Politik

Merkel beugt sich den US-Vorgaben und verweigert Bundestag NSA-Aufklärung

Die Bundesregierung will nur einer Person Zugang zu den NSA-Spählisten geben. Der zuständige Untersuchungsausschuss soll dazu jemanden aus dem Justizbereich benennen. Die Opposition kritisiert das Vorgehen scharf.
18.06.2015 00:31
Lesezeit: 2 min

Die Bundesregierung will die geheime Liste mit US-Spionagezielen gegenüber dem Bundestag unter Verschluss halten, aber einem Ermittlungsbeauftragten Einsicht gewähren. Der NSA-Untersuchungsausschuss des Parlaments soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur vom Mittwoch eine hochrangige Person etwa aus dem Justizbereich benennen und mit einem Fragenkatalog ausstatten. Dieser Vorschlag soll dem Untersuchungsausschuss noch im Laufe des Tages offiziell schriftlich unterbreitet werden.

Der Bundesnachrichtendienst (BND) soll dem US-Geheimdienst NSA teils absprache- und rechtswidrig geholfen haben, auch deutsche und europäische Ziele auszuspähen.

Wer die Vertrauensperson sein wird, blieb zunächst offen - sie soll aber rasch von den Parlamentariern ausgewählt werden. Es könnte sich um eine Persönlichkeit wie einen Ex-Verfassungsrichter handeln.

Die Regierung soll über den Personalvorschlag der Parlamentarier entscheiden, so dass der Sonderermittler formal von ihr eingesetzt und ihr zugeordnet wird. Der Beauftragte soll Einblick in die geheimen US-Listen erhalten, sie aber nicht weitergeben dürfen. Linksfraktion und Grünen hatten mit Verfassungsklage gedroht, falls die Abgeordneten die Liste nicht selbst sehen dürfen.

Der SPD-Obmann Christian Flisek sagte, der Ermittler werde als Vertrauensperson bezeichnet und eine Sonderrolle einnehmen: „Das ist was Eigenes.“ Er ergänzte: „Das Parlament bestimmt, wer diese Person zu sein hat“ und was sie untersuchen solle. „Da gibt es eine formelle exekutive Verpackung und der gesamte Inhalt ist parlamentarisch“, sagte Flisek. „Wir haben das Heft des Handelns in der Hand“. Die Linken-Obfrau Martina Renner, erklärte, einen Beauftragten, der anstelle der Parlamentarier die Selektoren prüfe, lehne man ab. „Die parlamentarischen Kontrollrechte sind nicht verhandelbar.“

Im April war öffentlich geworden, dass die NSA gezielt nach Informationen etwa über europäische Rüstungskonzerne oder französische Behörden gesucht haben soll. Die NSA speiste dazu Suchbegriffe (Selektoren) in Überwachungssysteme des BND ein. Im Zentrum steht eine Liste mit 40 000 vom BND aussortierten Selektoren, die im Kanzleramt liegt.

Die Koalition aus Union und SPD will dem Parlament mit der Lösung entgegenkommen, ohne das bilaterale Geheimhaltungs-Abkommen mit den USA zu verletzen. Nach diesem Abkommen darf die Bundesregierung geheime Informationen der USA nicht ohne Rücksprache weitergeben.

Als Begründung für das Verfahren wird ein Präzedenzfall aus den USA genannt. Damals hatte die US-Regierung im Zuge der Aufklärung der Attentate vom 11. September 2001 Erkenntnisse deutscher Behörden über eine Regierungskommission ebenfalls an Abgeordnete weitergegeben.

Nach den dpa-Informationen sollte der NSA-Ausschuss am Nachmittag - während der Vernehmung von BND-Präsident Gerhard Schindler in öffentlicher Sitzung - über die Entscheidung informiert werden. Anschließend dürfte der Ausschuss hinter verschlossenen Türen über das weitere Vorgehen beraten. Es wird erwartet, dass die Obleute der Fraktionen anschließend über die Ergebnisse informieren. Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert war der Vorschlag nicht Thema in der Kabinettssitzung am Vormittag.

Die Vertrauensperson soll nach dem Willen der Koalition mit einem klar umrissenen Fragenkatalog zu den umstrittenen Spionagezielen ausgestattet werden. Die Pläne sehen vor, dass sich der NSA-Ausschuss eigene Untersuchungen vorbehält, falls die Rechercheergebnisse des Ermittlers nicht den Vorstellungen der Abgeordneten entsprechen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik AfD scheitert mit Klage gegen geplante Änderung des Grundgesetzes - Linke stimmen auch dagegen
13.03.2025

Die AfD ist mit dem Versuch gescheitert, die Sondersitzung des Bundestags mit den Beratungen über eine Änderung des Grundgesetzes zu...

DWN
Politik
Politik US-Regierung droht Shutdown – Schumer warnt vor parteipolitischer Blockade
13.03.2025

Der US-Senat steht vor einer wegweisenden Abstimmung, die das Risiko eines Regierungsstillstands birgt. Laut dem Minderheitsführer der...

DWN
Panorama
Panorama Ukraine-Krieg: Moskau meldet die Befreiung der Stadt Sudscha im Gebiet Kursk
13.03.2025

Moskaus Streitkräfte haben nach eigenen Angaben die seit sieben Monaten von ukrainischen Truppen besetzte Kleinstadt Sudscha im...

DWN
Politik
Politik Corona-Folgeschäden bei Kindern: Grund für schwere Entzündungen entdeckt
13.03.2025

Lockdowns und Impfungen führten nicht nur zu psychischen Erkrankungen bei Kindern: Einige leiden seit der Corona-Infektion an heftigen...

DWN
Politik
Politik Milliarden-Schuldenpaket und Grundgesetzänderung: Worum geht es Union und SPD? Eine Zusammenfassung
13.03.2025

Milliarden für Verteidigung und Infrastruktur sollen die Grundlage für die schwarz-rote Koalition sein. Doch Union und SPD drohen bereits...

DWN
Politik
Politik Herkules-Aufgabe bewerkstelligen: 16 Arbeitsgruppen für schwarz-rote Koalitionsverhandlungen
13.03.2025

256 Politiker sollen jetzt das inhaltliche Programm einer künftigen schwarz-roten Regierung ausarbeiten – und das möglichst zügig. Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Rheinmetall rüstet auf: Rüstungskonzern plant Aufstockung auf 40.000 Mitarbeiter
13.03.2025

Das Waffengeschäft boomt und damit Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall: Die Auftragsbücher sind so voll wie nie. Der...

DWN
Technologie
Technologie Nun doch die Rettung? Chinesischer Konzern will Flugtaxi-Firma Volocopter kaufen
13.03.2025

Der Hype um Flugtaxis war groß. Dann wurde lange entwickelt und präsentiert. Doch es scheitert bisher an Zulassungen und immer wieder an...