Finanzen

Britische Notenbank muss auf drohende Rezession reagieren

In Großbritannien zeichnet sich nach dem Austritt aus der EU eine Rezession ab. Die Bank of England wird den Leitzins im August zum ersten Mal seit vielen Jahren wahrscheinlich senken. Das ohnehin angeschlagene Pfund würde dadurch noch weiter abwerten.
01.08.2016 12:39
Lesezeit: 2 min

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Angesichts einer drohenden Rezession nach dem Brexit-Schock steuert die britische Notenbank auf die erste Zinssenkung seit 2009 zu. Entgegen der Erwartung der Finanzmärkte hatte sie im Juli noch stillgehalten, jedoch für August einen Schritt nach unten signalisiert. Dieser erscheint nun immer wahrscheinlicher, da Hiobsbotschaften aus der Wirtschaft die Währungshüter aufgeschreckt haben: Die Unternehmer richten sich darauf ein, dass der langjährige Boom auf der Insel endet und das Wachstum kurzfristig fast zum Erliegen kommt. Viele Experten erwarten, dass die Bank of England (BoE) deswegen in die Offensive geht.

„Sie ist auf Gefechtsstation und dürfte den Leitzins auf 0,25 Prozent senken“, prophezeit Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Seit der Weltwirtschaftskrise im März 2009 liegt der Schlüsselsatz zur Versorgung der Banken auf dem historisch niedrigen Niveau von 0,5 Prozent. Selbst ein Währungshüter wie BoE-Führungsmitglied Martin Weale, der zuletzt immer wieder zur Vorsicht bei Zinssenkungen mahnte, zeigte sich angesichts der schlechten konjunkturellen Nachrichten alarmiert.

Laut einer Umfrage des Instituts IHS Markit unter rund 1000 Firmen hat das EU-Austrittsvotum die Wirtschaft auf der Insel im Juli so scharf abstürzen lassen wie seit Anfang 2009 nicht mehr. Die unklaren Aussichten, wann und unter welchen Umständen das Vereinigte Königreich mit dem global wichtigen Finanzplatz London aus der Europäischen Union (EU) ausscheidet, sorgt für Unsicherheit bei Firmen und Verbrauchern. Das Konsumklima brach zuletzt sogar so stark ein wie seit 1990 nicht mehr. Auch das Pfund steht unter Druck. Dies alles trübt die Gewinnaussichten der Firmen - so auch bei der Fluggesellschaft British Airways: Auslandsreisen sind für Briten erheblich teurer geworden, weil ihre Währung am Urlaubsort weniger wert ist.

BayernLB-Ökonom Johannes Mayr erwartet mit Blick auf die Pfund-Schwäche, dass die Währungshüter zur erneuten Überraschung der Märkte auf eine Zinssenkung verzichten werden: „Denn eine Lockerung könnte das deutlich angeschlagene Pfund noch mehr ins Rutschen bringen, zumal der Markt nach einem Zinsschritt direkt weitere Senkungen und wohl auch negative Zinsen vorwegnehmen dürfte.“ Die schwächer als erwartet ausgefallenen Konjunkturdaten in Großbritannien haben das Pfund Sterling am Montag nach unten gezogen. Die britische Währung verlor ein halbes Prozent auf 1,3162 Dollar. Der Experte rechnet allerdings damit, dass die BoE auf jeden Fall Maßnahmen zum Ankurbeln der Darlehensvergabe ergreifen wird. Denn andernfalls droht eine Kreditklemme - mit gravierenden Konsequenzen für die ganze Wirtschaft.

Laut Fachleuten könnte die BoE Geldinstitute bei der Refinanzierung belohnen, die ihre Darlehensvergabe ausgebaut oder zumindest konstant gehalten haben. Die Währungshüter hatten 2012 bereits ein ähnliches Programm aufgelegt. Als Reaktion auf das EU-Austrittsvotum vom 23. Juni hat die Notenbank zudem schon die Kapitalregeln für die Banken gelockert. Sie müssen vorerst nicht mehr Geld für schlechtere Zeiten beiseitelegen. Nach dem Brexit-Votum geht zudem die Sorge um, dass Immobilien massiv an Wert verlieren werden, insbesondere am Finanzstandort London, dem nun eine deutliche Schwächung droht.

Postbank-Chefvolkswirt Marco Bargel erwartet vor diesem Hintergrund, dass die Notenbank auch unkonventionelle Maßnahmen wie den Ankauf von Anleihen nutzen wird, um ihre Geldpolitik noch weiter zu lockern. Bislang hat sie Wertpapiere im Volumen von rund 375 Milliarden Pfund erworben und damit die Wirtschaft in den Jahren nach der globalen Finanzkrise wieder flottgemacht. Nun könnte die BoE noch mehr Geld in die Hand nehmen, um Großbritannien vor einer erneuten Rezession zu bewahren.

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