Finanzen

Europa könnte Handels-Krieg gegen die USA gewinnen

Lesezeit: 5 min
29.01.2017 22:44
Wegen seiner starken Wirtschaft könnte Europa einen Handelskrieg gegen die USA locker gewinnen. Doch die EU ist schwach, die Staaten zerstritten. Daher ist Europa trotz seiner Stärke verwundbar.
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Nach den Ankündigungen des neuen US-Präsidenten Donald Trump ist mit einem Handelskrieg zwischen den USA und dem Rest der Welt, also auch mit der EU zu rechnen. Die EU hätte gute Voraussetzungen, um aus einer derartigen Auseinandersetzung als Sieger hervorzugehen. Hätte. Tatsächlich ist aber die EU ernsthaft gefährdet.

Dieser Widerspruch ergibt sich aus der Struktur der Union und aus dem Verhalten der Mitgliedstaaten:

  • Die EU ist eine Zollunion. Sie ist somit im Außenhandelsbereich eine Einheit, die gegenüber den USA kraftvoll auftreten könnte. Das Bekenntnis zu diesem System wird aber in Frage gestellt. Ein entscheidendes Element des Brexit ist das Bestreben Großbritanniens aus der Zollunion auszutreten und nach Belieben mit wem auch immer Handelsverträge und insbesondere Freihandelsverträge abschließen zu können. Ähnliche Argumente sind europaweit zu hören. Auch Sigmar Gabriel, der deutsche Wirtschaftsminister, der nun Außenminister wurde, bedauert, dass Deutschland keine eigenen Handelsverträge abschließen kann und als Teil der Zollunion agieren muss. In das gleiche Horn stößt der ungarische Premierminister Viktor Orban.
  • Die osteuropäischen Mitgliedstaaten von den baltischen Staaten bis Rumänien und darüber hinaus die mit der EU vertraglich verbundene Ukraine verstehen die USA als Schutzmacht gegenüber Russland und meiden jede Auseinandersetzung mit Washington.
  • An der Organisation der Kommission, die mit den USA zu verhandeln hätte, ist das Grundproblem der EU deutlich erkennbar. Nachdem sich jedes Mitglied als eigenständiger Staat versteht und vor allem nationale Interessen verfolgt, hat jedes Land Anspruch auf einen Kommissar. Die EU-Kommission hat daher 28 Kommissare, für die es naturgemäß keine ausreichenden Aufgaben gibt, sodass künstlich die einzelnen Ressorts aufgeteilt werden. Somit sind auch für den Außenhandel zwei Kommissare zuständig, die Schwedin Anna Cecilia Malström für den Handel und der Franzose Pierre Moscovici für die Zollunion.

Unter diesen Umständen interessiert sich kaum jemand für die Fakten, die den Handel zwischen der EU und den USA charakterisieren. Diese zeigen aber, dass Europa Donald Trump sehr wohl Paroli bieten könnte.

Das Management der Zollunion wäre gefordert

Die EU exportiert in die USA im Jahresschnitt etwa Waren für 420 Milliarden US-Dollar. Die Importe entsprechen rund 270 Milliarden US-Dollar, sodass der Überhang zugunsten der EU 150 Milliarden US-Dollar beträgt. Davon entfallen auf Deutschland 60 Milliarden US-Dollar.

Eine oberflächliche Analyse ergibt somit, dass der Handel für Europa weit wichtiger ist als für die USA und protektionistische Maßnahmen die EU besonders stark treffen würden. Die Exporte der EU entsprechen 2,8 Prozent des BIP, die Lieferungen der USA in die EU nur 1,4 Prozent des BIP der USA.

Trump kündigt in seinen vorerst noch vagen Aussagen Zölle zwischen 20 und 35 Prozent an. Die europäischen Exporteure müssten also ihre Preise um 120 Milliarden US-Dollar reduzieren, um derartige Belastungen auszugleichen und weiterhin konkurrenzfähig zu sein.

Die naheliegende Antwort wäre allerdings, auch den Außenzoll der EU gegenüber den USA in gleichem Umfang anzuheben. Diese Maßnahme würde etwa 80 Milliarden US-Dollar bringen.

Fazit: Der Nettoverlust würde nur 40 Milliarden US-Dollar betragen, somit eine Größenordnung, die die EU-Zollunion im Rahmen einer intelligenten Außenhandelsförderung ausgleichen könnte. Verfahren vor der Welthandelsorganisation der WTO wären nicht zu befürchten: Die USA arbeiten derzeit in Verbindung mit der geplanten Anhebung der Zölle an einem neuen Steuer- und Zollsystem, das die amerikanischen Exporteure extrem begünstigen würde. Die Reaktion der EU wäre nach den WTO-Regeln nur sogenannte „retaliation“.

Mehr noch: Trumps Pläne, die Steuern zu senken, die Infrastruktur auszubauen und das Militär aufzurüsten, führen zu einer Explosion der Staatsschulden. Die Mittelnachfrage muss die Zinsen in die Höhe treiben, sodass auch der Dollarkurs ansteigen wird. In der Folge verbilligen sich die europäischen Waren für amerikanische Käufer und das Problem wird entschärft.

Man kann also in Europa dem drohenden Handels-Krieg mit den USA schon angesichts der Basisdaten gelassen entgegen sehen.

US-amerikanische Exporte wären durch Gegenmaßnahmen gefährdet

Zu beachten sind die Gegebenheiten des gesamten US-Außenhandels. Diese machen deutlich, dass die Umsetzung von Trumps Plänen zwar im ersten Moment den Lieferanten schaden, aber letztlich die USA schwächen.

Trump sieht nur das gesamte Außenhandelsdefizit – im Schnitt der letzten Jahre von etwa 760 Milliarden US-Dollar – und argumentiert, dass eine Importbremse und eine Förderung der Produktion im Lande für mehr Arbeitsplätze und mehr Wachstum sorgen würden. Mit derartigen Argumenten wird stets der Protektionismus verteidigt. Die Geschichte zeigt, dass das Gegenteil eintritt. Unter dem Schutz eines hohen Außenwalls verfallen die Menschen und die Unternehmen einem bequemen Schlendrian. Ohne den Wettbewerbsdruck von außen lässt der Leistungsdruck nach und die Konkurrenzfähigkeit leidet.

Doch noch bevor dieser Effekt eintritt, ergeben sich enorme Nachteile für die USA. Das Defizit von 760 Milliarden US-Dollar resultiert aus Exporten von 1.500 Milliarden US-Dollar und Importen von 2.260 Milliarden US-Dollar.

Die US-Exporte von 1.500 Milliarden US-Dollar entsprechen 7,9 Prozent des BIP der USA. Eine weltweite Importbremse für US-Waren würde der US-Wirtschaft enormen Schaden zufügen und die Arbeitslosigkeit explodieren lassen. Die EU-Zollunion würde sich als Anführerin einer derartigen internationalen Aktion anbieten. Die anderen Wirtschaftsblöcke dürften rasch einem solchen Beispiel folgen.

US-Importe lassen sich nicht leicht durch inländische Produktionen ersetzen

Die Importe der USA von 2.250 Milliarden US-Dollar resultieren aus zwei Bereichen:

  • Das Land hat 322 Millionen Einwohner mit einer im Durchschnitt sehr hohen Kaufkraft, wodurch unweigerlich ein ständiger Importsog gegeben ist. Dieser Umstand ist kaum zu korrigieren.
  • Im Rahmen der Globalisierung haben viele Firmen Teile der Produktion ausgelagert und importieren die Bestandteile in die USA. Diese sollen nun in den USA produziert werden.

Die USA haben nur eine Arbeitslosigkeit von 4,9 Prozent. Es steht also keine industrielle Reservearmee von Arbeitslosen zur Verfügung, die zu schlechten Bedingungen bereit wären, die aus China, Vietnam oder Mexiko transferierten Produktionen zu übernehmen. Die Kosten der rückgeführten Produktionen müssten folglich explodieren. Diese Entwicklung hätte dramatische Folgen für die US-Binnenwirtschaft, würde aber auch die Exporte extrem verteuern.

Der paradoxe Effekt: Trump will die außenwirtschaftliche Position der USA stärken, die geplanten Maßnahmen führen hingegen in eine Schwächung.

Statt die Firmen in die USA zu zwingen, sorgt Trump für eine Verlagerung ins Ausland

Mehr noch: Die Globalisierung hat in den internationalen Unternehmen eine Arbeitsteilung zur gängigen Praxis gemacht. Die Entwicklung und Planung sowie das Marketing und die Produktion der hochwertigen Teile erfolgen meist in den angestammten Industrieländern – die billig in Masse herstellbaren Teile werden in den Billiglohnländern erzeugt. Die Endfertigung geschieht vielfach in den Heimatländern der Konzerne. Dieser Umstand begründet zahlreiche Importe in die USA.

Die Reaktion auf Trumps Außenhandelspläne kann nur in einer Neuordnung der Multis bestehen: Die Waren, die für Abnehmer außerhalb der USA bestimmt sind, werden zur Gänze auch außerhalb der USA in eigenen Unternehmen fertiggestellt und an die Kunden geliefert. In den USA wird nur für den US-Markt produziert. Mit dem Effekt, dass die amerikanischen Exporte sinken und Arbeitsplätze in den USA verloren gehen.

Die EU-Zollunion würde sich als neue Heimat für den außeramerikanischen Teil der US-Konzerne anbieten. Ein entsprechendes Regime wäre schnell und unschwer zu erstellen.

Die Überschüsse der US-Dienstleistungsbilanz sind von 75 auf 260 Milliarden US-Dollar angestiegen

Bei der Beurteilung der außenwirtschaftlichen Position der USA ist die Entwicklung der gesamten Leistungsbilanz über einen längeren Zeitraum zu beachten.

Die Globalisierung ließ ab den achtziger Jahren das Handelsbilanzdefizit der USA ansteigen. Der Höhepunkt wurde im Jahr 2006 mit einem Minus von 837 Milliarden US-Dollar erreicht. In den vergangenen zehn Jahren wurde eine Verringerung auf die erwähnten 760 Milliarden US-Dollar erreicht.

Zu beachten ist aber die Entwicklung der Dienstleistungsbilanz, die 2006 einen Überschuss von 75 Milliarden US-Dollar aufwies, der aber zuletzt über 260 Milliarden US-Dollar betragen hat.

Diese Entwicklung ist nicht zuletzt auf die Erfolge der US-Banken und Versicherungen sowie anderer Dienstleister in Europa zurückzuführen. In einem Handels-Krieg würde auch dieser Bereich in das Visier der Auseinandersetzungen geraten. Maßnahmen, die den US-Firmen beträchtlichen Schaden zufügen könnten, wären ohne Zweifel ein Thema.

Der Abbau des Handelsbilanzdefizits und die Steigerung der Dienstleistungsbilanz machen eine Strukturverbesserung deutlich, die durch die von Trump geplanten Maßnahmen gefährdet wäre – eine willkommene Gelegenheit für die EU im internationalen Wettbewerb und als wirtschaftspolitische Führungsmacht zu punkten. Leider sind die Voraussetzungen nur theoretisch gegeben.

Die Mitgliedstaaten betonen ihre Eigenständigkeit und sind offenkundig an einer starken Union nicht interessiert. Die Möglichkeiten, die sich aus der Zollunion ergeben, werden nicht erkannt. Vor allem wird übersehen, dass Kleinstaaten in dem sich abzeichnenden Handelskrieg im Alleingang nicht punkten können.

***

Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF. 

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Ronald Barazon war viele Jahre Chefredakteur der Salzburger Nachrichten. Er ist einer der angesehensten Wirtschaftsjournalisten in Europa und heute Chefredakteur der Zeitschrift „Der Volkswirt“ sowie Moderator beim ORF.


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