Politik

Russland warnt die USA vor Angriff auf Damaskus

Lesezeit: 5 min
13.03.2018 23:34
Die USA planen nach russischen Angaben einen Angriff auf Damaskus. Im Norden Syriens sollen sich die Amerikaner mit der Türkei auf ein gemeinsames Vorgehen verständigt haben.
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Russland hat nach eigener Darstellung Informationen auf einen geplanten US-Angriff auf das Regierungsviertel in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Generalstabschef Waleri Gerassimow teilte am Dienstag in Moskau laut Reuters mit, man habe Hinweise, dass Rebellen in der Enklave Ost-Ghouta einen Chemiewaffen-Angriff auf Zivilisten planten und diesen der syrischen Armee in die Schuhe schieben wollten. Die USA wollten diese fingierte Attacke dann als Vorwand für einen Beschuss des Regierungsviertels nutzen, wo Militärberater, Militärpolizisten und Beobachter aus Russland stationiert seien. "Sollte das Leben unserer Leute bedroht werden, wird die russische Armee Vergeltungsmaßnahmen gegen die benutzten Abschussanlagen und Raketen ergreifen."

Gerassimow ließ offen, wann der angebliche Giftgasangriff erfolgen soll. Auch gab er keine detaillierteren Hinweise, die seine Aussagen stützten.

Die gegen Assad kämpfenden internationalen und islamistischen Söldner und kurdische Milizen im Norden des Landes geraten unterdessen zunehmend in die Defensive. Am Dienstag mehrten sich die Anzeichen für den Fall der Rebellen-Hochburg Ost-Ghouta bei Damaskus. Kranke und Verletzte durften die schwer umkämpfte Enklave verlassen. Im Norden Syriens drängten türkische Truppen kurdische Milizen nach eigenen Angaben weiter zurück und standen vor der Einnahme von Afrin, der Hauptstadt der gleichnamigen Region.

Nach Informationen der Washington Post, soll die US-Regierung der türkischen Regierung versprochen haben, die Kurden-Milizen „zu zügeln”. Das Blatt wörtlich:

„Der erste Schritt und ,der Kern der Angelegenheit’, sagte ein hochrangiger türkischer Regierungsbeamter, sei es, die Kurden aus der syrischen Stadt Manbidsch zurückzuziehen und sie in den Osten des Euphrats zu verlegen. Die Stadt, etwa 40 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt, symbolisiert den fieberhaften Wettbewerb um Territorium und Einfluss in Nordsyrien zwischen den USA, der Türkei und anderen regionalen Mächten. Das amerikanische Versprechen würde, wenn er ausgeführt wird, eine seit langem bestehende Forderung der türkischen Regierung befriedigen und ein Versprechen der Obama-Regierung erfüllen, die kurdischen Kräfte östlich des Euphrats zu halten.”

Der US-amerikanische Top-Diplomat und ehemalige Botschafter im Aserbaidschan, Matthew Bryza, sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: „Ich weiß von keinem formellen Abkommen zwischen den USA und der Türkei, dass die USA den Abzug der YPG-Truppen von Manbij östlich des Euphrat erzwingen wollen. Aber ich weiß, dass die USA bereits am 24. August 2016, als die Operation Euphrates Shield begann, versprochen haben, alle YPG-Truppen östlich des Euphrats zu drängen. Der damalige Vizepräsident hatte diese Zusage gemacht. Ich weiß auch aus meinen persönlichen Gesprächen in Washington auf höchster Ebene, dass die US-Regierung sich verpflichtet hat, mit der Türkei, ihrem NATO-Verbündeten, zusammenzuarbeiten, um Ankaras legitime Sicherheitsbedenken in Bezug auf die YPG/PKK-Terrororganisation zu erfüllen, während sie den endgültigen Sieg gegen ISIS/DAESCH sowohl in Syrien als auch im Irak sichern. Gerade die Erfüllung dieser US-Verpflichtungen auf höchster Ebene gegenüber der Türkei ist ein zentrales Thema der laufenden Verhandlungen zwischen Ankara und Washington.”

Auf Nachfrage der Deutschen Wirtschaftsnachrichten, ob das Pentagon den Bericht der Washington Post bestätigen kann, sagte der Pentagon-Sprecher Adrian Rankine-Galloway: „Wie von Außenminister Tillerson und Außenminister Cavusoglu in Ankara angekündigt, einigten sich die USA und die Türkei darauf, einen ergebnisorientierten Mechanismus einzurichten, um alle kritischen Fragen zu diskutieren, denen unsere Beziehungen zur Türkei gegenüberstehen. Wir werden dem Prozess nicht vorausgehen und über mögliche Ergebnisse oder Vorschläge spekulieren. Die Einzelheiten werden sich aus der Arbeit unserer Diplomaten und Experten ergeben, da wir es diesen Gruppen erlauben, zusammenzukommen und zusammenzuarbeiten.”

Einen Zeitplan für den Rückzug der Kurden-Milizen aus Manbidsch gibt es der Washington Post zufolge noch nicht. Allerdings hätten sich US-amerikanische und türkische Vertreter am vergangenen Donnerstag und Freitag im Rahmen einer gemeinsamen Kommission getroffen, um Details zu besprechen.

Ein Beamter der US-Regierung, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte dem Blatt, dass die US-Regierung der Türkei dieses Zugeständnis gemacht habe. Denn die künftige Zusammenarbeit hänge von der Frage eines Abzugs der Kurden-Milizen aus Manbidsch ab. Diese Entscheidung sei schwer für die US-Seite, weil „weil wir viele Jahre mit diesen Leuten verbracht haben”, so der Beamte.

Nicholas Danforth, ein Türkei-Analyst am Bipartisan Policy Centre, sagt, dass beide Regierungen zwingende Gründe dafür hätten, ihre Fehde beiseite zu legen. Wenn der Streit eskaliert, stehe die US-Regierung vor dem Problem, die Verwendung von Militär-Stützpunkten in der Türkei zu verlieren. Zudem sei es möglich, dass noch mehr US-Bürger in der Türkei festgenommen werden. Aus Sicht der Türkei könnte eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zu US-Sanktionen führen, was wiederum die türkische Wirtschaft schädigen könnte.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte im November 2017 und Februar 2018, vor Beginn der Operation „Olivenzweig”,  angekündigt, dass die Türkei sowohl Afrin als auch Manbidsch einnehmen werde, um diese Gebiete „ihren wahren Besitzern” zu übergeben.

Afrin

Der türkische Generalstab meldete am Dienstag, dass im Verlauf der Operation „Olivenzweig” im Norden Syriens 3.393 Mitglieder der Kurden-Milizen und der Terror-Miliz ISIS getötet oder gefangengenommen wurden. Der türkischen Zeitung Aydınlık zufolge wurde Afrin am Dienstag eingekesselt. Nach Angaben von Bloomberg ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die türkischen Streitkräfte und Mitglieder der Freien Syrischen Armee (FSA) in das Zentrum von Afrin eindringen. Am selben Tag veröffentlichte der türkische Generalstab ein Drohnen-Video, das belegen soll, wie Kurden-Milizen verhindern, dass ein Konvoi von Zivilisten aus Afrin abzieht. Zuvor hatte die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF mit Hauptsitz in den Niederlanden bestätigt, dass die Kurden-Milizen in Afrin künftig auf menschliche Schutzschilde als Kriegstaktik setzen werden. Diese „Aktion” habe am Sonntag begonnen.

Die PKK-Kommandanten Cemil Bayik und Bese Hozat, die auch die Co-Vorsitzenden der „Union der Gemeinschaften Kurdistans” (Koma Civakên Kurdistan) sind, beschuldigen die internationale Gemeinschaft, die türkische Militäroperation „Olivenzweig” im Norden Syriens zu billigen, berichtet die PKK-nahe Zeitung Yeni Özgür Politika mit Hauptsitz in Neu-Isenburg. Die UN, Russland und die USA würden lediglich zuschauen.

Die Pressestelle der YPG beschuldigt Russland in einer Mitteilung, die Operation „Olivenzweig” durch die Öffnung des syrischen Luftraums erst möglich gemacht zu haben. Die Türkei und Russland würden zusammenarbeiten, um eine Selbstverwaltung in Afrin unmöglich zu machen.

Am Montag fand vor dem russischen Konsulat im irakischen Arbil eine Demonstration einer zahlenmäßig kleinen Gruppe von Sympathisanten der YPG statt. Das russische Konsulat erklärte sich bereit, sich mit vier Vertreter der Demonstranten zu einem Gespräch zu treffen, berichtet Rojnews, eine PKK-nahe Nachrichtenseite mit Hauptsitz im Irak. Die Vertreter übermittelten dem russischen Konsulat ihren Protest bezüglich der Unterstützung Russlands für die türkische Operation im Norden Syriens. Ein Konsulats-Sprecher versprach den Vertretern, ihre Beschwerden weiterleiten zu wollen.

Ost-Ghouta

Am Montag sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres, dass die Kämpfe in Ost-Ghouta weiterlaufen würden. „Nach unserer Kenntnis ist noch keine kritisch kranke oder verletzte Person evakuiert worden”, zitiert ihn die BBC.

Guterres sagte, die UN habe angeboten, Gespräche zwischen der syrischen Regierung, russischen Beamten und Vertretern der drei wichtigsten Söldner-Truppen im Osten Ghoutas, Dschaisch al-Islam, Faylaq al-Rahman und Ahrar al-Scham, zu erleichtern.

Er fügte hinzu, dass Fortschritte gemacht wurden, einschließlich einer Vereinbarung, die die Evakuierung einer Reihe von Mitgliedern von Hayat Tahrir al-Scham (Al-Nusra-Front) umfasse. „Eine erste Gruppe von Al-Nusra-Kämpfern und ihre Familien wurden seither aus Ost-Ghouta evakuiert. Zwischendurch war es nicht möglich, den Kontakt zwischen den russischen Behörden und Failaq al-Rahman zu erleichtern. Die Gruppe bestand darauf, dass das Treffen in Genf stattfindet. Die Russische Föderation bestand darauf, dass das Treffen vor Ort stattfindet”, zitiert die Pressestelle der UN Guterres. Zuvor sollen in den Vororten von Ost-Ghouta Gespräche zur Evakuierung zwischen russischen Vertretern und Vertretern der Söldner-Truppe Dschaisch al-Islam stattgefunden haben.

Nach Angaben des UN-Nothilfekoordinators (OCHA) wurden während der Kämpfe in Ost-Ghouta bisher mindestens 1.100 Zivilisten getötet und mindestens 4.400 verletzt. Weiterhin kamen neun Nothilfe-Mitarbeiter ums Leben. 28 medizinische Einrichtungen sollen unter Beschuss geraten sein. 76 Prozent aller Wohnhäuser seien beschädigt oder zerstört worden. Derzeit würden sich 393.000 Menschen in Ost-Ghouta befinden.

Das Russische Zentrum für die Aussöhnung der Konflikt-Parteien in Syrien meldete am Dienstag, dass 20 Familien den humanitären Korridor in Ost-Ghouta nutzen konnten, um aus dem Gebiet zu fliehen. Die Tass zitiert Juri Jewtuschenko, Chef des Zentrums: “Insgesamt 17 Familien oder 76 Menschen, darunter 49 Kinder, wurden durch den humanitären Korridor evakuiert. Die Menschen wurden in ein provisorisches Unterbringungs-Zentrum in der Siedlung al-Dwyer gebracht”. Russische Militär-Mediziner hätten am Montag bis Dienstag 203 Menschen medizinisch versorgt.

 

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