Politik

US-Stratege: Die EU versinkt glücklich in der Bedeutungslosigkeit

In den USA hat man die EU offenbar bereits abgeschrieben: Der US-Geopolitiker George Friedman glaubt, dass die EU „glücklich in der Bedeutungslosigkeit versinken“ wird. Schon heute kümmere sich kaum noch jemand um die Entscheidungen der EU. Für Angela Merkel könnte diese Entwicklung fatal sein.
17.01.2016 02:09
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Der einflussreiche Geopolitiker und Stratege George Friedman stimmt in einem Interview mit Euractiv einen Abgesang auf die EU an. Seine Positionen sind wichtig, weil die US-Regierung und viele US-Konzerne ihre Entscheidungen auf der Basis der Erkenntnisse von Friedman treffen. Friedman ist der Gründer des privaten Informationsdienstes Stratfor, hat diesen aber im Jahr 2015 verlassen und mit Geopolitical Futures einen neuen Dienst gegründet.

Friedmans Sicht auf die EU ist ernüchternd:

„Ich glaube, die EU ist gescheitert, aber es gibt keine klare Alternative. Dieses Scheitern zeigt sich deutlich in der Immigrationsfrage, die wir nicht wirklich als großes Problem sehen, weil es sich dabei um eine Bevölkerungsverschiebung von weniger als 0,5 Prozent handelt. Dennoch kann sich Europa einfach nicht einigen, wie man damit umzugehen hat.“

Doch die EU könne sich nicht einigen – weil sie in den Mitgliedsländern mittlerweile nicht mehr als Autorität akzeptiert wird:

„Die Zukunft der EU ist sehr interessant, da sie jetzt keine bedeutenden Entscheidungen mehr treffen kann. Ebenso wenig kann sie beschließen, sich aufzulösen. Was passieren wird ist genau das, was jetzt schon geschieht: Europa fällt immer weniger Entscheidungen und wenn es das tun, werden die europäischen Staaten der EU immer weniger Beachtung schenken.“

Die EU wird zwar nicht formal aufgelöst werden, doch de facto aus den politischen Prozessen verschwinden:

Institutionen in Europa sind wie Museen: Man kann sie noch immer besuchen und sie funktionieren auch noch. Ich glaube also nicht, dass die EU in naher Zukunft zusammenbrechen wird, doch bin ich überzeugt, dass sie bei allen wichtigen Themen immer mehr an Einfluss verliert.“

Soros nennt als ein Beispiel den Umgang der EU mit Polen und Ungarn, für den gebürtigen Ungarn und Sohn von Holocaust-Überlebenden, eine reine Groteske:

„Ein perfektes Beispiel ist die scheinbare Erkenntnis, dass Polen und Ungarn faschistische Staaten sind. Ich habe bereits einige faschistische Staaten gesehen und es ist ein langer Weg, so zu werden! Deutschland hat nun unter diesen Umständen aus sämtlichen Problemen und bei alldem, was gerade vor sich geht, gerade dieses Thema herausgepickt. Dafür nehmen sich Frau Merkel und die EU Zeit: für die polnische Entscheidung, die Zusammenstellung des Medienvorstands und der Richter zu ändern. Was macht Polen also? Genau dasselbe, was auch Ungarn getan hat: Es ignoriert die EU, da sie eh nichts zu sagen hat.“

Friedmans Fazit:

„Die EU wird auch weiterhin existieren und glücklich in der Bedeutungslosigkeit versinken.

Friedmans Einschätzung dürfte sich in Washington auch negativ auf die Beurteilung von Bundeskanzlerin Angela Merkel auswirken: Merkel setzt in der Flüchtlingskrise auf eine europäische Lösung, die jedoch nicht kommen wird. Schon vom ersten Kontingent von 200.000 auf die Staaten umzuverteilenden Flüchtlingen aus Italien und Griechenland wurden bis zum Jahresende 2015 nicht einmal 200 von EU-Ländern aufgenommen.

Wie sehr die EU derzeit einem Auflösungsprozess unterworfen ist, zeigt der jüngste Streit zwischen EU-Präsident Juncker und dem italienischen Premier Matteo Renzi. Renzi hat nämlich die Milliarden-Zahlungen an die Türkei blockiert - mit der einleuchtenden Begründung, die EU solle das Geld besser an Italien überweisen, das ebenfalls hunderttausende Flüchtlinge zu versorgen hat. Die EU beeilte sich, den Grund des Streits, über den der EUObserver berichtet, unter den Teppich zu kehren. Scheitert die Einigung mit der Türkei, dann ist Angela Merkels Konzept für die Flüchtlingskrise endgültig gescheitert. Dann wird es für die Kanzlerin auch in Deutschland sehr eng, weil sie den verfassungswidrigen Zustand der offenen Grenzen nicht mehr lange wird aufrechterhalten können.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen USA: Staatsverschuldung erreicht 36,6 Billionen Dollar – wer sind die Gläubiger?
18.04.2025

Die Staatsverschuldung der Vereinigten Staaten hat mit 36,6 Billionen Dollar einen neuen Höchststand erreicht und wächst in den letzten...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Online-Handel unter Druck: Steigende Erwartungen, weniger Spielraum für Fehler
18.04.2025

Der digitale Handel erlebt 2025 einen Wendepunkt: Kunden erwarten Perfektion, während lokale Anbieter ums Überleben im globalen...

DWN
Panorama
Panorama Nach Corona: Aufwärtstrend bei Amateurmusik - Deutsche musizieren wieder
18.04.2025

Den Flohwalzer klimpern, ein Liebeslied singen, auf der Gitarre schrammeln – Hobbymusik hat viele Facetten. Doch wie viele Menschen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blick aus China: Die USA haben an Bedeutung verloren, Zölle beeinträchtigen die Lieferketten nicht
18.04.2025

Die Bedeutung des US-Marktes für China habe in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen und mache heute nur noch 14 Prozent der...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliardärsmanager fliehen aus US-Aktien: Der stille Countdown zur Rezession hat begonnen
17.04.2025

Eine neue Erhebung der Bank of America zeigt: Die Stimmung unter den großen Vermögensverwaltern kippt dramatisch. Während die Finanzwelt...

DWN
Politik
Politik Merz und EU offen für Tauruslieferung an Ukraine: Kreml warnt vor direkter Kriegsbeteiligung
17.04.2025

In der Opposition war Merz offen für eine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Als voraussichtlicher Kanzler ist er das...

DWN
Panorama
Panorama Die Macht der WHO: Internationaler Pandemievertrag kommt
17.04.2025

Fünf Jahre nach Beginn der Corona-Pandemie haben sich die WHO-Mitgliedstaaten auf ein Pandemieabkommen geeinigt. „Ich habe keinen...

DWN
Technologie
Technologie Mechanische Speicher als geopolitische Alternative: Lithium-Batterien geraten unter Druck
17.04.2025

Angesichts wachsender Abhängigkeit von China bei Lithium-Batterien rücken mechanische Energiespeicher in den Fokus. Eine...