Die USA gehen auf Konfrontationskurs zum Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Der Nationale Sicherheitsberater im Weißen Haus, John Bolton, drohte am Montag mit Einreiseverboten und anderen Sanktionen gegen Richter und Staatsanwälte des Gerichts, sollte dieses gegen US-Staatsbürger vorgehen. Er reagierte damit auf Haager Untersuchungen zu möglichen US-Kriegsverbrechen in Afghanistan.
Bolton stellte klar, dass seine Regierung in keinem Fall mit dem Haager Gericht kooperieren werde. Sie werde vielmehr "zurückkämpfen", um US-Staatsbürger vor "ungerechtfertigter Verfolgung durch dieses illegitime Gericht zu schützen". In einer Rede in Washington prangerte Bolton den IStGH als nicht nur "ineffektive" und eigenmächtig agierende, sondern "geradezu gefährliche" Einrichtung an.
Als Antwort auf jegliche Verfolgungen von Bürgern der USA, Israels und anderer verbündeter Staaten nannte Bolton neben Einreisesperren auch das Einfrieren möglicher Vermögenswerte von Haager Juristen in den USA. Ferner sollten sie in solchen Fällen selber zum Objekt der Verfolgung durch die US-Strafjustiz werden. Gleiches gelte für alle Unternehmen oder Staaten, die das Tribunal bei derartigen Aktivitäten gegen die USA unterstützten.
Der Trump-Berater bezeichnete die Untersuchungen als Angriff auf die Souveränität der Vereinigten Staaten. Den IStGH beschrieb er generell als Institution, deren zentrales und zugleich "meist unausgesprochenes Ziel" es sei, die Führungsrolle der USA in der Welt einzuschränken.
Das Haager Gericht erklärte zu diesen Vorwürfen, dass es "strikt" innerhalb des sogenannten Römischen Statuts von 1998 agiere, auf dessen Grundlage es 2002 seine Arbeit begonnen hatte. Der IStGH sei zur "unabhängigen und unparteiischen Ausübung seines Mandats verpflichtet", hieß es in einer an die Nachrichtenagentur AFP übermittelten Erklärung. Das Gericht mit Sitz in Den Haag erklärte am Dienstag, es werde sich nicht davon abschrecken lassen, seine Arbeit in Übereinstimmung mit den Rechtsstaatsprinzipien fortzusetzen. Der ICC sei eine unabhängige und unvoreingenommene Institution.
Neuer Tatbestand Aggression
Hintergrund der US-Maßnahme dürfte ein erst kürzlich eingeführter, neuer Straftatbestand sein: Seit Juli kann der IstGH auch vorgehen, wenn es den Tatbestand der Aggression oder von Angriffen auf die Souveränität von Staaten durch einen anderen Staat erkennt.
Ein Sprecher des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: “Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) untersucht und versucht, wo es angebracht ist, Personen anzuklagen, die der schwersten Verbrechen der internationalen Gemeinschaft angeklagt sind: Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und seit dem 17. Juli 2018 das Verbrechen der Aggression. In der Tat ist das vierte Verbrechen, das in die Zuständigkeit des IStGH fällt, das Verbrechen der Aggression. Es ist die Anwendung von Waffengewalt eines Staates gegen die Souveränität, Integrität oder Unabhängigkeit eines anderen Staates. Die Definition dieses Verbrechens wurde durch eine Änderung des Römischen Statuts auf einer Überprüfungskonferenz des Statuts im Jahr 2010 angenommen. Am 15. Dezember 2017 verabschiedete die Versammlung der Vertragsstaaten (das Leitungsgremium des IStGH) einvernehmlich eine Resolution, die die Zuständigkeit des Gerichtshofs für das Verbrechen der Aggression ab dem 17. Juli 2018 aktiviert. Ab dem 17. Juli 2018 könnte der Sicherheitsrat, der gemäß Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen tätig wird, eine Situation vorbringen, in der eine Aggressionshandlung stattgefunden zu haben scheint, unabhängig davon, ob die Vertragsstaaten beteiligt sind oder nicht -staatliche Parteien.”
Seit dem 17. Juli wird zum ersten Mal seit den Nachkriegsprozessen in Nürnberg und Tokio ein internationaler Gerichtshof (Internationaler Strafgerichtshof) in der Lage sein, Staats- und Regierungschefs “persönlich” für die Durchführung eines Angriffskrieges (“Verbrechen der Aggression”) verantwortlich zu machen, so die Coalition for the ICC.
In Bezug auf die Zuständigkeit des IStGH führt Dederer aus: “Eine Strafverfolgung durch den IStGH hängt von der Reichweite seiner Zuständigkeit ab. Im Grundsatz gilt hierzu: Die Zuständigkeit erstreckt sich hinsichtlich der im Römischen Statut normierten Straftaten auf von einem Vertragsstaat unterbreitete oder vom Ankläger des IStGH auf eigene Veranlassung untersuchte Angelegenheiten dann, wenn das strafbare Verhalten im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates stattgefunden hat oder von einem Staatsangehörigen eines Vertragsstaates begangen wurde. Dieser Grundsatz gilt im Ausgangspunkt auch für ein strafbares Verhalten, welches den Straftatbestand der Aggression erfüllt. Speziell in Bezug auf das Verbrechen der Aggression stellt sich das Problem, dass die hierfür einschlägigen Normen erst im Wege einer Vertragsänderung in das Römische Statut eingefügt worden sind. Die Versammlung der Vertragsstaaten hat sich daher darauf geeinigt, dass die sich auf das Verbrechen der Aggression beziehenden Änderungen des Statuts nur für diejenigen Vertragsstaaten in Kraft treten sollen, welche diese Änderungen ratifiziert haben. D.h. der IStGH hätte keine Zuständigkeit für eine von einem Vertragsstaat unterbreitete oder vom Ankläger des IStGH auf eigene Veranlassung untersuchte Aggression, die von einem Staatsangehörigen oder auf dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates begangen wird, der die Änderungen nicht ratifiziert hat.”
Dem IStGH zufolge bedeutet “Verbrechen der Aggression” die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Ausführung einer Angriffshandlung, die ihrer Art, ihrer Schwere und ihrem Umfang nach eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt, durch eine Person, die tatsächlich in der Lage ist, das politische oder militärische Handeln eines Staates zu kontrollieren oder zu lenken.
Beispielsweise sind die USA, Russland, China, Israel, die Türkei oder Indien keine Vertragsstaaten und fallen somit nicht unter die Gerichtsbarkeit des IStGH. Im Zusammenhang mit Angriffskriegen sagt Dederer: “Angriffskriege verstoßen gegen das Gewaltverbot aus Art. 2 Nr. 4 UN-Charta, das zugleich als völkergewohnheitsrechtliche Norm gilt.
Allgemein anerkannte Ausnahmen vom Gewaltverbot sind:
- vom UN-Sicherheitsrat autorisierte militärische Zwangsmaßnahmen gemäß Art. 39, 42, 53 UN-Charta
- Maßnahmen in Ausübung des Rechts auf Selbstverteidigung aus Art. 51 UN-Charta, welches gleichfalls zugleich als völkergewohnheitsrechtliche Norm gilt.”
Die Bundeszentrale für politische Bildung berichtet: “Hauptaufgabe des IStGH ist die Verfolgung und Bestrafung schwerster Verbrechen von internationaler Bedeutung. Dazu gehören Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Wenn ein Land ein anderes Land grundlos angreift, also einen Angriffskrieg führt, dann wird der Gerichtshof tätig. Angeklagt werden können nur Personen, die aus einem Land kommen, das die Arbeit des IStGH unterstützt. Das sind derzeit 124 Staaten der Welt, die EU-Länder gehören dazu. Die USA haben erklärt, dass sie mit dem IStGH nicht zusammenarbeiten wollen. Auch China, Indien, Israel, Kuba, Russland, Pakistan und andere Staaten haben ihn noch nicht anerkannt. Die erste Verhandlung vor dem IStGH fand im Januar 2009 gegen den kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga statt. Er soll unter anderem Kindersoldaten zum Kriegseinsatz gezwungen haben. Weitere Verfahren laufen. Vor dem Internationalen Gerichtshof werden Konflikte zwischen verschiedenen Staaten verhandelt. Vor dem Internationalen Strafgerichtshof wird gegen einzelne Verantwortliche dieser schweren Verbrechen verhandelt und geurteilt.”