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Billigflieger treiben Fluglinien zu niedrigeren Löhnen

Lesezeit: 4 min
26.11.2016 22:15
Der Streik bei der Lufthansa wird so erbittert geführt, weil die Billigflieger Druck machen. Die Folge wird die schlechtere Bezahlung der Mitarbeiter sein.
Billigflieger treiben Fluglinien zu niedrigeren Löhnen

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Christian Ebner von der dp, und Steffen Weyer von dpa-AFX analysieren: 

Streikchaos bei Lufthansa, Massen- Krankmeldungen bei Tuifly und die Dauerpatientin Air Berlin am Abgrund: In Deutschlands Luftfahrtbranche ist der Teufel los. Die massenhaften Flugausfälle, die Hunderttausende Reisende in den vergangenen Wochen ungewollt am Boden hielten, sind nur ein Symptom für die Umwälzungen der Branche, die mit dem Erfolg von Billigfliegern wie Ryanair und arabischen Luxus-Airlines wie Emirates begonnen hat. Die Luftfahrt sortiert sich neu - nicht nur in Deutschland. Für manche Fluglinie geht es ums Überleben.

Es sei nicht zu erwarten, dass die arabischen Herausforderer und Turkish Airlines von ihrem Konzept der Mega-Drehkreuze abgehen, sagt Dirk Bremer, Präsident des Travel Industry Clubs. Vor allem nach Südostasien sind die Umsteigeverbindungen in der Wüste attraktiv und machen den europäischen Anbietern das Leben schwer. Aber auch bei den Europaflügen stehen die etablierten Airlines mächtig unter Druck.

«Tempo ist für uns das Wichtigste», sagt Matthias Wenk, Marketing-Manager beim wichtigsten Angreifer Ryanair. Jede Woche stellen die Iren mindestens eine neue Boeing 737-800 in Dienst, sind mit jährlich 119 Millionen Passagieren die am stärksten genutzte Airline Europas. Schlechte Nachrichten für die Konkurrenz: Zu den 353 Jets im Bestand sind 305 weitere Maschinen bestellt. Wichtigster Wachstumsmarkt ist Deutschland, wo die Iren bis 2020 ihren Marktanteil von derzeit 6 bis 7 auf dann 20 Prozent nahezu verdreifachen wollen.

Ausflüge auf die Langstrecke hat Ryanair nicht vor. «Wir konzentrieren uns auf das, was wir gut können - die Kurzstrecke», sagt Wenk. Man sei im Gespräch mit sämtlichen europäischen Flughäfen und auch mit allen großen Netzgesellschaften wie der Lufthansa, für die man perspektivisch die Zubringerflüge übernehmen will. Dass man sich damit komplexere Abläufe bei den Passagier- und Gepäckströmen ins Haus holt, sei wohl nicht zu vermeiden, wenn man sein Geschäft ausweiten wolle.

Pilot und Flugbegleiter waren bis vor wenigen Jahren noch Jobs mit dem gewissen Etwas - das galt auch fürs Gehalt. Bei einstigen Staatsfluglinien wie der Lufthansa, aber auch bei etablierten Ferienfliegern wie Tuifly kann ein Flugkapitän immer noch deutlich mehr als 200 000 Euro im Jahr verdienen. Air Berlin beschäftigt noch Piloten der vor Jahren übernommenen LTU zu Konditionen, die den Düsseldorfer Ferienflieger einst zum Sanierungsfall gemacht hatten.

Bei Ryanair und Easyjet bekommen die Besatzungen nur einen Bruchteil davon. Weil die jungen Unternehmen zudem mit kleinen Verwaltungen auskommen und nur einen wartungsfreundlichen Flugzeugtyp fliegen, können sie den Markt mit Billigtickets aufmischen und trotzdem fette Gewinne schreiben. Ryanair musste sich in der Vergangenheit vorhalten lassen, viele Piloten nur pro Flug zu bezahlen - ohne Urlaubsanspruch und Geld im Krankheitsfall. «Wir sind 100 Prozent mit den Gesetzen im Einklang», kontert Ryanair-Mann Wenk.

Der Zwang, im Kampf um die Passagiere bei den Preisen mitzuhalten, führte etablierte Airlines von Air France über Iberia bis Air Berlin in schwere Krisen. Selbst die Branchen-Gigantin Lufthansa konnte gegen Ryanair & Co. lange nur bestehen, weil sie Europa-Flüge mit Gewinnen aus dem Langstreckengeschäft subventionierte. Jetzt soll die Tochter Eurowings möglichst schnell wachsen, um den Iren und weiteren Billigfliegern die Stirn zu bieten.

Von den heute rund 90 Jets soll die Eurowings-Flotte 2017/2018 auf 180 Maschinen zur europäischen Nummer drei wachsen, sobald der belgische Ableger Brussels und 35 Maschinen samt Personal von Air Berlin integriert sind, erläuterte Lufthansa-Vorstand Harry Hohmeister am Donnerstag erneut. Anders als die Herausforderer will Eurowings bereits bestehende Gesellschaften integrieren - und möglichst auch deren Passagiere übernehmen. Ryanair müsse für jedes neue Flugzeug den Markt erst erkämpfen und sei zudem nicht in der Lage, kriselnde Konkurrenten zu integrieren, sieht Hohmeister das eigene Konzept im Vorteil.

Wie hauseigene Konkurrenz auf Tarifkonflikte wirken kann, hat die British-Airways-Mutter IAG bei ihren spanischen Töchtern Iberia und Vueling erfahren. Als der Billigflieger Vueling komplett unter das Konzerndach rutschte und eine neue Flugverbindung nach der anderen eröffnete, brach der Widerstand der Gewerkschaften gegen Einsparungen bei der defizitären Ex-Staatsfluglinie Iberia. Dank gesenkter Kosten und besserer Gewinnaussichten bestellte IAG im vergangenen Jahr neue Airbus-Langstreckenjets für die Spanier.

Im aktuellen Streik gibt es zwar eine Pause - aber mit Sicherheit kein Ende, wie die dpa die aktuellen Entwicklungen zusammenfasst:

assagiere können nach vier Tagen Pilotenstreik am Sonntag wieder mit einem weitgehend normalen Flugbetrieb rechnen. "Es wird jedoch aufgrund der vorangegangenen Streiktage noch zu vereinzelten Flugstreichungen kommen", teilte das Unternehmen am Samstag mit. Kunden sollten sich vorsorglich im Internet vorab über ihren Flug informieren. Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) hatte nach ihrer Absage an das jüngste Angebot der Lufthansa zunächst nicht zu weiteren Streiks aufgerufen.

Das geschehe aus Rücksicht auf die Kunden, sagte ein Sprecher der VC. Ob und wann die Gewerkschaft möglicherweise bereits für Montag erneut zum Streik aufruft, war am Samstagnachmittag offen. Die VC betonte, es gelte die Zusage, dass weitere Aktionen wie bisher mindestens 24 Stunden im Voraus angekündigt werden sollten. Bereits am Freitag hatte die Gewerkschaft betont, dass es kein Enddatum für den Streik gebe. Am Samstag zwang der Ausstand die Lufthansa zur Absage von 137 Flügen, darunter 88 Interkontinental-Verbindungen.

Seit Mittwoch strich die Airline insgesamt 2755 Flüge; davon betroffen waren insgesamt rund 345 000 Kunde. Gleichwohl konnte die Lufthansa-Gruppe am Samstag 2863 von 3000 geplanten Flügen anbieten. Flüge der Billigtöchter Eurowings und Germanwings sowie der Konzerngesellschaften AUA, Swiss, Brussels und Air Dolomiti wurden am Samstag erneut nicht bestreikt. Inhaltlich sind sich beide Seiten seit Streikbeginn keinen Schritt näher gekommen.

Zwar hatte die Lufthansa am Freitag ein weiteres umfassendes Angebot vorgelegt, die VC verwarf das aber als Ablenkungsmanöver. Aus Sicht der Piloten war das erneuerte Angebot der Lufthansa keine Grundlage für neue Gespräche. "Das ist alter Wein in neuen Schläuchen", sagte ein VC-Sprecher am Freitagabend. Die Inhalte des Angebots habe Lufthansa bereits vor zwei Monaten auf den Tisch gelegt, in Wahrheit gehe es nicht um ein neues Angebot. "Im Ergebnis heißt das "rechte Tasche-linke Tasche" und ist kein Versuch zu Ergebnissen zu kommen, sondern ein PR-Schachzug", sagte VC-Sprecher Jörg Handwerg.

Im Einzelnen sah das Angebot 4,4 Prozent Gehaltsteigerungen in zwei Stufen bis Mitte 2018 vor. Auch die anderen offenen Tarifthemen wie die Betriebs- und Übergangsrenten sollten in neuen Verhandlungen gelöst werden - möglicherweise mit Hilfe eines Mediators. "Da eine Schlichtung seitens der VC bedauerlicherweise bislang kategorisch ausgeschlossen wird, würde ich gerne mit der VC diese Chance ergreifen, um die bestehenden Gräben zu überwinden", sagte Personalchefin Bettina Volkens laut einer Mitteilung


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