Finanzen

Deutsche Steuerzahler müssen mit nächster Banken-Rettung rechnen

Die grundvernünftige Idee der EU, die Banken durch die Gläubiger retten zu lassen, sind offenbar schon wieder hinfällig. Die deutschen Steuerzahler könnten die Folgen als nächsten zu spüren bekommen.
20.01.2017 15:26
Lesezeit: 3 min

Andreas Kröner und Francesco Canepa von Reuters haben eine interessante Analyse zu den ausgesprochen sinnvollen EU-Bankenabwicklungsregeln geschrieben. Die Regeln sind nach Einschätzung vieler wichtiger Marktteilnehmer schon wieder Makulatur:

Die Euphorie ist groß, als sich die Europäische Union im Dezember 2013 in Brüssel auf einen Fahrplan für die künftige Abwicklung maroder Banken einigt. "Durch die neuen Regeln werden große staatliche Bankenrettungen und ihre Konsequenzen für die Steuerzahler endgültig der Vergangenheit angehören", sagt EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier. Nach diversen staatlichen Rettungsaktionen in der Finanzkrise schwört sich die Politik, dass bei Bankenschieflagen künftig als erstes Aktionäre und Gläubiger zur Kasse gebeten werden ("Bail in"). Für Extremfälle wird ein EU-Rettungsfonds auf den Weg gebracht, der von den Instituten selbst befüllt wird. Beaufsichtigt wird er von einer neuen EU-Abwicklungsbehörde (SRB), die sich bei Bedarf um das kontrollierte Verschwinden kriselnder Geldhäuser kümmern soll.

Gut drei Jahre später lächeln viele Politiker und Banker nur müde, wenn man sie auf die optimistischen Aussagen von damals anspricht. Der italienische Regierung hat kürzlich beschlossen, die Krisenbank Monte dei Paschi di Siena mit einer staatlichen Finanzspritze im Milliarden-Volumen zu retten. Das Mittelmeerland nutzt dabei eine Ausnahmeregel, die eine "vorsorgliche Rekapitalisierung" von Banken erlaubt. Auch italienische Privatanleger, die Anleihen von Monte dei Paschi gekauft haben, sollen vom Staat entschädigt und so vor Verlusten geschützt werden.

Experten hatten von Anfang an Zweifel, dass die EU-Regeln umsetzbar sind, wenn die größten Banken der Euro-Zone ins Straucheln geraten. Dass dies auch bei Monte dei Paschi nicht getan wird, die mit einer Bilanzsumme von rund 160 Milliarden Euro kleiner ist als die meisten deutschen Landesbanken, bringt nun jedoch auch viele Bankenaufseher ins Grübeln.

In der Theorie seien die EU-Abwicklungsregeln richtig, aber in der Praxis ließen sie sich im derzeitigen Umfeld kaum umsetzen, räumen mehrere Kontrolleure in Gesprächen mit der Nachrichtenagentur Reuters ein. "Es hat sich gezeigt, dass die 'Bail-in-Regeln' doch nicht so eine gute Idee waren", sagt einer von ihnen. "Wenn die Privatanleger in Italien auf den Verlusten sitzenbleiben, würde das viel Empörung auslösen und Anti-Euro-Parteien Rückenwind verleihen." Ein anderer Aufseher bilanziert trocken: "Die SRB ist die überflüssigste Behörde in Europa, weil sich im Moment niemand traut, sie zu benutzen."

SRB-Chefin Elke König hat nach eigenem Bekunden kein Problem mit der Rettung von Monte dei Paschi. Die italienische Regierung und die EU machten in dem Fall "einen guten Job". Viele Banker und Experten glauben, dass das Beispiel Schule machen könnte - und dass es andere Länder unter Verweis auf Italien ebenfalls ablehnen werden, Banken abzuwickeln und Gläubiger zur Kasse zu bitten. Die Rettung der drittgrößten italienischen Bank "wirft die Frage auf, wie entschlossen die europäischen Behörden sind, die Bail-In-Regeln bei der Abwicklung von Banken strikt umzusetzen", konstatiert die Ratingagentur Moody's.

Diese Frage könnte sich bald erneut stellen. Denn sowohl die portugiesische Novo Banco als auch die deutsche HSH Nordbank sind derzeit auf der Suche nach einem Käufer. Sollten sie nicht fündig werden, könnte aus Sicht von Experten erneut eine Debatte über staatliche Hilfen losbrechen. Novo Banco, der gesunde Teil des kollabierten Instituts Espirito Santo, muss auf Druck der EU-Kommission bis August verkauft werden. Sollte dies nicht gelingen, sei jedoch auch eine Verstaatlichung nicht ausgeschlossen, hat der portugiesische Finanzminister Mario Centeno schon mal prophylaktisch erklärt.

Die HSH muss auf Druck der EU bis 2018 veräußert oder abgewickelt werden. Das Institut sieht "sehr gute Voraussetzungen" für einen Verkauf, betont Finanzchef Oliver Gatzke. Experten gehen jedoch davon aus, dass die HSH nur in zwei Teilen verkauft werden kann: Die profitable Kernbank, zu der unter anderem das Immobilien- und Firmenkundengeschäft in Norddeutschland gehören, und die Abbaubank, in der die notleidenden Schifffahrtskredite in Milliarden-Höhe gebündelt sind. Falls es für die Abbaubank keine akzeptablen Offerten geben sollte, halten Insider auch eine Lösung unter Einbeziehung der HSH-Mehrheitseigner Hamburg und Schleswig-Holstein für denkbar. Die könnten dann im Zweifel auf Monte dei Paschi verweisen, sagt eine mit dem Prozess vertraute Person. "Die öffentlich-rechtlichen Eigentümer und der Bund schauen sehr genau hin, was gerade in Italien passiert."

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