Deutschland

Anti-ESM-Klägerin: Wir werden die Politik zur Verantwortung ziehen

Das Vorhaben der EZB, Staatsanleihen in unbegrenztem Ausmaß zu kaufen, verstoße gegen das Mandat der Zentralbank. Aus diesem Grund zieht Beatrix von Storch von der Zivilen Koalition für tausende Bürger nun vor den Europäischen Gerichtshof. Storch: „Der Widerstand hat sich organisiert und er mobilisiert sich jeden Tag mehr.“
19.11.2012 23:46
Lesezeit: 4 min

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Sie klagen gegen die EZB wegen der OMT. Das Medienecho hält sich in Grenzen. Ist Ihre Klage nicht eher ein Akt der Verzweiflung?

Beatrix von Storch: Die Anrufung des obersten europäischen Gerichtes ist in einem Rechtsstaat nicht ein Akt der Verzweiflung, sondern die Beschreitung des in dieser Sache eröffneten Rechtsweges. Bisher berichten Stern, Welt, Focus, Focus-money, Bloomberg sowie einige schweizer, griechische, polnische und japanische Nachrichtenseiten über die von uns als Zivile Koalition e.V. initiierte Massenklage. Es geht ja um nichts weniger als um die Zukunft des Euros und dessen Stabilität. Das Echo ist - verständlicherweise - also national und international groß. Es treffen auch immer noch weiter Klagevollmachten bei uns ein. Immer mehr Bürger möchten sich an der Klage beteiligen und senden mir ihre Klagevollmacht zu. Wir werden also auch für diese Bürger noch Klage erheben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Die OMTs sind ja an strikte Auflagen gekoppelt und die fürchtet jetzt z.B. Spanien. Ist es nicht denkbar, dass die EZB nur verbal hilfsbereit ist, in Wahrheit aber gar nicht daran denkt, weil sie weiß, dass weitere Sparmaßnahmen in Europa ohnehin nicht durchsetzbar sind?

Beatrix von Storch: Woran die EZB in Wahrheit denkt, darüber möchte ich nicht spekulieren. Ich halte mich an die unmissverständliche Ankündigung, dass uneingeschränkt Staatsanleihen aufgekauft werden sollen. Die EZB verstößt damit eindeutig gegen ihre Statuten. Sie hat für ihr Tun kein Mandat und keine demokratische Legitimierung. Die Mehrheit der Bevölkerung sieht das genauso und in nur wenigen Wochen haben sich über 5.000 Kläger unserer Klage angeschlossen. Es ist richtig, daß die Durchsetzung von Sparmaßnahmen schwierig ist. Die Politik kann oder will nicht sparen. Wir sehen das exemplarisch an Griechenland. Nur: Das hat bislang eben gerade nicht dazu geführt, daß die Rettungsmilliarden ausblieben. Wir haben keinen Grund zu der Annahme, daß die EZB plötzlich tatsächlich nur dann die Notenpresse anwirft, wenn ein Land angemessene Reformen vorantreibt. Und noch einmal: Die EZB hat kein Mandat, sich damit in die Politik der Länder einzumischen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Wie lange glauben Sie, dass ein solches Verfahren dauert?

Beatrix von Storch: Diese Frage ist nicht klar zu beantworten. Wir haben ein normales Hauptsacheverfahren beantragt und das Europäische Gericht ist an Fristen nicht gebunden. Ich rechne also mit mehreren Monaten und halte auch eine gezielte Verzögerung des Verfahrens durch das Gericht nicht für ausgeschlossen.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Selbst wenn Sie Recht bekommen – wie können Sie Ihr Recht durchsetzen?

Beatrix von Storch: Ich gehe davon aus, dass die Europäische Zentralbank, wenn schon nicht die eigenen Statuten, so dann doch das höchste europäische Gericht anerkennt und sich an ein entsprechendes Urteil hält. Alles andere wäre ein beispielloser Skandal.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Haben die Einschränkungen des BVerfG die Politiker eingeschüchtert, den ESM zu benützen?

Beatrix von Storch: Es geht nicht um die Einschüchterung der Politiker, sondern um die Setzung klarer rechtlicher Grenzen für ihr Handeln.  Diese Grenzen sind vom Verfassungsgericht klar formuliert. Ich gehe davon aus, dass sich die deutsche Politik darüber nicht hinwegsetzt. Wir werden sehr genau darauf achtgeben.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Kann es sein, dass ein Urteil vielleicht keinen Durchbruch bringt, aber dann doch der Anstoß zu einem Umdenken ist?

Beatrix von Storch: Das Umdenken hat längst eingesetzt. Der Chef der Deutschen Bundesbank artikuliert fortlaufend, dass das Handeln der EZB unzulässig ist. Er verweigert seine Zustimmung. Die Mehrheit in der deutschen Bevölkerung hat lange erkannt, dass die Politik scheitert und die Rettungsmaßnahmen nur eines bringen: Zeitverlust und damit Geldverlust. Keines der Krisenländer ist in der Lage, seine Schulden zu bedienen. Es wird also mit den Sparauflagen Unmögliches verlangt, nur um ein Alibi zu geben, damit unsere Hilfsmilliarden weiter fließen. Und die fließen eben nicht an die z.T. leidende Bevölkerung, an Krankenhäuser und Suppenküchen, sondern an Bankeneigentümer, die keine Verluste realisieren wollen mit griechischen Staatsanleihen, die sie nämlich sonst voll abschreiben müssten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Sie klagen, auch weil sie Juristin sind. Könnte es aber sein, dass EU, EZB und die anderen „Retter“ gar nicht daran denken, sich an Verträge zu halten?

Beatrix von Storch: Ich vertrete die Klage von über 5.000 Bürgern nicht vor dem Hintergrund, weil ich Jurist bin. Ich habe die Klage initiiert und vertrete sie, weil das Anliegen essenziell ist. Es geht um die Geldwertstabilität unserer Währung und gerade weil die EZB sich nicht an Recht und Gesetz, die eigenen Statuten, hält, rufen wir nunmehr das Europäische Gericht an.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Am Ende sitzt der Staat doch auf dem längeren Ast: Er kann die Gesetze ändern, Notverordnungen heranziehen und vieles andere. Ist es nicht ein Kampf gegen Windmühlen?

Beatrix von Storch: Wer ist „der Staat“? Der Staat - das sind doch wir Bürger. In einer Demokratie legitimieren die Wähler über die Parlamente die Regierung. Wenn die Regierung eine Politik macht, die von der Mehrheit der Bevölkerung nicht mehr getragen wird, hat die Bevölkerung bei den nächsten Wahlen die Möglichkeit, die Regierung abzuwählen. Diese Möglichkeit haben wir zumindest theoretisch auch - nur nicht bei der Politik der EZB. Deswegen ist ihr ihr Tun auch verboten.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  In allen anderen Staaten gibt es Großdemos – die Deutschen beobachten das Geschehen eher vom Straßenrand. Woran liegt das?

Beatrix von Storch: Ich habe Demonstrationen in München mit über 1.000 Teilnehmern organisiert. Wir haben in Berlin und mehrfach in Karlsruhe demonstriert. Die Menschen gehen auch hier auf die Straße. Es gibt aber natürlich einen grundsätzlichen Unterschied: In Spanien und Griechenland mobilisiert sich die Bevölkerung gegen Sparmaßnahmen. Wenn auch bei uns solche notwendig werden – und das wird in Kürze der Fall sein – dann wird der Mobilisierungsgrad noch steigen.  Er tut es bereits – das erlebe ich jeden Tag bei uns, bei der Arbeit der Zivilen Koalition. Jeden Tag schließen sich neue Bürger an, z.T. 500 bis 1.000 pro Woche. Die Bürger sind in Bewegung und sie sehen, daß die gemeinsame Artikulierung ihres Widerstandes Stück für Stück Erfolg hat. 1,5 Millionen Protest-E-Mails haben Bürger gegen die Rettungsschirmpolitik über unsere Seite AbgeordnetenCheck.de an die Abgeordneten verschickt. Zigtausende handschriftlich unterschriebene Protestbriefe habe ich im Bundestag und Kanzleramt abgegeben. Und nun haben wir mit über 5.000 Bürgern vor dem Europäischen Gericht Klage eingereicht. Der Widerstand hat sich organisiert und er mobilisiert sich jeden Tag mehr.

Deutsche Wirtschafts Nachrichten:  Kann es sein, dass die Bundesregierung ein doppeltes Spiel spielt? Nach außen sagt man, der Euro muss gerettet werden. Tatsächlich aber wartet Merkel nur, um am Ende sagen zu können: Wir waren nicht schuld?

Beatrix von Storch: Auch hier mag ich nicht spekulieren. Ich stelle nur Tatsachen fest: Der deutsche Vertreter im EZB-Rat, Herr Weidmann, steht offenbar alleine da. Er hat nicht die Rückendeckung unserer Regierung. Und natürlich ist es für die Politik überall bequem zu sagen, die EZB sei unabhängig und man mische sich hier nicht ein. Die EZB druckt derweil das Geld, das die Politik nicht einsparen will oder kann, das die Banken nicht verlieren wollen und das den Staaten auf dem Markt keiner mehr freiwillig zur Verfügung stellen mag. Das Anwerfen der Notenpresse wird der Sparer und Rentner bitter bezahlen und immer mehr Menschen sehen diese Gefahr ganz konkret heraufziehen. Sie wehren sich. Sie organisieren sich. Sie mobilisieren sich. Es gibt ein wachsendes zivilgesellschaftliches Bündnis, eine zivile Koalition. Und die wird die Politik zur Verantwortung ziehen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Trump Zölle gegen EU-Handelsbarrieren richtig: EU drohe sonst Öko-Sozialismus
11.04.2025

Mit provokanten Aussagen zu Trumps Zöllen überrascht Václav Klaus (83), Ex-Präsident der Tschechischen Republik und prominenter...

DWN
Politik
Politik Treffen mit Putin dauert noch an - Gespräch mit US-Sondergesandten Witkoff noch ohne offizielle Ergebnisse
11.04.2025

Der US-Sondergesandte Steve Witkoff ist nach Russland gereist und in St. Petersburg gelandet. Treffen zwischen Russlands Präsident...

DWN
Politik
Politik Wehrpflicht kommt zurück nach Deutschland: Verteidigungsminister Pistorius sieht Einführung noch 2025
11.04.2025

Nach Bildung der neuen Regierung: Der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius will die Einführung des neuen...

DWN
Politik
Politik Russischer Angriff auf Nato-Staaten? Deutsche Sicherheitsexperten warnen vor Panikmache
11.04.2025

Ukraine-Krieg: Zahlreiche Sicherheitsexperten kritisieren Alarmismus und Aufrüstung wegen eines möglichen russischen Angriffskrieges auf...

DWN
Politik
Politik Sondertribunal Den Haag wegen Ukraine Krieg: Putin nicht vor Gericht - Keine Aburteilung in Abwesenheit
11.04.2025

Ein geplantes Sondertribunal zur Untersuchung mutmaßlicher Aggressionsverbrechen Russlands gegen die Ukraine wird den russischen...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt Sekthersteller Rotkäppchen-Mumm: Vom ostdeutschen Sanierungsfall zum Marktführer
11.04.2025

Rotkäppchen-Mumm entwickelt sich wertmäßig bei Schaumwein und Wein deutlich über dem Marktniveau. Der Marktanteil ist mit 38 Prozent so...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Der Rückgang des Dollars setzt sich fort – ein Grund zur Sorge
11.04.2025

Der US-Dollar, jahrzehntelang Symbol wirtschaftlicher Stabilität und globaler Dominanz, verliert zunehmend an Strahlkraft – und das...

DWN
Panorama
Panorama Neue Pandemie der Kurzsichtigen: Augenärzte sprechen von einer Pandemie der Myopie
11.04.2025

Warum Augenoptik ein Handwerk mit großer Zukunft ist: Um 2050 wird Prognosen zufolge die halbe Menschheit kurzsichtig sein. Epidemiologen...