Finanzen

Wahlen in den USA: Obama auf dem Weg zur „lame duck“

Lesezeit: 4 min
03.11.2014 00:19
Die Zentralbanken in aller Welt liefern sich einen Währungskrieg, in dem die USA nicht mehr lange mithalten können. Wie sich die Fed verhalten wird, hängt von den Dienstag stattfindenden Midterm-Elections ab. Die Prognosen sagen einen Sieg der Republikaner voraus. Die Folge dürfte sein, dass das wirtschaftlich geschwächte Land sein Heil in einer aggressiveren Außenpolitik suchen dürfte.
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Der Herbst 2014 bringt zwei entscheidende Weichenstellungen, die vor allem für die Zukunft der USA – und damit automatisch für den „Rest“ der Welt von großer Bedeutung sind. Diese Weichenstellungen erfolgen einerseits in Tokio, andererseits in Washington mit den Wahlen am kommenden Dienstag.

Zunächst Tokio: Japans Notenbank ging am Freitag „all in“: noch mehr Anleihekäufe, noch mehr Aktienkäufe – höher, schneller weiter. Die Aktion der Japaner kam überraschend. Ihr Ziel: das Erreichen ihres Inflationsziels, zumindest offiziell. In Wahrheit geht es um etwas anderes: die Bank of Japan reagiert auf die Absicht der EZB, ihre Bilanzsumme auszuweiten und die vermeintlichen Deflationsgefahren durch Inflation zu bekämpfen. Wenn ihr flutet, so die Message aus Japan, werden wir eben noch mehr fluten.

Es ist wie beim Poker: Die EZB erhöht den Einsatz, die Bank of Japan geht mit und erhöht ihrerseits noch einmal den Einsatz. Das wiederum hat eine starke Sogwirkung auch auf die EZB: es geht um eine Art Wettbewerb, wer der Spender Nummer eins der globalen Liquidität sein wird. Japan gegen Europa, so heißt diese merkwürdige „battle“. Jetzt steht es 2:1 für Japan.

Faktisch ist das ein neuer Währungskrieg. Bei dem geht es nicht mehr, wie noch der Schöpfer des Begriffs „Währungskrieg“, der brasilianische Finanzminister Mantega meinte, um die Stärkung der eigenen Wettbewerbsfähigkeit für den Export. Es geht darum, wer seine eigene Deflation am Wirksamsten durch Export in andere Währungsräume auslagern kann. Es geht um „deflation-outsourcing“. Wer seine eigene Deflation weginflationiert und seine eigene Währung schwächt, sorgt für eine Aufwertung anderer Währungen und damit zu deflationären Tendenzen in diesen Währungsräumen, weil die Importe günstiger werden und so die umlaufende Geldmenge sinkt.

Fragt sich nur, was die Amerikaner jetzt machen. Jahrelang war die amerikanische Fed das Maß aller Dinge, spielte die geldpolitische Musik in den USA. Nun jedoch droht die Fed mit dem Ausstieg aus ihrem Anleihekaufprogramm ins Abseits zu geraten. Kann sie einfach nichts tun, während die anderen aufs Gaspedal treten? Kann sie in diesem Umfeld überhaupt nächstes Jahr die Leitzinsen anheben? Eher unwahrscheinlich.

Am Dienstag stehen in den USA die midterm-elections an. Es wird das komplette Abgeordnetenhaus und Teile des Senats neu gewählt. Das bisher republikanische Abgeordnetenhaus wird republikanisch bleiben, das gilt als sicher. Aber wahrscheinlich wird auch der Senat in den Hände der Republikaner fallen – und Präsident Obama würde damit zu einer „lame duck“, weil er gegen beide Kammern anregieren muss. Faktisch bedeutet dies, dass der Einfluss der Republikaner sowohl auf die Außenpolitik als auch auf die Wirtschaftspolitik massiv zunehmen wird. Die Bedeutung dieser Verschiebung ist in Europa noch weitgehend unverstanden.

Zunächst die Außenpolitik: man wirft der Obama-Administration ja nicht nur in den USA eine gewisse Untätigkeit vor. Aber im Nachhinein wird man sich an eben diese Außenpolitik der USA unter Obama mit Wehmut erinnern. Da fehlen alle christlich-evangelikalen Töne der Bush-Regierung – schon weil Obama nicht der klassische weiße Christ ist aus dem Mittleren Westen ist. Aufgewachsen in Hawaii, verbrachte er prägende Jahre im nach Bevölkerung größten muslimischen Land der Welt, in Indonesien. Er hat aus dieser Zeit eine Empathie für die Kultur und Religion des Islam, wie noch keiner der amerikanischen Präsidenten zuvor. Die eher zurückhaltende, deeskalierende Politik der Obama-Regierung gegenüber den islamischen Ländern ist also nicht zuletzt eine Folge von Obamas biografischer Prägung.

Wenn nun die Republikaner mehr Einfluss gewinnen, hat das Auswirkungen auf das Verhalten und die Rhetorik der USA gegenüber der islamischen Welt. Es ist damit zu rechnen, dass die Amerikaner wesentlich aggressiver gegen den IS vorgehen werden, womit Konflikte mit einigen Staaten in der Region vorprogrammiert sind. Die USA werden, stärker als bisher, wieder den Weltpolizisten spielen wollen und damit den Antiamerikanismus in vielen Teilen der Welt, besonders aber islamischen Ländern, deutlich verstärken.

Wirtschaftspolitisch aber wird der zunehmende Einfluss der Republikaner die Stellung der Fed in der Welt eher schwächen. Die Republikaner sind überwiegend erklärte Gegner einer ultralaxen Geldpolitik. Die amerikanische Notenbank wird somit im Konzert der Liquiditäts-flutenden Notenbanken EZB, der Bank of China, der südkoreanischen Notenbank oder der Bank of Japan nicht mehr mitspielen können.

Wie sich hier die Verhältnisse bereits verschoben haben, zeigt das Verhalten des noch mit Abstand größten Anleihemarkts der Welt – der Markt für amerikanische Staatsanleihen. Hier richten sich die Händler inzwischen überwiegend nach der Kursentwicklung des deutschen Bunds (Bund-Future), also der deutschen 10-jährigen Staatsanleihe als Benchmark für den Anleihemarkt Europas. Noch nie zuvor haben sich die Amerikaner an den Finanzmärkten so sehr nach den Deutschen gerichtet – Frankfurt ist mit der EZB als Spenderin des billigen Geldes inzwischen immer wichtiger geworden.

Während also die wirtschaftspolitische Bedeutung der USA abnimmt, wird ihr außenpolitischer Aktionismus deutlich zunehmen. Die derzeitige außenpolitische Strategie der Obama-Regierung besteht darin, durch ihr Bündnis mit Saudi-Arabien vor allem Russland und den Iran unter Druck zu bringen. Das geschieht durch den relativ kleinen (Future-)Markt für Öl, der ziemlich leicht unter Druck zu bringen ist, wenn man es nur will - und dazu noch das Argument hat, dass ja das Angebot durch die immer größere Produktion in den USA eben den Preis drücken würde.

Nicht zufällig zeigt sich Russland mit dem niedrigen Ölpreis deutlich kompromissbereiter in der Ukraine-Frage – doch bleibt der Preis lange so niedrig, wird dies das Land vor enorme Probleme stellen. Seit Juli fällt der Rubel von einem Allzeittief zum nächsten. Im Grunde ist das eine ziemlich intelligente Strategie der Amerikaner, für die das Land nicht einmal sein Militär einsetzen muss.

Die Saudis dagegen verdrängen unliebsame Konkurrenz aus dem Ölmarkt durch Preisdrückung. Statt die Produktion zu drosseln, wie es immer geschah, wenn der Ölpreis fiel, liefern sie die maximalen Menge: die Saudis wissen, dass Europa angesichts der Unsicherheit wegen der Ukraine durchaus interessiert ist, seine Lager richtig voll zu machen. Europa wird dadurch weniger abhängig von Russland – und welch Wunder, die Russen unterzeichnen einen Gas-Deal mit der Ukraine, vermittelt durch die EU.

Während die Kommentatoren meinen, die USA hätten keine Strategie, ist das Gegenteil der Fall. Diese Strategie kostet die USA praktisch nichts, Soldaten sind dazu auch nicht erforderlich. Aber genau diese Strategie wird nach den Wahlen am Dienstag in den USA in Frage gestellt. Sicherer wird die Welt mit dem zu erwartenden Sieg der Republikaner aller Wahrscheinlichkeit nach nicht.

Man wird sich an den Herbst 2014 später einmal als Wendepunkt erinnern.


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