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EZB-Präsident Draghi hat angekündigt, dass alle offenen Rechnungen im Falle eines Euro-Austritts eines Landes schlagend werden.
Die Forderungen der deutschen Bundesbank gegenüber anderen Zentralbanken aus der Eurozone sind im Januar auf einen neuen Höchststand gestiegen, wie aus Aufzeichnungen der Bundesbank zu den sogenannten Target 2-Salden hervorgeht. Derzeit betragen diese über 795,6 Milliarden Euro und damit mehr als jemals zuvor. Im Dezember 2016 betrugen sie noch 754,3 Milliarden Euro, im letzten Quartal 2015 noch 584,2 Milliarden Euro und im Jahr 2014 noch 460 Milliarden Euro.
Die Ökonomen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) verweisen auf die Problematik der niedrigen Zinsen und auf das OMT-Programm der EZB und schreiben in ihrer Prognose: „Mit den Anleihekäufen der Europäischen Zentralbank ging ein Anstieg der Target 2-Salden auf ein neues Allzeithoch einher. Dies kann verschiedene Ursachen haben: Zum einen sind die Verkäufer der aufgekauften Anleihen nicht gleichmäßig auf die Mitgliedsländer verteilt, sondern sind offenbar überproportional über die Bundesbank mit dem Eurosystem verbunden, sodass die ihnen zufließende Liquidität den deutschen Target-Saldo erhöht. Zweitens besteht wohl weiterhin eine unterschiedliche Risikoeinschätzung für die Finanzsysteme der einzelnen Euroländer: Sofern die Akteure, die ihre Papiere an das Eurosystem verkaufen, erwarten, dass das im Gegenzug erhaltene Zentralbankgeld in den Kernländern sicherer aufgehoben ist, werden sie ihre Einlagen in diese Länder verlagern. Drittens dürfte die derzeit übermäßige Liquiditätsversorgung den Abbau der Target-Positionen nicht begünstigen, denn eine Verlagerung von überschüssiger Liquidität per Interbankenkredit aus Überschussländern in die Bankensysteme der Länder mit Target-Defiziten ist angesichts der Liquiditätsflut nicht notwendig.“
Die Bundesbank hat damit die höchsten Forderungen aller Euro-Zentralbanken, gefolgt von Luxemburg mit 176,6 Milliarden Euro und den Niederlanden mit 72,4 Milliarden Euro. Italien hat mit etwa 364,7 Milliarden Euro die höchsten Verbindlichkeiten im Target2-System, gefolgt von Spanien mit 350,2 Milliarden Euro und der Europäischen Zentralbank mit 171,9 Milliarden Euro.
Bis vor kurzem herrschte Unklarheit darüber, ob die Zentralbankgeld-Salden des Target-Systems überhaupt Forderungen und Verbindlichkeiten seien, die im Notfall realisiert, die also tatsächlich eingelöst werden könnten. EZB-Präsident Mario Draghi hatte jedoch kürzlich klargestellt, dass ein Land, welches aus der Euro-Währungsgemeinschaft austreten wolle, seine Verbindlichkeiten in vollem Umfang begleichen müsse beziehungsweise seine Forderungen in vollem Umfang zu erhalten habe.
Draghi erläuterte allerdings nicht, in welcher Währung diese Begleichung stattfinden muss.
„In anderen Worten gab die EZB damals zum ersten Mal zu, dass die Target 2-Verbindlichkeiten kein synthetisches Konstrukt sondern tatsächlich ein ersetzbares Mittel sind, um die Kapitalabflüsse aus einigen europäischen Staaten zu finanzieren – also ein Bail-out-Mechanismus, der zurückgezahlt werden muss, wenn ein Land keinen weiteren Bail-out in der Zukunft mehr braucht“, schreibt der Finanzblog Zerohedge dazu.
In einer Analyse zu den Target 2-Salden bezeichnen Ökonomen der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) die großen Diskrepanzen in dem System zumindest teilweise als Folge einer Kapitalflucht: „In der Periode bis Mitte 2012 wuchsen die Target 2-Salden stark als Folge einer Kapitalflucht innerhalb der Eurozone. Zu dieser Zeit wuchsen die Risiken von Staatsbankrotten und Währungsreformen in Teilen der Eurozone. Privates Kapital flüchtete aus Irland, Italien, Griechenland, Portugal und Spanien in Märkte, die sicherer schienen wie Deutschland, Luxemburg und die Niederlande.“
Die BIZ und die Europäische Zentralbank (EZB) charakterisieren das neuerliche starke Auseinanderdriften der Salden als eine Folge des Anleihekaufprogramms der EZB und sehen darin kein sonderliches Risiko. „Die Target-Salden steigen erneut an. Seit Anfang 2015 haben die Salden der Zentralbanken der Eurozone stetig zugelegt und haben in manchen Fällen das Niveau aus dem Jahr 2012 überschritten. Doch anders als damals sollten die auseinanderdriftenden Salden als gutartiges Beiprodukt der dezentralen Einführung des Anleihekaufprogramms der EZB statt als Zeichen für eine neue Kapitalflucht gedeutet werden“, schreibt die BIZ.
Das EZB-Anleihekaufprogramm wird als Grund für die Divergenz der Salden und die hohen Forderungen Deutschlands genannt, weil etwa die Hälfte der von Euro-Zentralbanken im Zuge des Programms gekauften Staatsanleihen von Verkäufern außerhalb der Eurozone stammen, die ihre Verkäufe über die Bundesbank abgewickelt haben. Kauft in so einem Fall etwa die italienische Zentralbank italienische Anleihen von fremden Gläubigern, schöpft sie Zentralbank-Euro aus dem Nichts und überweist dieses an die Bundesbank, damit diese wiederum die Verkäufer bezahlen kann. Die Bundesbank jedoch erstellt Forderungen gegen die Banca d’Italia in gleicher Höhe, weil sie den entsprechenden Umfang der Gemeinschaftswährung neu geschaffen hat.
Dabei ist zu bedenken, dass es sich beim Anleihekaufprogramm der EZB um einen Notfall-Mechanismus handelt, der die Erhaltung der Zahlungsunfähigkeit ökonomisch angeschlagener Länder wie Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Zypern und Irland zum Ziel hat. Gäbe es die permanente Nachfrage nach den Staatsanleihen dieser Staaten durch die EZB nicht, lägen die Renditen der Papiere deutlich höher und würden eine Rückzahlung der Schulden an die Gläubiger deutlich erschweren.
„Aber das ist nicht die ganze Geschichte: Die Banken und Fonds, die ihre italienischen Staatspapiere abstoßen, reinvestieren das erlöste Geld eben nicht in italienische Anleihen, Aktien oder andere Sachwerte. Stattdessen bunkern sie das Geld in Deutschland. Daher gibt es faktisch doch eine verdeckte Kapitalflucht aus den südlichen Krisenstaaten heraus – finanziert mit Bundesbank-Krediten. Und hinter dieser steht, wenn es schiefgehen sollte, der deutsche Staat, letztlich der Steuerzahler“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung.