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Auto-Versicherer wollen Fahrstil der Kunden per Smartphone überwachen

Die Allianz verspricht jungen Autofahrern hohe Rabatte, wenn sie ihren Fahrstil per Smartphone überwachen lassen. Wer kontrolliert in die Kurven fährt und sich ans Tempolimit hält, bekommt Geld zurück. Ähnliche Rabatte bei Krankenversicherungen stehen bei Datenschützern bereits in der Kritik.
07.04.2016 16:47
Lesezeit: 2 min

Wer vorsichtig fährt, zahlt weniger Geld für seine Autoversicherung: Mit diesem Versprechen bringt die Allianz als einer der größten Autoversicherer Deutschlands einen neuen Telematik-Tarif auf den Markt. Junge Autofahrer müssen sich bei der Allianz künftig entscheiden, ob sie ihren Fahrstil von der Versicherung überwachen lassen, um Geld zu sparen. Wer das nicht will, zahlt die volle Versicherungsprämie.

„Wer auf Basis von Daten seine Fahrweise hinterfragt, wird sie hoffentlich auch verbessern“, sagte der Chef der Allianz Deutschland, Manfred Knof, am Donnerstag bei der Vorstellung des Tarifs in Ismaning bei München. Der Konkurrent Huk-Coburg startet in den kommenden Monaten mit einem ähnlichen Angebot. Damit verlassen die Telematik-Tarife in Deutschland den Laborstatus und werden zu einem breiten Angebot für Autofahrer.

Die Höhe der Versicherungsprämie hängt von der Fahrweise ab. Bei der Allianz wird per Smartphone-App ermittelt, wie stark der Fahrer bremst und beschleunigt, ob er das Tempolimit einhält oder zu rasant in die Kurven fährt. Die Allianz vergibt für jede Fahrt eine Wertung:  Maximal gibt es 100 Punkte und damit eine virtuelle Goldmedaille.

Wer dieses Ergebnis auch dauerhaft erreicht, erhält nach einem Jahr 30 Prozent des Versicherungsbeitrags zurück. Zusätzlich gibt es 10 Prozent Rabatt für die Nutzung des Tarifs. Ein Fahranfänger mit Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung, der normalerweise 1000 Euro pro Jahr zahlt, könne so bis zu 400 Euro sparen. Damit der Kunde das Smartphone nicht in das Auto seiner Oma legt, wird das versicherte Fahrzeug mit einem Bluetooth-Stecker im Zigarettenanzünder ausgestattet, der sich mit dem Handy verbindet.

Nach einem ähnlichen Prinzip vergeben bereits die Krankenversicherungen an ihre Kunden Bonuszahlungen im Tausch gegen deren Gesundheitsdaten. Die Daten werden über Smartphone-Apps an die Kassen weitergeleitet und sind für die Kassenw ertvolle Infos über den potentiellen Kostenfaktor des jeweiligen Kunden. Sie können Informationen über Fitness, Schwangerschaften, Schlaf- und Essgewohnheiten sowie Drogen- und Alkoholkonsum enthalten.

Für Verbraucherschützer sind die Deals jedoch problematisch: Was heute freiwillig ist, könnte morgen zu finanziellen Nachteilen für alte oder kranke Menschen werden.

Als einer der Ersten hatte die Sparkassen-Direkt-Versicherung Telematik-Boxen einbauen lassen. Nach den ersten 1000 Boxen wurde das Projekt Ende 2015 aber auf Eis gelegt. „Die Kundenzufriedenheit war sehr hoch, leider aber auch die Kosten“, erklärte das Unternehmen. Derzeit arbeite man an einer preisgünstigeren Variante.

Auch die VHV Versicherung in Hannover steckte viel Geld in ein Telematik-Angebot und wartet seitdem auf Kunden: Bis Ende 2016 sollen 3000 Verträge abgeschlossen sein. Bisher seien es aber erst rund 300, bestätigte ein Sprecher einen Bericht der Wirtschaftswoche.

Die Allianz wendet sich an Fahrer bis 28 Jahre. Sie sind im Gegensatz zu langjährigen Autofahrern für die Unternehmen ein größeres Risiko, weil sie besonders häufig in Unfälle verwickelt sind. Für die Kfz-Haftpflicht zahlen Anfänger daher wesentlich höhere Prämien als erfahrene Fahrer ohne Unfälle - egal, ob sie Verkehrsrowdys oder vorsichtige Fahrer sind. Im umkämpften Markt für Kfz-Versicherungen versprechen sich die Anbieter Wettbewerbsvorteile, weil sie den überwachten Fahrern günstigere Tarife anbieten können.

Wer einen Telematik-Tarif nutzt, zahlt mit seinen Daten. Regelmäßig müssen die Fahrten-Aufzeichnungen an die Versicherung übermittelt werden. Die Allianz arbeitet mit einem kanadischen Dienstleister zusammen, der die Informationen erhält. Die Allianz selbst habe keinen direkten Zugriff auf die Daten und könne keine persönlichen Informationen daraus ableiten. „Wer diesen Service nicht haben will, muss ihn nicht nutzen“, betont Knof die Freiwilligkeit.

Ob die Verkehrssicherheit sich durch die Telematik erhöht, muss sich erst zeigen. Bei der Allianz können Fahrer die Datenübermittlung für einzelne Fahrten unterbrechen - und ohne Aufsicht Gas geben. Solange genügend Fahrten erfasst werden, gilt der Tarif auch dann.

Je nachdem: Wer den Tarif nicht wählt, zahlt mehr. Die Verbraucherzentrale Bayern befürchtet aus diesem Grund langfristig steigende Preise für alle, die sich nicht überwachen lassen wollen.

Das Vergleichsportal Check24 sieht auch die Gefahr mangelnder Transparenz. „Telematiktarife machen Beiträge für Verbraucher zunächst undurchsichtiger und bergen die Gefahr verdeckter Preiserhöhungen“, sagt Geschäftsführer Christoph Röttele. Fair für den Verbraucher sei es nur, wenn Versicherer offenlegen, wie sich das Verhalten im Verkehr konkret auf die Beiträge auswirkt.

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