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Die Niedrigszinspolitik der Europäischen Zentralbank hat die deutschen Sparer nach Berechnungen der DZ Bank seit 2010 rund 436 Milliarden Euro gekostet. "Deutschlands Sparer zahlen einen üppigen Teil der Rechnung für die lockere Geldpolitik der EZB", sagte der Chefökonom der Bank Stefan Bielmeier der FAZ. Er berief sich auf eine Berechnung seines Instituts, in der die Situation seit 2010 mit der der Jahre 1998 bis 2008 verglichen werde. "Für die Jahre 2010 bis 2016 sind dies 344 Milliarden Euro", sagte Bielmeier. "Und in diesem Jahr werden voraussichtlich einmal 92 Milliarden Euro hinzukommen", ergänzte er. "Das macht insgesamt sage und schreibe 436 Milliarden Euro." Für ihn sei der Preis, den Europa für die EZB-Zinspolitik zahle, zu hoch.
Selbst wenn man den positiven Effekt dieser Geldpolitik auf die Zinssätze berücksichtige, bleibe unter dem Strich immer noch eine Einbuße von fast 250 Milliarden Euro für die Jahre 2010 bis 2017, fügte Bielmeier hinzu.
Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat von der EZB Standfestigkeit bei einem höheren Preisdruck verlangt. "Wir dürfen nicht aus Rücksicht auf die Staatsfinanzen in einigen Ländern oder wegen etwaiger Verluste einzelner Finanzmarktteilnehmer die geldpolitische Normalisierung auf die lange Bank schieben", sagte Weidmann dem österreichischen Standard. "Da muss die EZB dann Rückgrat zeigen." Die Notenbank richte ihre Geldpolitik "nicht nach politischen Ereignissen, sondern an den Preisperspektiven aus". Weidmann hatte Anfang April erklärt, der Zeitpunkt für eine Abkehr von der Politik des ultrabilligen Geldes rücke immer näher.
Führende Vertreter der Regierung in Berlin wollen sich laut einem Spiegel-Bericht für Bundesbankchef Jens Weidmann als künftigen EZB-Präsidenten einsetzen. Laut Vorabbericht des Nachrichtenmagazins vom Freitag wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble deutsche Ansprüche geltend machen, wenn EZB-Präsident Mario Draghi 2019 aus dem Amt ausscheidet. Wie das Magazin weiter ohne Angaben von Quellen berichtet, halten Merkel und Schäuble die Zeit dann für einen Deutschen an der Spitze der Zentralbank für gekommen. Sie war vor Draghi von dem Franzosen Jean-Claude Trichet (2003-2011) und dem Niederländer Wim Duisenberg (1998-2003) geführt worden.
Weidmann sei zur Annahme des Spitzen-Postens bereit, sollte er ihm angetragen werden, so das Magazin. Eine Sprecherin der Bundesregierung verwies darauf, dass Draghis Amtszeit erst 2019 ende. "Es gibt jetzt überhaupt keinen Diskussions- und erst recht keinen Entscheidungsbedarf für seine Nachfolge", sagte sie. Die Bundesbank sprach mit Blick auf die Meldung von "einer Diskussion zur Unzeit". Auch sie verwies darauf, dass Draghi noch bis Ende Oktober übernächsten Jahres im Amt sei.
Allerdings dürfte die Debatte gezielt vor der Bundestagswahl angestoßen werden, um den deutschen Sparern eine Perspektive zu geben. Ob sich Weidmann wirklich durchsetzen kann ist unklar. In der EZB hat Deutschland keine Mehrheit. Auch ein Veto kann nur als Drohung eingesetzt werden.
Schäuble hat mehrfach die unter Draghis Führung betriebene ultralockere Geldpolitik der EZB kritisiert. Der CDU-Politiker plädiert für eine geldpolitische Wende und warnt vor wachsenden Gefahren durch das extrem billige Geld. Auch Weidmann stand dem großangelegten Anleihenkaufprogramm von Anfang an kritisch gegenüber.
Vertreter der bayerischen Unionsschwester haben Draghi bereits mehrfach offen attackiert: Der CSU-Politiker Hans-Peter Friedrich warf dem Italiener 2016 vor, dessen Geldflut habe zu einem massiven Verlust der Glaubwürdigkeit der EZB geführt. Er forderte zugleich, der nächste EZB-Chef müsse ein Deutscher sein, der sich der Tradition der Währungsstabilität der Bundesbank verpflichtet fühle. Der frühere CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hatte Draghi während der Euro-Schuldenkrise 2012 mit einer verbalen Breitseite sogar als "Falschmünzer" tituliert.