Um die EU-Binnengrenzen überqueren zu dürfen, müssen Autos und LKWs, die mit gefährlichen Materialien beladen sind, einem langjährigen, regelmäßig aktualisierten Sicherheits-Zertifizierungsprozess (ADR) entsprechen. Davon ausgenommen sind Fahrzeuge der US-Armee, falls sie keine chemischen Gefahrenstoffe transportieren, berichtet Defense One.
„Bestimmte Fahrzeuge, die gefährliche Güter befördern, müssen – kosten- und zeitintensiv – modifiziert werden, um den europäischen ADR-Anforderungen zu entsprechen“, kritisiert US-Oberst Clair Gill.
Das sei nicht nur eine Unannehmlichkeit. Es mache ein realistisches Training für einen eventuellen Krieg in Europa unmöglich. Zudem könnte der ADR eine schnelle Truppenbewegung auf dem europäischen Kontinent im Notfall behindern. Das Ziel der aktuellen Truppen-Rotationen im Rahmen der Operation Atlantic Resolve dient dem Zweck, US-amerikanische und verbündete Truppen im Rahmen von Simulationen so schnell wie möglich an die osteuropäische Front zu verlegen.
Ende Dezember 2017 hatte das Rhein-Neckar Fernsehen (RNF) berichtet, dass sich in Lingenfeld (Kreis Germersheim) seit 2013 ein US-Gefahrenstofflager befindet, wo Chemikalien deponiert werden. Die dortige Kapazität soll von bisher 70 Tonnen auf 1.900 Tonnen erweitert werden. Von dort aus werden US-Truppen in ganz Europa mit benötigten Chemikalien versorgt. Was sich im Detail im Lager befindet, bleibt unklar. Die Zeitung Die Rheinlandpfalz führt lediglich aus: „Dort sollen sehr giftige, brennbare und ätzende Stoffen gelagert werden”.
Die Behörde für Verteidigungslogistik der US-Armee (DLA) hat dem Kreis Germersheim versprochen, dass keine Munition oder Waffen gelagert werden sollen. Der SWR berichtet, dass lokale Politiker den Versprechungen der US-Armee keinen Glauben schenken. Die Gemeinde erwartet, dass sich das Lager einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterzieht und den europäischen Sicherheitsstandards entspricht.
Im Zusammenhang mit der Gefahrenstofflagerung und der Forderung der US-Armee, den ADR für alle Arten von Transporten der US-Armee abzuschaffen, steht eine Aussage von Ben Hodges, Kommandeur der US-Truppen in Europa. Hodges hatte im Januar 2017 gesagt, dass es eine Notwendigkeit zur Schaffung einer militärischen „Schengen-Zone“ gebe, um US-Kriegsgeräte innerhalb der NATO-Grenzen in Europa frei bewegen und transportieren zu können. Diese Forderung diene der logistischen Vereinfachung.
Die EU-Kommission steht dieser Forderung nach militärischer Mobilität nicht ablehnend gegenüber. Die EU-Kommission argumentiert, dass seit Ende des Kalten Krieges militärische Bewegungen in Europa abgenommen hätten. Allerdings habe sich die Sicherheits-Landschaft verändert. Unter den aktuellen sicherheitspolitischen Bedingungen sei es wichtig, dass europäische Truppen im Rahmen der EU und der NATO die Fähigkeit besitzen, schnell zu handeln. Deshalb müsse die Verkehrsinfrastruktur ausgebaut werden.
Sollte die EU-Kommission der Forderung der US-Armee nachkommen, würden künftig chemische Gefahrenstoffe ohne eine ADR-Zertifizierung durch Europa transportiert werden dürfen. Der Inhalt dieser Gefahrenstoff-Transporte würde sich der Kenntnis der europäischen Behörden und der Öffentlichkeit entziehen.