Die Gefechte im Osten der Ukraine dauern an. Doch unabhängige Berichte über den Konflikt lassen sich kaum finden, da vor allem die PR-Abteilung der Regierung in Kiews bestimmt, welche Berichte in Europa und in den USA gestreut werden dürfen. Das US-Magazin Foreign Policy schildert anhand eines Beispiels, wie gefährlich es für ukrainische Journalisten ist, unabhängig über den Konflikt in der Ost-Ukraine zu berichten:
Am 6. Juli um zwei Uhr morgens störte das Maschinengewehrfeuer die übliche Nachmittagsruhe. Innerhalb eines leeren Lagerhauses begannen die 81. Brigaden der ukrainischen Armee, eine Rebellen-Offensive zurückzuschlagen, als eine 120 mm Mörserhülle durch die Decke flog und explodierte. Der Sanitäter Oleg Lysevych starb sofort und der Soldat Volodomyr Sergeev wurde schwer verwundet. Als Sergeev behandelt wurde, flog eine zweite Mörserhülle ins Lager und es wurden weitere Soldaten verwundet. In weniger als einer Stunde wurde auch Sergeev für tot erklärt. Zwei Tage später veröffentlichte der ukrainische Online-Nachrichtensender Hromadske TV, der ein Team vor Ort hatte, die Szenen auf Youtube. In dem Video kann man beobachten, wie die Hromadske-Reporter Nastya Stanko und Konstantin Reutski den verwundeten ukrainischen Soldaten ärztlich helfen. Weder die Lage des Lagers noch die Evakuierungsroute der Soldaten wurden im Video gezeigt.
Trotzdem brach in Kiew die blanke Empörung aus, weil die ukrainische Armee eigentlich ihre eigene PR-Abteilung um Krieg in der Ost-Ukraine hat. Die Regierung in Kiew beschuldigte Hromadske TV des Hochverrats und der Kollaboration mit russischen Medien mit russischen Medien, weil ein Reporter der russischen Zeitung Novaya Gazeta das Hromadske-Team begleitet hatte. „Das Video zeigt deutlich die Positionen der ukrainischen Soldaten, ihre Gesichter und Waffen und Objekte, die als Orientierung durch den Feind verwendet werden können. Dies ist eine ernsthafte Verletzung der Verhaltensregeln in der Zone der Anti-Terror-Operationen“, so die Regierung in einer Mitteilung.
Die ukrainische Öffentlichkeit unterstützte die Ansichten der Regierung. Die Reporter von Hromadske wurden insbesondere in den Sozialen Medien als Verräter umschrieben.
Jedenfalls wurde das Youtube-Video bereits drei Stunden nach seiner Veröffentlichung wieder vom Videokanal entfernt. Doch der Schaden für die Reporter war bereits entstanden. Am 11. Juli verloren die Journalisten ihre Akkreditierung und es wurden Untersuchungen eingeleitet.
Die betroffene Journalistin Nastya Stanko sagt, dass es mittlerweile unmöglich sei, unabhängigen Journalismus zu betreiben. Eine „Welle des Patriotismus“ habe sich wie ein roter Faden durch die Medien hindurchgezogen. „Die Situation hat sich vollkommen verändert. Journalisten sind entweder Verräter oder Diener des Staats. Es herrscht das Gefühl vor, dass die Wahrheit nicht mehr wichtig ist“, so Stanko.
Der Disput zwischen der Regierung in Kiew und Hromadske TV könnte auch ein Hinweis dafür sein, dass die westlichen – insbesondere die kanadischen und europäischen - Regierungen unzufrieden sind mit Präsident Petro Poroschenkos Politik und der massiven Korruption in der Ukraine.
Schließlich gehören dem Magazin Forbes zufolge etwa ein Dutzend ausländische Unternehmen und Regierungsbehörden zu den Unterstützern von Hromadske TV.
Einige engagierten sich langfristig, andere nur einmalig, heißt es. Im Finanzbericht aus dem Jahr 2015 aufgeführt werden die Folgenden:
- die Canada International Development Agency (CIDA)
- die Botschaft der Niederlande in der Ukraine
- eine kanadische Wohltätigkeitsorganisation namens „Ukrainian World Foundation“
- das unabhängige in Washington ansässige Unternehmen „Pact World“
- die US-Botschaft des Ukraine Media Development Fund
- das kalifornische Internews Network
- das Swiss Cooperation Office und die Swiss International Development Agency, die zum Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten gehört
- eBay Gründer Pierre Omidyar, der einer der größten Spender ist
- das Swedish International Liberal Center
- die Thomson Foundation
- die deutsche Bundesregierung über die Botschaft in der Ukraine
- das ukrainische Delegationsbüro der Europäischen Union sei insgesamt der größte Spender
„Die Amerikaner sind der kleinste Spender, während Institutionen der europäischen und kanadischen Regierung die größten Geldgeber sind“, so Forbes.
Aus einem Schreiben des Auswärtigen Amts vom 16. Juni 2016 geht zudem hervor, dass die deutsche Botschaft in Kiew Hromadske TV im Jahr 2015 mit 89.298 Euro und im aktuellen Jahr mit 79.428 Euro finanziert hat.