Politik

EU gesteht: 60 Prozent der Einwanderer sind keine Flüchtlinge

Die EU räumt ein, dass die öffentliche Darstellung, die Mehrzahl der nach Europa strömenden Migranten seien Flüchtlinge, falsch war: Ein Frontex-Bericht belegt, dass 60 Prozent der Einreisenden keinen Anspruch auf Asyl haben. Sind sie erst einmal in der EU, ist eine Abschiebung kaum möglich. Angela Merkel lehnt eine Schließung der Grenzen und ordnungsgemäße Pass-Kontrollen nach wie vor ab.
28.01.2016 02:26
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

In Brüssel sorgt ein interner Bericht für Aufregung: Mehr als die Hälfte der Einwanderer, die im Dezember nach Europa kamen, haben demnach keinen Anspruch auf internationalen Schutz. Der Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, sagte in einem Interview mit dem niederländischen Nos am Montag: „Mehr als die Hälfte der Menschen, die nun in Europa ankommen, kommen aus Ländern, von denen man annehmen kann, dass sie keinen Grund zu Beantragung eines Flüchtlings-Status geben. Mehr als die Hälfte, 60 Prozent.“ Diese Einwanderer sind demnach nicht Kriegsflüchtlinge im Sinn der Genfer Konvention.

Die EU wäre demnach verpflichtet, diese 60 Prozent an den Außengrenzen abzuweisen - nicht zuletzt, um echten Kriegsflüchtlingen eine ordentliche Aufnahme zu ermöglichen. Wenn die EU ihre Außengrenzen nicht schützen kann - was derzeit und wohl auch auf absehbare Zeit - nicht der Fall ist, dann wäre Deutschland nach geltendem Recht verpflichtet, die Einreisenden an den deutschen Grenzen zu überprüfen. Wenn sie keine Chance auf Asyl haben, müsste Deutschland diese Einwanderer an der Grenze laut Verfassung und internationalem Recht abweisen. SPD-Chef Sigmar Gabriel lehnt einen Grenzschutz ab, weil dieser zu teuer sei. 

Die Zahlen, auf die Timmermans sich beruft, stammen aus einem unveröffentlichten Bericht von Frontex. Die Tatsache, dass die EU diese Zahlen nun veröffentlicht, deutet eine mögliche Trendwende in der EU-Flüchtlingspolitik an, wie der EU-Observer spekuliert.

Bisher hatte die Öffentlichkeit ein ganz anderes Bild erhalten: UNHCR hatte zuvor gesagt, dass bis Anfang Dezember mehr als 75 Prozent der Neuankömmlinge in Europa vor Konflikten in Syrien, Afghanistan oder dem Irak geflohen waren. Die Statistiken für Januar wurden noch nicht bereitgestellt, doch die Schweizer International Organization for Migration (IOM) sagt, dass 90 Prozent aller Neuankömmlinge in Griechenland seit dem Beginn des Jahres aus Syrien, dem Irak oder Afghanistan kommen, schreibt der EU-Observer

IOM-Einsätze in Griechenland und dem Westbalkan geben Schätzungen, dass in den ersten Januarwochen fast 47 Prozent weniger Syrer, Iraker und Afghanen Mazedonien durchquerten, als in den zwei vorangegangenen Wochen. Es gibt auch Schätzungen, dass seit Jahresbeginn mehr als 45.000 über den Seeweg nach Griechenland gekommen sind und somit mehr als das Dreißigfache der 1.472 Menschen, die die griechische Küstenwache gezählt hatte.

Das Problem: Die EU hat kaum Handhabe, Migranten, die einmal in Europa angekommen sind, zurückzuschicken. Die EU hat eine Wiederaufnahme-Vereinbarung mit Pakistan. Doch als Griechenland im letzten Dezember einige Dutzend Menschen zurückschicken wollte, wurden sie durch die Behörden in Islamabad blockiert. Kurz danach kündigte Pakistan das Rückführungsabkommen mit der EU. Ähnliche Probleme hat es auch mit der Türkei gegeben. Nur ein kleiner Bruchteil derer, die von der Türkei wiederaufgenommen wurden, sind auch tatsächlich zurückgekehrt, teils, weil sie abgetaucht sind, teils, weil die türkischen Behörden lange brauchten, um die Anträge zu beantworten.

Der Druck, die Grenzkontrollen innerhalb Schengens um zwei Jahre verlängern, steigt (Video am Anfang des Artikels). Die EU-Innenminister baten die EU-Kommission am Montag, diesbezüglich Pläne aufzustellen. EU-Kommissions-Sprecherin Bertaud sagte, eine Verlängerung sei wahrscheinlich, da in den kommenden Monaten noch viele Menschen erwartet würden. „Wenn sich die Situation nicht ändert, könnte es tatsächlich eine Rechtfertigung unter der öffentlichen Ordnung und Sicherheit geben, interne Kontrollen, innerhalb der Schengen-Grenzen beizubehalten, so lange wie die externen Grenzen nicht effektiv kontrolliert werden.“

Schweden hat als erstes Land reagiert und angekündigt, 80.000 Migranten mit Charterflugzeugen außen Landes bringen zu wollen.

In Deutschland stellt sich die Situation anders dar: Bundeskanzlerin Angela Merkel beharrt auf der vollständigen Öffnung der Grenzen. Diese Entscheidung ist im Lichte der neuen Erkenntnisse im Grunde nicht zu rechtfertigen. Denn Merkel hatte die Öffnung der Grenzen im Sommer mit dem Hinweis auf eine humanitäre Notlage begründet. In Deutschland dürften sich nach Einschätzung von Sicherheitsexperten mittlerweile hunderttausende illegale Einwanderer aufhalten. Selbst wenn die Polizei diese aufgreift, ist eine Abschiebung schwierig: Wenn die Aufgegriffenen sagen, dass sie keinen Reisepass haben, ist es faktisch unmöglich, sie zurückzuschicken - weil man gar nicht bestimmen kann, aus welchem Land die Einwanderer kommen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Immobilien
Immobilien Gewerbeimmobilien als Kapitalanlage? Lage matters!
19.04.2025

Gewerbeimmobilien bieten nach wie vor interessante Renditechancen für ausgefuchste Marktkenner. Wer klug investiert, kann von stabilen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Europas Wettbewerbskompass: Kurskorrektur bei Technologiewettbewerb dringend nötig!
19.04.2025

Europa steht vor großen wirtschaftlichen Herausforderungen: Der globale Technologiewettbewerb spitzt sich zu, geopolitische Krisen...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitalisierung im Bürgeramt: Passfotos ab Mai nur noch digital erlaubt
19.04.2025

Ab dem 1. Mai sind in Deutschland im Grunde nur noch digitale Passfotos erlaubt. Das neue Verfahren soll Fälschungen vorbeugen. Wer denkt,...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Italienische Luxusunternehmen: Prada übernimmt und trägt nun auch Versace
19.04.2025

Über einen möglichen Kauf war seit mehreren Monaten spekuliert worden: Der Luxuskonzern Prada schluckt den Konkurrenten Versace. Damit...

DWN
Technologie
Technologie „Mein alter Job als Softwareentwickler ist weg“ – Jentic-Chef über selbstprogrammierende KI-Agenten
19.04.2025

Der irische Tech-Unternehmer Sean Blanchfield ist überzeugt, dass KI-Agenten menschliche Programmierer und Softwareentwickler zunehmend...

DWN
Unternehmensporträt
Unternehmensporträt „We don’t believe in Outsourcing“ – Klöber zeigt, wie Produktion in Deutschland wieder gelingt
18.04.2025

Sitzen, aber richtig: Der Büromöbelhersteller aus Owingen setzt auf Inhouse-Produktion, recycelte Materialien und digitale Innovation –...

DWN
Finanzen
Finanzen S&P 500 und die Illusion von sicheren, langfristigen Renditen
18.04.2025

Der amerikanische Aktienmarkt befindet sich in turbulenten Zeiten. Angesichts der unvorhersehbaren Handelspolitik von Präsident Donald...

DWN
Finanzen
Finanzen Wertvoller Schmuck im Fokus: So sichern Sie Ihre teuren Schmuckstücke ab
18.04.2025

Die Absicherung wertvoller Schmuckstücke wird immer wichtiger – Hausrat reicht oft nicht aus. Experten raten zu gezieltem...