Finanzen

Zentralbanker warnt vor weltweiter Knappheit an Dollars

Die US-Zentralbank Federal Reserve könnte mit ihrer geldpolitischen Wende eine weltweite Dollar-Knappheit auslösen.
06.06.2018 00:48
Lesezeit: 3 min

Die US-Zentralbank Federal Reserve könnte mit der von ihr eingeleiteten geldpolitischen Normalisierung eine weltweite Dollar-Knappheit auslösen. Tritt diese ein, könnten Krisen in den Schwellenländern und der Ausbruch einer Rezession der Weltwirtschaft aus Sicht von Beobachtern die Folgen sein.

Dem Gouverneur der Bank of India, Urjit Patel, zufolge gehen die größten Gefahren von der angekündigten Verringerung der Bilanz durch die Fed sowie von der massiven Ausweitung der Staatsschulden der Vereinigten Staaten und einem daran gekoppelten höheren Angebot an US-Anleihen aus. Beides zusammen werde dazu führen, dass Investoren ihre Dollar vornehmlich in den USA anlegen werden, weil dort höhere Renditen zu erzielen sind und die Fed anderen Investoren mehr Platz einräumt. Diese Dollar fehlten dann in anderen Teilen der Welt – insbesondere Ländern, welche auf Dollar-Schulden angewiesen sind.

Bereits jetzt wandert Kapital im großen Stil aus Europa in die USA ab. 

„Angesichts der rapiden Ausweitung des US-Haushaltsdefizits muss die Federal Reserve unbedingt auf ihre bisherigen Pläne reagieren, die Bilanz zurückzufahren. Wenn sie das nicht tut, dann wird das steigende Angebot an US-Anleihen weltweit so viel Dollar-Liquidität absorbieren, dass eine Krise im Rest der Dollar-Anleihemärkte auf der Welt vorprogrammiert ist“, schrieb Patel am Montag in der Financial Times.

Patel rechnet mit dem Ausbruch einer weltweiten Wirtschaftskrise, wenn die Federal Reserve ihre Bilanz wie angekündigt verringern werde. Er fordert einen sofortigen Stopp der geldpolitischen Normalisierung. „Ein solcher Schritt könnte die Schwellenländer entlasten und Schaden vom globalen Wachstum abwenden, welcher sich durch die Lieferketten fortpflanzen würde. Geschieht dies nicht, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit eines Vollstopps der weltweiten Erholung. Das dürfte auch die USA treffen. Die Umstände haben sich geändert und das sollte auch die Geldpolitik der Fed.“

Die Federal Reserve hatte Ende 2015 zum ersten Mal die Leitzinsen angehoben und im Oktober 2017 damit begonnen, die Wiederanlage der Zinscoupons der von ihr gekauften Staatsanleihen zurückzufahren. Patel erwartet, dass die Verringerung im Oktober des laufenden Jahres monatlich 50 Milliarden Dollar erreichen wird. Bis Ende 2019 könnte die Bilanz der Fed auf diese Weise um etwa 1 Billion Dollar schrumpfen. Indem die Fed die Coupons nicht mehr in neue US-Staatsanleihen investiert, nimmt sie Unterstützung für die Kurse zurück, welche sich in höheren Renditen und in einem erschwerten Schuldendienst für die US-Regierung äußern dürften.

Schätzungen zufolge wird sich das Haushaltsdefizit der USA im laufenden Jahr auf über 800 Milliarden Dollar und im Jahr 2019 auf fast 1 Billion Dollar belaufen. Darin inbegriffen sind neue Schulden von jeweils etwa 1,1 Billionen Dollar pro Jahr. Der Ökonom David Stockman erwartet vor diesem Hintergrund eine baldige Eskalation der Haushaltslage in den USA und daran gekoppelt den Ausbruch einer neuen Finanzkrise.

Die Schulden der US-Regierung standen Ende Mai bei 21,145 Billionen Dollar und damit so hoch wie nie zuvor. Die Zinszahlungen stiegen in den ersten 7 Monaten des laufenden Finanzjahres (Oktober 2017 bis April 2018) gegenüber dem gleichen Zeitraum im vergangenen Finanzjahr um 26 Milliarden Dollar auf insgesamt 283,6 Milliarden Dollar. Sollte das Wachstum bei der Zinslast anhalten, müsste die Regierung im laufenden Finanzjahr bis zu 50 Milliarden Dollar mehr für die gestiegenen Schulden zahlen.

Die FT weist daraufhin, dass die Dollar-Knappheit verstärkt wird, wenn es in den kommenden Monaten zu einer Schwächeperiode des Euro kommen sollte. Es sei denkbar, dass es nach den Turbulenzen in Italien zu einer Rückkehr der Euro-Krise kommt, woraufhin Investoren ihr Geld vermehrt in US-Finanztitel investieren.

Daneben gibt es noch andere Gründe, die für ein Erstarken des Dollar sprechen, etwa der Anstieg der Weltmarktpreise für Rohöl, welche noch immer vornehmlich in Dollar abgewickelt werden.

Auch die Federal Reserve sieht die Gefahren, welche von einer Aufwertung des Dollar für zahlreiche andere Länder ausgehen. „Ein erstarkender Dollar, steigende Energiepreise und die Möglichkeit weiterer Leitzinsanhebungen erhöht das Risiko, dass die Kapitalströme umkehren und Geld aus den Schwellenländern zurückfließt. Obwohl die sich abzeichnenden Risse bislang auf einige verletzliche Länder beschränkt werden konnten, verdient das Risiko eines großen Umschwungs Beachtung“, sagte die Fed-Gouverneurin Lael Brainard in einer Rede mit Blick auf die jüngsten Verwerfungen in der Türkei und in Argentinien.

Der Chef-Anlagestratege von UBS Global Wealth Management, Jorge Mariscal, sagt: „Argentinien und die Türkei sind verletzbar, weil ihre Bilanz stark vom Dollar abhängt: Jegliches Anzeichen für einen Rückzug der weltweiten Liquidität ist ein Problem. Warren Buffett sagte einmal: ‚Wenn sich die Fluten zurückziehen, sieht man, wer nackt schwimmen war.‘ Tatsächlich geht die Flut zurück und gibt einen Blick auf jene zerbrechlichen Staaten frei, deren Probleme zuvor durch viel Geld zugedeckt waren.“

Von der FT befragte Beobachter taxieren die Wahrscheinlichkeit, dass die US-Zentralbank die Leitzinsen im laufenden Jahr zwei weitere Male erhöhen wird, mit 80 Prozent. Die Chance, dass es sogar zu drei weiteren Anhebungen kommt, liegt derzeit bei fast 40 Prozent. Die Federal Reserve hatte Anfang März zum ersten Mal im laufenden Jahr die Leitzinsen auf ein Fenster von jetzt 1,5 bis 1,75 Prozent angehoben. Sie hat zwei weitere Zinsschritte im laufenden Jahr angekündigt.

Inzwischen haben erste Länder Maßnahmen ergriffen, um eine drohende Dollar-Knappheit abzuwenden. Wie Business Insider berichtet, hat die nigerianische Zentralbank vor einigen Tagen Dollar im Umfang von 210 Millionen am Devisenmarkt erworben. Das Geld sei dazu da, die Versorgung mit Dollar für die Geschäftsbanken des Landes sicherzustellen.

The Daily Star aus Bangladesch berichtet, dass die Banken des Landes die Zentralbank Ende Mai aufforderten, mehr Dollar zu kaufen, weil sich eine Knappheit im Finanzsystem abzeichne.

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