Finanzen

Griechenland: Streit zwischen IWF und Eurozone droht zu eskalieren

Der Streit zwischen dem IWF und der Eurozone um Griechenland droht zu eskalieren. Bundesfinanzminister Schäuble machte weitere Kredite von der Beteiligung des IWF abhängig. Dieser fordert jedoch faktisch einen Schuldenschnitt, welchen insbesondere Bundeskanzlerin Merkel ablehnt.
31.01.2017 11:26
Lesezeit: 2 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble macht die Auszahlung weiterer Gelder für Griechenland von der finanziellen Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Kreditprogramm abhängig. Die Eurogruppe habe stets betont, dass die finanzielle Beteiligung des IWF am Programm für Griechenland unerlässlich sei, teilte ein Sprecher Schäubles am Dienstag laut Reuters mit. „Weitere Auszahlungen sind damit vom erfolgreichen Abschluss der Programmüberprüfung und der Beteiligung des IWF abhängig.“ Die aktuelle Überprüfung der griechischen Reformmaßnahmen solle die Voraussetzung für die finanzielle Teilnahme des IWF schaffen.

Mit der Ankündigung erhöht die Bundesregierung den Druck auf den IWF, was zu weiteren Spannungen im Streit zwischen dem Währungsfonds und der Eurozone - allen voran der Bundesregierung - führen dürfte.

Am Montag hatte der Chef des Euro-Rettungschirms ESM, Klaus Regling, eine Zusage des IWF angemahnt, bevor das vollkommen überschuldete Griechenland neues Geld erhält. Eine finanzielle Beteiligung des IWF hatte er aber nicht als Voraussetzung genannt. Griechenland muss im Juli rund sieben Milliarden Euro an Krediten zurückzahlen und benötigt dafür voraussichtlich die Unterstützung der Euro-Geldgeber. Diese machen die Gelder aber vom erfolgreichen Abschluss der Reformüberprüfung abhängig, die noch aussteht.

Mit dem IWF streiten die Euro-Staaten darüber, ob die Schulden Griechenlands überhaupt tragfähig sind. Der IWF verneint dies und fordert seit Längerem einen faktischen Schuldenschnitt für das Land. Zudem stuft er Griechenlands Schuldenlast als derzeit „unhaltbar“ und langfristig „explosiv“ ein. „Selbst bei einer vollständigen Umsetzung der im (Rettungs-)Programm gebilligten Reformen werden die Staatsverschuldung und der Finanzbedarf langfristig explosiv werden“, heißt es in einem veröffentlichten IWF-Bericht. Um den Schuldenberg des Landes zu verringern, müsse die Eurozone „glaubwürdigere“ Maßnahmen ergreifen.

Wenn keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen würden, werde sich der Schuldenstand auf 275 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes (BIP) erhöhen, heißt es in dem Bericht. Daher müssten die Zahlungsfristen und Fälligkeiten verlängert werden, sonst könne es nicht gelingen, den Schuldenstand Griechenlands auf eine „abschüssige“ Bahn zu lenken. Mit dieser Formulierung umschreibt der IWF, dass ohne Schuldenschnitt ein Zahlungsausfall des Landes droht, welcher zu einer neuen Euro-Krise führen dürfte.

Konkret schlägt der IWF vor, Griechenland bis 2040 von Rückzahlungsverpflichtungen auszunehmen und die Laufzeiten der Kredite bis 2070 auszudehnen – was faktisch einem Schuldenschnitt gleichkommt. EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici erklärte, die EU-Kommission werde „weiter mit Griechenland, den Ländern der Eurozone und anderen Institutionen zusammenarbeiten, um die griechischen Schulden abzubauen“. Die Wirtschaftsleistung Griechenlands hat sich seit 2008 um rund ein Viertel verringert, die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als 20 Prozent.

Florian Eder von Politico kommentiert die Auseinandersetzung folgendermaßen: „Der Internationale Währungsfonds untersuchte, inwieweit die Regeln des EU-Stabilitätspakts auch eingehalten werden, und kam zum Schluss: naja. Der Report wurde gestern veröffentlicht und geizt nicht mit gutem Rat (à la: kleine Verstöße sollten mit kleinen Strafen, große mit großen geahndet werden). Das ist ein weiterer Schritt im bald schon amüsanten Kleinkrieg der Euro-Zone gegen den IWF. Beide sind ehrgeizig darin, den anderen als ökonomietheoretisch retardiert und politpraktisch fehlgeleitet darzustellen. Die EU-Kommission schoss am Mittag Richtung Washington: “Wir sehen keinen Grund für eine alarmistische Einschätzung der Wirtschafts- oder der Verschuldungslage Griechenlands”, sagte eine Sprecherin; gemeint war die des IWF. Klaus Regling, Chef des Rettungsfonds ESM, erhöhte den Druck (auf Athen und Washington) und verknüpfte die Auszahlung nächster Tranchen mit der Beteiligung des IWF. It ain’t end well für Griechenland.“

Die Börse in Athen reagierte am Montag bereits mit Kursverlusten von etwa 3,5 Prozent auf die Unsicherheit und den Streit zwischen IWF und Eurozone. Die Renditen zehnjähriger griechischer Anleihen stiegen um fast 0,5 Prozent auf 7,66 Prozent. Am Dienstag stiegen sie weiter auf 8 Prozent. Der Leitindex in Athen tendierte am Dienstag um den Nullpunkt.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Technologie
Technologie KI im Jobmarkt: Die große Lüge von der Objektivität
04.07.2025

Algorithmen sollen neutral entscheiden – doch KI entlarvt sich im Personalbereich als versteckter Türsteher: Diskriminierung,...

DWN
Panorama
Panorama Grillmarkt in der Krise? Holzkohle wird teurer
03.07.2025

Grills verkaufen sich längst nicht mehr von selbst. Nach Jahren des Booms mit Rekordumsätzen schwächelt die Nachfrage. Händler und...

DWN
Finanzen
Finanzen Milliarden für Dänemark – Deutschland geht leer aus
03.07.2025

Dänemark holt 1,7 Milliarden DKK aus Deutschland zurück – ohne die deutsche Seite zu beteiligen. Ein heikler Deal im Skandal um...

DWN
Finanzen
Finanzen Vermögen im Visier: Schweiz plant Enteignung durch Erbschaftssteuer für Superreiche
03.07.2025

Die Schweiz steht vor einem Tabubruch: Kommt die 50-Prozent-Steuer auf große Erbschaften? Die Eidgenossen debattieren über ein riskantes...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Drogeriehandel: Wie dm, Rossmann und Müller den Lebensmittelmarkt verändern
03.07.2025

Drogeriemärkte verkaufen längst nicht mehr nur Shampoo und Zahnpasta. Sie werden für Millionen Deutsche zur Einkaufsquelle für...

DWN
Technologie
Technologie KI-Gesetz: Bundesnetzagentur startet Beratungsservice für Unternehmen
03.07.2025

Die neuen EU-Regeln zur Künstlichen Intelligenz verunsichern viele Firmen. Die Bundesnetzagentur will mit einem Beratungsangebot...

DWN
Panorama
Panorama Sprit ist 40 Cent teurer an der Autobahn
03.07.2025

Tanken an der Autobahn kann teuer werden – und das oft völlig unnötig. Eine aktuelle ADAC-Stichprobe deckt auf, wie groß die...

DWN
Politik
Politik Brüssel kapituliert? Warum die USA bei den Zöllen am längeren Hebel sitzen
03.07.2025

Die EU will bei den anstehenden Zollverhandlungen mit den USA Stärke zeigen – doch hinter den Kulissen bröckelt die Fassade. Experten...