarz-rote Koalition Änderungen. Zwischen Klimazielen, Förderkürzungen...