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Serie Mittelstand: Auch auf dem Erfolgsweg muss man wachsam bleiben

Der deutsche Mittelstand treibt international die Innovation voran. In einer DWN-Serie stellen wir einige Strategien vor, warum die deutschen Unternehmen weltweit so erfolgreich sind.
22.06.2017 14:50
Lesezeit: 3 min

Seit Jahren produziert die im Folgenden „Kegrad“ genannte Firma Kegelräder und Getriebe für Hersteller von Robotern, Maschinen und Elektromotoren. 80 Millionen Euro verdient das Unternehmen damit im Jahr. Der von zwei Familienstämmen geführte Betrieb agiert langfristig. Er konzentriert sich auf seine Kernkompetenzen, pflegt seinen Baukasten samt seiner Innovationen und will auch beim Auslandsgeschäft nichts überstürzen. Eine offene Kultur und Bodenständigkeit werden im 450 Mann starken Betrieb hochgehalten. Gemeinsam mit wenigen deutschen Getriebeherstellern bestimmt man den Weltmarkt. Doch dann gerät „Kegrad“ unter Zugzwang. Die Entwicklung der Konkurrenz in China stellt den Betrieb vor eine „Alles-oder-nichts-Entscheidung“.

„Kegrad“ hat über „die vielen Jahre hinweg der Versuchung widerstanden, in der Pyramide der Lieferanten aufzusteigen, die sogenannte 'Eisschicht' zu durchbrechen, selbst Antriebe herzustellen und damit in Konkurrenz zu den eigenen Antriebskunden zu treten“, beschreiben Heiner Kübler und Carl A. Siebel in ihrem Buch „Mittelstand ist eine Haltung: Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“ die solide Basis des Mittelständlers. Andere Getriebehersteller hätten das getan und dadurch schnelle kurzfristige Umsatzsteigerungen erzielt – aber eben auch nur das. Stattdessen setzte man im Badischen auf seine tradierten Wettbewerbsvorteile: die Stärke des Services und die Präzision der Kegelräder. Außerdem bot man preiswertere Produkte sowie eine attraktive Produktpalette an. Über die Jahre war „ein ausgeklügeltes Baukastensystem aus günstigen Standard- und Variantengetrieben und spezialisierten Sondergetrieben“ entstanden.

Hohe Ingenieurskunst und ein sehr gutes Marktverständnis hatten „Kegrad“ also auf solide Füße gestellt. Ohne externe Marktforschung, allein durch das langjährige Verstehen des Marktes, konnten 80 Prozent der Kundenwünsche problemlos abgedeckt und die Konkurrenz im eigenen Land abgehängt werden. Die Geschäfte funktionierten reibungslos. Die Belegschaft stand geschlossen hinter dem Unternehmen. Aber: „Weiteres Wachstum war dauerhaft nur möglich, wenn man sich aus dem deutschsprachigen Raum herausbewegte“, so die Autoren. Die USA, aber vor allem China waren wichtige Wachstumsmärkte. Zwar hatte man diese schon länger im Blick, agierte bislang aber eher reaktiv und unstrukturiert. Einen entschlossenen Expansionsschritt gab es nicht – bis der Handlungsdruck deutlich stieg. „Ein chinesischer Geschäftspartner hatte berichtet, dass ein größeres chinesisches Unternehmen mit Unterstützung durch deutsche Maschinenhersteller anfinge, Kegelradgetriebe zu produzieren“, schreiben Kübler und Siebel. Noch war die Performance mäßig, doch die Gefahr, dass sich der Konkurrent nicht nur weiterentwickeln, sondern auch nach Deutschland liefern würde, war real und nicht zu ignorieren.

Der Kampf gegen den chinesischen Wettbewerber war für „Kegrad“ eine völlig neue Situation. „Würde der Aufstieg in China misslingen, wäre der jahrzehntelange Erfolgsweg weltweit in Gefahr.“ Nichtstun war keine Option. „Man stand vor einer Alles-oder-nichts-Entscheidung“ – und das möglichst schnell. Unterstützt durch einen externen Berater und mit viel Mut zu einer offenen Kommunikation wurde das Thema angegangen. Zunächst galt es, die vorhandene Vertriebsstruktur in China umzubauen, sich von chinesischen Partnern zu trennen und den Vertrieb in China selbst in die Hand zu nehmen. Parallel musste die Montage ausgebaut werden. Und letztlich kam die Geschäftsführung nicht umhin, sich persönlich vor Ort zu engagieren. Die in Europa geschätzten Stärken zahlten sich auch in Asien aus. Binnen zwei Jahren stieg der Umsatz auf acht Millionen Euro. „Kegrad“ konnte in China „eine relevante Marktposition“ aufbauen. Der chinesische Wettbewerber kam hingegen nicht auf das notwendige Qualitätsniveau und stellte später die Produktion von Kegelrädern ein. Auch die deutsche Konkurrenz konnte dem wenig entgegensetzen. Das Ergebnis: „Kegrad wurde die Nummer eins im Weltmarkt für Kegelradgetriebe und baut die Marktposition in Europa, China und den USA stetig aus.“

Nach Ansicht der Autoren kann man aus dem „Fall Kegrad“ gleich mehrere Dinge lernen. Unternehmen sollten eine klare Strategie entwickeln und diese konsequent, aber bodenständig verfolgen. Dabei sei es immens wichtig, den eigenen Baukasten sorgsam zu hüten und eben nicht zu „zerschießen“. Einen Weltmarkt vom DACH-Gebiet aus zu erobern funktioniere nicht. Der Fokus muss auf internationalem Wachstum liegen. Das gelingt jedoch nur mit einem sehr guten Führungsteam und einer eingeschworenen Mannschaft, die in große Veränderungen eingebunden wird.

Ihr Fazit: „Bleiben Sie selbst auf dem Erfolgsweg wach, um Störungen zu vermeiden und Angriffe erwidern zu können. Hinterfragen Sie sich und Ihr Führungsteam selbstkritisch. (…) Nicht das, was modern ist, zählt, sondern das, was zu Ihrem eigenen Weg und zur Kultur des Unternehmens passt.“

***

Der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Vor allem viele Unternehmen, die außerhalb des Rampenlichts großer Konzerne agieren, prägen die Wirtschaft Deutschlands. Sie sind Impulsgeber, Wertebewahrer und Exportmeister. Zusammen mit Econ-Verlag werfen die Deutschen Wirtschafts Nachrichten in ihrer Reihe „Das bewegt den Mittelstand“ einen genauen Blick in die Welt der leisen Sieger.

Das Buch Mittelstand ist eine Haltung: Die stillen Treiber der deutschen Wirtschaft“ ist im September im Econ-Verlag erschienen. Die beiden Autoren Heiner Kübler und Carl A. Siebel schauen dabei hinter die Kulissen des Deutschen Mittelstandes. Erfolg und Misserfolg ist hier gleichermaßen zu finden. Entscheidend jedoch ist, wie die Mittelständler mit den Misserfolgen umgehen. Bestellen Sie das Buch bei Amazon.

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