Politik

Außer Rand und Band: EZB-Mann kündigt Austritt Griechenlands aus dem Euro an

Lesezeit: 4 min
07.07.2015 16:32
Die EZB erhöht den Druck auf Griechenland: Das lettische Ratsmitglied teilt mit, dass es zukünftig wohl einen Staat weniger in der Euro-Zone geben werde. Passend zur Krise veröffentlicht die EZB einen Bericht über die Fragwürdigkeit der Notkredite. Die Aktionen sollen dazu dienen, die Griechen zu zermürben - und sind an Schäbigkeit kaum zu übertreffen.
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Reuters meldet:

13.49 Uhr - Das lettische EZB-Ratsmitglied Ilmars Rimsevics sieht Griechenland auf dem Weg aus der Euro-Zone: "Die griechische Nation war kühn und hat sich selbst aus der Euro-Zone herausgewählt", sagt er im lettischen Rundfunk.

14.32 Uhr - Rimsevics ergänzt, künftig werde es womöglich einen Staat weniger in der Eurozone geben. Die Einführung einer anderen Währung in Griechenland sei das wahrscheinlichste Szenario.

Man muss sich wirklich fragen, wer den bisher der europäischen Öffentlichkeit völlig unbekannten und von niemandem gewählten Herrn Rimsevics dazu autorisiert hat, solche Sprüche zu klopfen. Natürlich ist man mittlerweile daran gewöhnt, dass die EZB-Direktoren an keinem Mikrofon vorbeigehen können, ohne einen mehr oder weniger belanglosen Satz abzusondern.

Aber dass die Selbstdisziplin mitten in der schwersten Krise der EU nicht so weit reicht, dass die Direktoren einfach mal schweigen und sich auf ihre Arbeit konzentrieren, kann nur damit erklärt werden, dass diese Leute wenig Sachkompetenz haben. Sonst würde es sich für sie von selbst verbieten, solch einen Satz in die Welt zu setzen. Die EZB ist völlig verpolitisiert und daher längst keine vertrauenswürdige Institution für die Geldpolitik. Der bedeutendste US-Notenbanker Paul Volcker vor allem auch deshalb so erfolgreich, weil er niemals in der Öffentlichkeit aufgetreten ist - außer, wenn es eine Zinsentscheidung zu verkünden gab. Erfolgreiche Geldpolitik kann nur dann funktionieren, wenn sich die Zentralbank mit keinem einzigen Player gemein macht.

Doch der Druck auf Griechenland soll weiter aufgebaut werden - gleichgültig, ob man damit die griechischen Sparer noch mehr verunsichert. Das Ganze hat auch deshalb etwas so Frivoles, weil die griechischen Sparer seit einer Woche nicht mehr an ihr Geld kommen: Sie sind völlig hilflos einer Politik ausgeliefert, die ihrerseits niemandem mehr Rechenschaft schuldet.

Und die EZB sieht ihre Aufgabe offenbar darin, den Spaltkeil noch tiefer in die Euro-Zone zu treiben: Sie veröffentlichten mitten in der Krise einen Bericht, der auf die besonderen Gefahren der Notkredite hiniweist. Im Straucheln befindliche Banken besäßen häufig keine angemessenen Sicherheiten, um an normalen geldpolitischen Maßnahmen teilzunehmen, hieß es in einem am Dienstag veröffentlichen Handbuch der Europäischen Zentralbank (EZB) zum Risikomanagement. Die sogenannten ELA-Hilfen dürfen nur an im Kern gesunde Banken vergeben werden, die unter vorübergehenden Liquiditätsproblemen leiden. "Die mit ELA verbundenen Restrisiken sind tendenziell höher als die in regulären geldpolitischen Operationen", heißt es in dem rund 50-seitigen Papier der EZB-Experten. Sie mahnen zugleich, die Vergabebedingungen dürften nicht zu großzügig sein.

ELA-Hilfen werden gegen Sicherheiten von der jeweiligen nationalen Notenbank vergeben - über die Gewährung entscheidet aber der EZB-Rat. Er nimmt momentan mit der Genehmigung solcher Notkredite für die angeschlagenen griechischen Banken eine Schlüsselposition in der Schuldenkrise des Landes ein. Denn die Hilfen sind für die Geldhäuser überlebenswichtig. Sie sind aber selbst im EZB-Rat umstritten. Bundesbankpräsident Jens Weidmann etwa äußerte zuletzt Zweifel an der Solidität der Institute. Der EZB-Rat entscheid am Montag, die Daumenschraube weiter anzuziehen.

Demnach dürfen die griechischen Banken die Hilfen zwar weiter erhalten, müssen aber einen Haircut bei den Sicherheiten hinnehmen. Der Haircut wurde von 50 Prozent auf 60 Prozent angehoben. Ab 60 Prozent beginnt die Enteignung der Sparer, weil sich die Banken sonst nicht mehr rekapilaisieren können. In Griechenland sind Enteignungen von 30 Prozent bei Sparguthaben über 8.000 Euro im Gespräch.

Die EZB-Veröffentlichung wird, wenngleich vermutlich nicht so geplant, als weitere Drohung gegen Griechenland eingesetzt. Darin heißt es etwa, dass ELA-Kredite nicht in Konflikt stehen dürfen mit den Zielen und Aufgaben des europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB). So könnte beispielsweise die finanzielle Unabhängigkeit der nationalen Notenbank gefährdet sein, wenn für ELA nicht genügend Sicherheiten gestellt werden. Als Risiko nennt die EZB auch mögliche Verstöße gegen das Verbot einer Staatsfinanzierung durch die Notenbank.

Das ist im Fall Griechenlands an Schäbigkeit nicht mehr zu überbieten: Die EZB hat den vermutlich schwersten Fehler in der griechischen Tragödie zu verantworten. Sie hat nach Auffassung des Schweizer Finanz-Analysten Michael Bernegger mit dem Schuldenschnitt im Jahr 2012 die Katastrophe eingeleitet. Dieser sei technisch so angelegt gewesen, dass die griechischen Banken nicht sofort ausreichend kapitalisiert wurden. Statt wie die Amerikaner die Banken nach dem Schuldenschnitt sofort großzügig zu rekapitalisieren, habe man sich auf ein tödliches Modell „Liquidität für Reformen“ entschieden. Die Banken haben nur schrittweise frisches Kapital erhalten und manövrierten über lange Zeit mit negativem Eigenkapital. Die Folge:

„Der von den Gläubigern auferlegte Schuldenschnitt und die Restrukturierung der Banken lösten eine kettenartige weitere Erosion des Eigenkapitals und der Kreditfähigkeit der Banken aus. Bei einer Jahre andauernden systemischen Kreditklemme nimmt die allgemeine Liquiditätskrise die Wirtschaft in einen eisernen Griff. Die Rechnungen können nicht mehr bezahlt werden. Wenn Kunden nicht mehr zahlen können, gehen die Lieferanten Bankrott, eine Kettenreaktion breitet sich über die ganze Wirtschaft aus. Viele Kreditnehmer wurden zunächst zahlungsunfähig und gingen nicht viel später bankrott. Damit nahm die Quote der nicht bedienten (engl. non performing loans) und faulen Kredite (engl. bad loans) abrupt zu. Beide wiederum mussten und müssen von den Banken mit massiv höheren Risikogewichten resp. Eigenmitteln unterlegt werden, so dass das risikofähige Kapital auch nach der Rekapitalisierung weiter erodierte. Es bildete sich ein Teufelskreis aus Kreditklemme, Liquiditätskrise, finanzpolitischer Austerität, weiter steigenden faulen Krediten, ungenügendem Eigenkapital usw.“

Diese EZB tritt nun als scheinbar abgeklärter Ratgeber und geldpolitischer Think Tank auf. Tatsächlich ist das monetäre SWAT-Team der Troika, allerdings mit voller Immunität und einer Macht, die sich weniger auf Recht und Gesetz, sondern auf Herrschen und Teilen gründet. Sie hat sich in den vergangenen Jahren ohnehin schon viel zu viele Kompetenzen angeeignet: Sie ist Banken-Aufsicht, Troika-Mitglied und Drucker. Man kann auch Willkür als eines der Handlungsprinzipien nicht ausschließen: Die EZB veröffentlicht nach Gutdünken. So erfährt man beispielsweise nicht, welche Sicherheiten nach welchen Kriterien rasiert werden. Statt nützlicher Informationen liefert die EZB der Öffentlichkeit anrüchige Wortspenden. Das ist das Gegenteil einer verantwortungsvollen, anständigen Banken-Kultur - welche ja von der EZB mit großem Pathos ständig von den von ihr beaufsichtigten Banken gefordert wird. 

Mit Spannung dürfen wir in diesem Zusammenhang die Aufklärung des kriminellen Eintritts Griechenlands in den Euro erwarten: Damals hatte die Investment-Bank Goldman Sachs den Griechen geholfen, mit einem Währungs-Swap die EU zu täuschen. Die EU hat sich bereitwillig täuschen lassen. Als Bloomberg der Sache auf den Grund gehen wollte, schmetterte der EuGH einen Antrag auf Offenlegung der Akten nach dem Informationsfreiheitsakt ab. Die Begründung: Die EZB habe der Gericht plausibel erklärt, dass eine Veröffentlichung der Akten über die dubiose Rolle Goldmans auch Jahre später noch "die Märkte entflammen könnte". Goldman und die EZB wurden aus übergeordnetem Interesse gedeckt. Das innere Logik des Vorgangs ist bestechend: Der frühere Goldman-Direktor war inzwischen zum Direktor der EZB befördert worden.

Mario Draghi sitzt heute am entscheidenden Hebel, um Griechenland - und danach die ganze Euro-Zone - ins Verderben zu stoßen oder doch noch zu retten. Das Vorspiel zum nächsten Akt dieses unwürdigen Dramas lässt nichts Gutes erahnen.


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