Politik

White Helmets sollen nach Deutschland evakuiert werden

Lesezeit: 6 min
20.07.2018 23:57
Die USA und Großbritannien organisieren in Syrien die Evakuierung der White Helmets. Sie sollen unter anderem nach Deutschland gebracht werden.

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Nach Angaben des US-Magazins TIME stehen die USA kurz davor, Mitglieder der Zivilschutzorganisation White Helmets aus dem Südwesten Syriens zu evakuieren. Das Magazin beruft sich bei seinen Angaben auf Informationen von zwei hochrangigen US-Beamten. Die Evakuierung soll von den USA, Kanada und Großbritannien geleitet werden. In der ersten Phase sollen die White Helmets aus dem Südwesten in Transitlager der Nachbarländer gebracht werden. Das Magazin wörtlich: „Von dort aus werden sie in Drittländer, darunter Großbritannien, Deutschland, die Niederlande und möglicherweise Kanada, geschickt, so die Beamten, die unter der Bedingung der Anonymität gesprochen haben, weil sie nicht befugt waren, die Angelegenheit öffentlich zu diskutieren.”

Abraham Wagner vom Center for Advanced Studies on Terrorism (CAST) sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten, dass am Rande des NATO-Gipfels in Brüssel über die Evakuierung der White Helmets gesprochen wurde. Wagner wörtlich: „Der Krieg wird hier zurückgeschraubt und Syrien (Regierung in Damaskus, Anm. d. Red.) erlangt die Kontrolle über ganz Syrien zurück. Diese Organisation (White Helmets, Anm. d. Red.) ist größtenteils eine humanitäre Organisation, die versucht, mitten im syrischen Bürgerkrieg Katastrophenhilfe zu leisten, und es gibt viele Beweise dafür, dass sie viele Menschen gerettet haben. Es gab einige ’Berichte’, wonach sie irgendwie mit Terroristen in Verbindung stehen, von denen die meisten glauben, sie seien falsche Berichte. Ich weiß wirklich nicht, wohin sie evakuiert werden würden, wenn sie syrische Staatsangehörige sind. Es wäre problematisch, wenn sie nach dem derzeitigen US-Reiseverbot versuchen würden, in die USA einzureisen, es sei denn, sie würden Ausnahmegenehmigungen erhalten. Es könnte auch sein, dass die Russen Assad dazu bringen könnten, sie gut zu behandeln, so dass die Evakuierung nicht notwendig wird.”

Auch ein Sprecher der White Helmets hat dem US-Magazin diesen Evakuierungsplan bestätigt, da die syrische Armee (SAA) in den südwestlichen Regionen Quneitra und Daraa an Boden gewinnt. Die Evakuierungsmaßnahmen würden seit geraumer Zeit stattfinden. Allerdings seien diese nach dem NATO-Gipfel in Brüssel beschleunigt worden. „Das sind harte Stunden und Minuten (...) Dies ist der schlimmste Tag meines Lebens. Ich hoffe, sie retten uns, bevor es zu spät ist”, so ein Sprecher der White Helmets aus Quneitra. Quneitra ist der letzte Landstreifen in Syrien, der sich noch nicht komplett unter der Kontrolle der SAA befindet.

Zwischen Söldner-Truppen und der Regierung in Damaskus laufen auch Verhandlungen über die Evakuierung der Söldner aus Syrien in die nordwestliche Provinz Idlib. Dabei handelt es sich um Söldner, die ihre Waffen nicht niederlegen wollen. Das Magazin TIME wörtlich: „Die White Helmets sind nicht unumstritten. Sie operieren nur in oppositionellen Gebieten, in denen Regierungsdienste fast nicht existieren und es gibt immer wieder Luftangriffe. Syrische Regierungsanhänger beschuldigen sie, politisch mit den Rebellengruppen verbunden zu sein. Russland und die syrische Regierung haben sie wiederholt beschuldigt, chemische Angriffe in Oppositionsgebieten durchzuführen.”

TRT World und The Times of Israel berichten ebenfalls über die anstehende Evakuierung der White Helmets aus dem Südwesten Syriens.

Flüchtlinge in Europa

Shelly Culbertson von der RAND Corporation sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten in Bezug auf die humanitäre Situation in Syrien, dass 60 Prozent der syrischen Bevölkerung vertrieben wurden. Es gebe 6,5 Millionen Binnenvertriebene und 5,6 Millionen syrische Flüchtlinge, die in den Ländern des Nahen Ostens und in Europa leben würden.

Russland hat den USA vorgeschlagen, gemeinsam die Rückkehr der syrischen Flüchtlinge zu organisieren. Die Idee für einen gemeinsamen Aktionsplan sei an die US-Regierung übermittelt worden, meldeten russische Nachrichtenagenturen am Freitag unter Berufung auf das Verteidigungsministerium. Demnach wurde dies beim Gipfeltreffen von US-Präsident Donald Trump mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin vereinbart. Die syrischen Flüchtlinge sollten dorthin zurückkehren können, wo sie vor Beginn des Krieges 2011 gelebt hätten. Der russische Vorschlag werde derzeit von US-Seite geprüft, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau.

Die Nachrichtenagentur Tass zitierte einen Vertreter des Ministeriums mit den Worten, ersten Schätzungen zufolge könnten in nächster Zukunft aus dem Libanon 890.000 Flüchtlinge zurückkehren, aus der Türkei 300.000 und aus der EU 200.000.

Auf Nachfrage, ob es wahrscheinlich sei, dass ein Teil der syrischen Flüchtlinge aus Deutschland und Europa nach Syrien zurückkehren wird, sagte Culbertson: „Angesichts des Ausmaßes dieser massiven Vertreibung, der physischen Zerstörung und anhaltender Konflikte und Spannungen ist es unwahrscheinlich, dass die meisten dieser Menschen bald nach Hause gehen werden. Selbst wenn der Konflikt erst einmal beendet wird, wird es noch viele Jahre dauern, bis eine große Anzahl von Menschen zurückkehren kann. Viele haben kein Zuhause, keine Bildungseinrichtungen für ihre Kinder, keine Jobs, psychologische Traumata und Angst vor lokalen Spannungen. Während einige wenige Menschen im Laufe der Zeit wahrscheinlich langsam zurückkehren werden, nachdem Stabilität erreicht wurde, gibt es keine schnelle Lösung, die es den Flüchtlingen ermöglichen würde, in den nächsten Jahren in großer Zahl nach Hause zurückzukehren. Es wird Jahre dauern, um die Bedingungen zu schaffen, die die Wiederbevölkerung von Teilen Syriens ermöglichen.”

Im Jahr 2015 wurden nach Angaben des Bundesinnenministeriums etwa 890.000 Flüchtlinge in Deutschland registriert. Im Folgejahr lag diese Anzahl bei etwa 280.000, wohingegen im Jahr 2017 186,644 Flüchtlinge registriert wurden, berichtet der englischsprachige Dienst der Deutschen Welle (DW).

Zum Jahresende 2017 waren in Deutschland insgesamt 10,6 Millionen Menschen mit ausländischen Pässen registriert. 4,08 Millionen stammten aus dem EU-Ausland und 5,92 Millionen aus Drittstaaten. Das Statistische Bundesamt meldet in einer Mitteilung: „Das waren rund 163 000 oder 2,8 % mehr als im Jahr 2016 (rund 5,76 Millionen). Damit war der Anstieg deutlich geringer als noch 2016, als er 665 000 beziehungsweise 13,0 % betragen hatte. Das niedrigere Wachstum lässt sich auf eine geringe Nettozuwanderung (Saldo aus Zuzügen und Fortzügen) aus den Hauptherkunftsländern der Schutzsuchenden zurückführen. So betrug die Nettozuwanderung aus Syrien 2017 rund 61 000 Personen (2016: 260 000), Irak 17 000 Personen (2016: 91 000) und Afghanistan 5 000 Personen (2016: 119 000).”

Die ausländische Bevölkerung ist Im vergangenen Jahr um 5,8 Prozent angewachsen, so das Statistische Bundesamt.

Deutschland und die White Helmets

Auf eine Kleine Anfrage der Bundestagsfraktion der Partei DIE LINKE, die am 26. Juni 2018 gestellt wurde, antwortete die Bundesregierung: „Die Bundesregierung hat ’Syria Civil Defence’ (White Helmets, Anm. d. Red.) mit insgesamt 12 Mio. Euro (2016: 7 Mio. Euro, 2017: 5 Mio. Euro) zum Zweck der Ausbildung und Ausrüstung der Weißhelme unterstützt (...) Die an die ’Syria Civil Defence’ geleisteten Zahlungen werden in erster Linie für die Anschaffung von Rettungsausstattung, Ausbildung und Ausrüstung investiert. Die Bundesregierung hat im Rahmen der Förderung die Anschaffung von Helmkameras für 190 000 Euro gefördert, mit denen die Rettungsarbeit der ’Syria Civil Defence’ dokumentiert wird. Das Erstellen von Bild- und Videomaterial selbst ist nicht Teil der Förderung (...) Durch den Einsatz von Helmkameras zur Dokumentation ihrer Arbeit fällt bei den syrischen Weißhelmen umfangreiches Bild-, Film- und Tonmaterial über deren Einsätze an. Dieses wird durch Bild-, Film- und Tonaufnahmen von Augenzeugen ergänzt. Die syrischen Weißhelme haben auf dieser Grundlage über die Jahre eine intensive Öffentlichkeitsarbeit entwickelt, die der großer, weltweit agierender humanitärer Organisationen ähnelt.”

Die USA und die White Helmets

Die Trump-Regierung hat angeboten, denjenigen, die evakuiert wurden, finanzielle Hilfen zu leisten, hat sich jedoch geweigert, den White Helmets zu erlauben, Zuflucht in den USA zu suchen. Nachdem die US-Regierung im April 2018 ihre gesamten Finanzhilfen für die White Helmets eingefroren hatte, genehmigte sie im Juni 6,6 Millionen US-Dollar für die Organisation. Das ist eine wesentlich geringere Summe als die 33 Millionen Dollar, die den White Helmets seit 2013 von der US-Regierung zugeflossen sind, so CNN.

In einem Interview mit CBS News sagte der Vorsitzende der White Helmets, Raed Al-Saleh, dass der Finanzierungsstopp durch die USA einen „Schock” ausgelöst hatte. Letztlich werde sich dies negativ auf die Fähigkeit der White Helmets auswirken, Leben zu retten, meint er. „Unsere Arbeit wurde nicht unterbrochen und alle Projekte, an denen wir arbeiten, werden nicht gestoppt”, so Al-Saleh.

Heather Nauert, Sprecherin des US-Außenministeriums, hatte im April auf einer Pressekonferenz gesagt, dass die Regierung „sehr dankbar für all die Arbeit sei, die die White Helmets weiterhin für die Menschen ihres Landes und im Auftrag der US-Regierung und der Koalitionstruppen leisten”.

Die jüngsten Bemühungen, die White Helmets außer Landes zu bringen, stehen im Einklang mit den Plänen der Regierung für einen vollständigen Rückzug. „Diese Bemühungen besagen, dass wir uns in der Evakuierungsphase befinden. Es ist ein Eingeständnis, dass das Regime die Kontrolle über das Land wiedererlangen wird und die White Helmets nicht bleiben können”, so ein anonymer hochrangiger US-Beamter.

Raed Fares sagte CBS News, dass sich beispielsweise in Daraa nicht nur White Helmets, sondern auch eine Million Zivilisten befinden würden, denen geholfen werden müsse. Die Evakuierung der White Helmets und der geplante Abzug von US-Truppen sei besorgniserregend. Die SAA werde als nächstes eine Militäroffensive in Idlib durchführen. Er will hingegen weiter gegen die syrische Regierung kämpfen.

Großbritannien und die White Helmets

Boris Johnson räumte im Oktober 2016 ein, dass die britische Regierung die White Helmets mit 65 Millionen Pfund, umgerechnet 74,4 Millionen Euro, finanziert hat. Am 22. Juli 2016 sagte der britische Admiral Sir Philip Jones bei einer Rede in Bezug auf die Strategie des britischen Militärs, dass der harte Schlag der Militärmacht oft „innerhalb des Kinderhand-Schuhs der humanitären Hilfe” ausgeführt werde.

In einem Londoner Prozess im Jahr 2015 gegen einen Terror-Unterstützer kam ans Licht, dass der britische MI6 die Terror-Miliz ISIS unterstützt hatte. Der Angeklagte reklamierte für sich, dass es nicht strafbar sei könne, ISIS zu unterstützen, wenn dies auch der britische Geheimdienst macht. Der britische MI6 soll in Zusammenarbeit mit der CIA „Waffen im großen Stil“ über eine „Rattenlinie“ von Libyen nach Syrien transferiert haben. Die Staatsanwaltschaft, prüfte die Unterlagen gründlich und reagierte unverzüglich auf die Enthüllung: Die Anklage wurde in allen Punkten fallengelassen.

 


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