Politik

Erdogan kritisiert US-Unterstützung für Kurden in Syrien

Der türkische Präsident Erdogan kritisiert das militärische Engagement der USA in Ost-Syrien. Dort befinden sich 70 Prozent der syrischen Energiequellen.
21.09.2018 00:02
Lesezeit: 4 min

Der türkischen Zeitung Hürriyet zufolge wird im Rahmen des Astana-Formats zwischen Moskau, Ankara und Teheran als nächstes eine Lösung für den Osten Syriens angedacht werden. Der türkische Präsident kritisierte in den vergangenen Tagen: "Während die gesamte Aufmerksamkeit auf Idlib gerichtet war, gab es in der Zwischenzeit unerwünschte Entwicklungen. Es ist eine unwiderlegbare Tatsache, dass einige Kräfte unter dem Vorwand der IS-Bekämpfung bestimmte Schritte unternommen haben, die nicht mehr verheimlicht werden können. Wir sind zutiefst beunruhigt, weil die USA nach wie vor in der Region eine Terrororganisation unterstützen. Diese wurde von den USA mit fast 20.000 Lkw und etwa 3.000 Flugzeugladungen an Waffen beliefert. Das zeigt, wie stark diese Organisation mittlerweile geworden ist. Die PYD/PKK ist eine Gefahr für die territoriale Integrität Syriens. Dagegen muss eine gemeinsame Haltung eingenommen werden."

"Nach Idlib bildet der Osten des Euphrats die nächste Phase. Die US-Streitkräfte sind dort illegal anwesend und müssen sich zurückziehen", hatte zuvor der iranische Präsident Hassan Rouhani gesagt. Der russische Präsident und Kreml-Sprecher Dmitri Peskow hatten immer wieder gesagt, dass die territoriale Integrität Syriens bewahrt werden müsse.

Ein Sprecher des Pentagon sagte den Deutschen Wirtschaftsnachrichten: "Ausrüstung, die an die SDF (Syrischen Demokratischen Kräfte - SDF) gegeben wird, wird bereitgestellt, um speziell auf IS-Bedrohungen einzugehen, und ist nach Abschluss dieser Mission wieder eintreibbar. Wir nehmen unser Ausbildungs- und Ausrüstungsprogramm ernst und sorgen dafür, dass das Gesetz des bewaffneten Konflikts und alle anderen geltenden Gesetze eingehalten werden. Aus Gründen der Sicherheit diskutieren wir weder die Zusammensetzung der Streitkräfte noch bestimmte Zahlen. Obwohl wir nicht über die Einzelheiten unserer Unterstützung sprechen können, können wir Ihnen versichern, dass unsere Unterstützung der SDF unserer gemeinsamen Mission, eine dauerhafte Niederlage des IS zu erreichen, angemessen ist. Die Syrischen Demokratischen Kräfte waren maßgeblich daran beteiligt, den IS zu besiegen und Millionen Syrer von der brutalen Terrorherrschaft zu befreien."

Die türkische Zeitung Akşam berichtet, dass die Türkei, Russland und Syrien nach ihrer Einigung über den neuen Status von Idlib ihr Augenmerk erneut auf den Osten Syriens gerichtet haben. Das Gebiet östlich des Euphrats wird von den USA und ihren verbündeten Kurden-Milizen kontrolliert. Im Verlauf der Verhandlungen um Idlib sollen die USA die Kurden-Milizen mit Waffen im Umfang von 250 Lkw-Ladungen beliefert haben. Die Lieferung soll in den vergangenen Tagen in der ostsyrischen Stadt Hajin eingetroffen sein. Seit dem Jahr 2015 haben die USA die Kurden-Milizen mit 4.700 Lkw-Ladungen an Waffen beliefert. Diese Lieferungen und die Errichtung von mittlerweile 25 US-Stützpunkten im Osten Syriens erfolgte unter dem Vorwand des Kampfs gegen die Terror-Miliz IS. Im Süden von Ayn al-Arab (Kobani) haben die USA einen Luftwaffenstützpunkt errichtet, wo ein Radarsystem installiert wurde.

Derzeit kontrollieren die USA und die Kurden-Milizen etwa 70 Prozent der Energiequellen des Landes. Das US-Außenministerium hat die PYD/YPG, die der direkte syrische Ableger der PKK ist, aus ihren "Country Reports on Terrorism 2017" gestrichen hat. Die PYD/YPG ist aus Sicht der USA keine Terrororganisation mehr. Der Report wurde am Mittwoch veröffentlicht.

Der libanesische Politikanalyst Nidal Sabi sagte der TASS, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan und sein russischer Amtskollege Wladimir Putin durch ihre Einigung um Idlib "die territoriale Integrität Syriens bewahrt und die Aggression des Westens verhindert" hätten. Die USA hätten zuvor versucht, ein Scheitern des Astana-Prozesses herbeizuführen. Durch die Einigung mit der Türkei habe Russland verhindert, dass die USA, Frankreich und Großbritannien einen Vorwand finden, um Syrien anzugreifen.

Kurden vertrauen USA

Hikmet Hebib vom syrisch-kurdischen PKK-nahen Exekutivrat des Demokratischen Syrienrats sagte der PKK-nahen Nachrichtenagentur ANF, die ihren Hauptsitz in Amsterdam hat, dass die "russisch-türkische Einigung eine Gefahr für das Demokratieprojekt" sei. "Bevor man sich die Beziehungen zwischen uns und dem Regime vor Augen führt, muss man beachten, dass es das Regime ist, das für das Geschehene verantwortlich ist. Wir beobachten diese Situation schon lange und sind besorgt, dass diese terroristischen Gruppen in unsere Region geschickt werden", so Hebib.

Die Kurden-Milizen der PYD/PKK befürchten, dass Russland, Syrien, der Iran und die Türkei im Verlauf ihrer Absprachen einen Plan ausarbeiten, damit die syrische Armee (SAA) die Gebiete östlich des Euphrats zurückerobert. Der syrische Präsident Baschar al-Assad hatte zuvor gesagt, dass "jeder Zoll" Syriens zurückerobert werden soll. Er schlug eine Autonomie für die Kurden aus.

Währenddessen hat der Chef der libanesischen Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, die Kurden-Milizen in Syrien dazu aufgefordert, Verhandlungen mit der syrischen Regierung zu führen. "Setzt nicht auf die Amerikaner", warnte er in einer Fernsehansprache am Mittwochabend. "Es liegt in Eurem Interesse, mit dem syrischen Staat zu verhandeln und Euch zu verständigen (...) Die Amerikaner werden Euch jederzeit auf irgendeinem Markt verkaufen", zitiert Asia Times Nasrallah.

Ansprüche auf Energiequellen

Der Großteil der syrischen Onshore-Ölquellen befindet sich östlich des Euphrats. Ausschließlich das Zentrum der Stadt Deir Ezzor befindet sich unter der Kontrolle der syrischen Armee (SAA). “Alle Ölfelder sind hier. Dieser Ort ist sehr reich, weshalb sie (die syrischen Regierungstruppen, Anm. d. Red.) dieses Gebiet wollen. Sie würden nicht herkommen, wenn hier kein Öl wäre, weil sie sich nicht um die Menschen kümmern”, sagte der Kommandant der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die von den Kurden-Milizen kontrolliert wird, Abu Arab, der kurdischen Nachrichtenagentur Rudaw.

Eine US-Delegation aus Vertretern der Sicherheits- und Nachrichtendienste besuchte Damaskus im Juni 2018 und traf den Chef des syrischen zivilen Geheimdiensts Idarat al-Mukhabarat al-Amma (GND), Mohammed Dib Zaitoun, und Ali Mamluk, Leiter des Nationalen Sicherheitsbüros (NSB) der Baath-Partei. Das teilte nach Angaben des englischsprachigen Diensts von Reuters ein Beamter des regionalen Bündnisses zwischen Russland, Syrien und dem Iran am Dienstag mit.

Unter der Bedingung der Anonymität sagten zwei hochrangige US-Geheimdienstbeamte Reuters, es gebe einen "andauernden Dialog mit Mitgliedern des Assad-Regimes" über die Vertreibung des IS aus Syrien und die Lagerung von chemischen Waffen durch Damaskus. Gesprächsgegenstand war auch das Schicksal des US-Journalisten Austin Dice, der im Jahr 2012 von syrischen Sicherheitskräften festgenommen wurde. Die kurdisch-irakische Nachrichtenagentur Rudaw führt aus: "Berichten zufolge bot die US-Delegation an, ihre Truppen aus dem kurdisch gehaltenen Gebiet (östlich des Euphrats, Anm. d. Red.) abzuziehen, sollten sich iranische Truppen aus Gebieten in der Nähe der südlichen Grenze zu Israel zurückziehen. US-Unternehmen sollen zudem einen Teil des syrischen Öls garantiert bekommen und Damaskus soll sich bereit erklären, Informationen über ausländische Dschihadisten zu teilen. Der libanesischen Tageszeitung Al-Akhbar zufolge sagten die syrischen Beamten, dass solche Schritte verfrüht seien, aber sie vereinbarten, ,weiterhin über den russisch-emiratischen Kanal zu kommunizieren'."

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