Politik

USA erlauben Türkei Vormarsch in Nord-Syrien

Lesezeit: 3 min
22.06.2018 00:50
Ein Pentagon-Sprecher bestätigt, dass sich die USA mit der Türkei darauf geeinigt haben, türkische Truppen in die nordsyrische Stadt Manbidsch einmarschieren zu lassen.
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Die türkischen Streitkräfte haben am Montag einen Vormarsch in die syrische Stadt Manbidsch unternommen. Nach Angaben des englischsprachigen Diensts von Reuters sollen türkische Militärfahrzeuge in Abstimmung mit US-Militärfahrzeugen entlang einer Trennlinie mit Patrouillenfahrten begonnen haben. Anfang Juni haben die Türkei und die USA eine vorläufige Einigung getroffen, um monatelange Auseinandersetzungen über die Stadt zu beenden. Der Einigung zufolge sollen sich die Kurden-Milizen der YPG aus der Stadt zurückziehen, damit türkische und US-amerikanische Streitkräfte gemeinsam für die Sicherheit der Stadt sorgen. Der türkische Generalstab meldete am 18. Juni über den Kurznachrichtendienst Twitter: “Gemäß der zuvor vereinbarten Manbidsch-Roadmap und den Sicherheitsgrundsätzen haben am 18. Juni 2018 unabhängige Patrouillenaktivitäten von Soldaten der türkischen Streitkräfte und der US-Streitkräfte auf der Linie zwischen dem Gebiet der Operation Euphrats Shield und Manbidsch begonnen.”

Pentagon-Sprecher Adrian J.T. Rankine-Galloway bestätigt in einer Stellungnahme an die Deutschen Wirtschaftsnachrichten die Einigung zwischen Washington und Ankara: „In Übereinstimmung mit dem Manbidsch-Roadmap und den Sicherheitsgrundsätzen von Manbidsch begannen koordinierte unabhängige Patrouillenaktivitäten der türkischen und Koalitionskräfte (US-Truppen der Anti-ISIS-Koalition, Anm. d. Red.) am 18. Juni entlang der Demarkationslinie nördlich von Manbidsch. Beide Parteien planen weiterhin kombinierte Patrouillen mit der Verpflichtung, die Zusammenarbeit auf der Grundlage der Bedingungen vor Ort zu verstärken. Die koordinierten Patrouillen sind Teil der Verpflichtung für eine langfristige Sicherheit und Stabilität in Manbidsch und dem Engagement der USA für ihren NATO-Verbündeten Türkei. Die Patrouillen sind Teil des laufenden Prozesses zur Deeskalation der derzeitigen Spannungen entlang der Demarkationslinie zwischen dem Militärrat von Manbidsch (Kurden-Milizen, Anm. d. Red.) und der syrischen Opposition (Söldner der Freien Syrischen Armee, Anm. d. Red.) nördlich von Manbidsch.“

Zuvor hatte der Pentagon-Sprecher in einem Interview mit den Deutschen Wirtschaftsnachrichten gesagt: „Wir erkennen das Recht der Türkei an, ihre Grenze zu sichern. Wir arbeiten mit unserem NATO-Verbündeten Türkei zusammen, um die Spannungen an der türkisch-syrischen Grenze  deeskalieren zu lassen.“

Dem türkisch-syrischen Analysten Hüsnü Mahalli zufolge soll die Türkei den USA im Gegenzug für Manbidsch die Gebiete östliche des Euphrats zugebilligt haben. Dort befinden sich zwölf US-Stützpunkte. In einem Artikel der Zeitung Sözcü führt Mahalli aus, dass sich östlich des Euphrats 60.000 bis 80.000 PKK-Kämpfer befinden. Doch dies würde bedeuten, dass entlang eines Grenzabschnitts von 600 Kilometer jene PKK-Kämpfer in Zusammenarbeit mit den USA die neuen südlichen Nachbarn der Türkei werden.

Der US-amerikanische Top-Diplomat und ehemalige Botschafter im Aserbaidschan, Matthew Bryza, führt in einer Stellungnahme an die Deutschen Wirtschaftsnachrichten aus: “Ich weiß, dass die USA bereits am 24. August 2016, als die Operation Euphrates Shield begann, versprochen haben, alle YPG-Truppen östlich des Euphrats zu drängen. Der damalige Vizepräsident hatte diese Zusage gemacht. Ich weiß auch aus meinen persönlichen Gesprächen in Washington auf höchster Ebene, dass die US-Regierung sich verpflichtet hat, mit der Türkei, ihrem NATO-Verbündeten, zusammenzuarbeiten, um Ankaras legitime Sicherheitsbedenken in Bezug auf die YPG/PKK-Terrororganisation zu erfüllen -  während sie den endgültigen Sieg gegen ISIS/DAESCH sowohl in Syrien als auch im Irak sichern.”

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur SANA hat keinen Bericht über den Einmarsch der türkischen Truppen in Manbidsch veröffentlicht. In der Vergangenheit wurde jede Aktion der Türken in Nordsyrien von der Regierung in Damaskus kritisiert.

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu sagte dem türkischen Sender NTV, dass die türkischen Streitkräfte Schritt für Schritt die Kontrolle über die gesamte Fläche von Manbidsch übernehmen werden. Die Patrouillenfahrten seien der Beginn. “Manbidsch ist wichtig, um die Rückkehr der Syrer aus der Türkei zu ermöglichen. Es dient als Modell. Diese Gebiete gehören nicht der PKK oder der YPG (...) Wir haben keine Geheimpläne, sondern setzen dies für die Stabilität und die Sicherheit Syriens um. Wir arbeiten mit jeder Seite zusammen, die sich für die Sicherheit und Stabilität Syriens einsetzt. Mit den USA, aber auch mit Russland, gab es bei einigen Punkten Unstimmigkeiten. Die YPG/PKK wollte die USA und Russland für ihre Zwecke instrumentalisieren. Doch beide Seiten haben dies mittlerweile verstanden. Unsere Zusammenarbeit mit Russland und dem Iran verfolgt das Ziel, einen Waffenstillstand zwischen dem Regime und seinen Gegnern herbeizuführen, um eine politische Lösung zu finden. Die Türkei dient bei den Genfer Friedensgesprächen, bei den Gesprächen von Sotschi und bei den Friedensverhandlungen in Astana als ,Lokomotive’. Auch in Manbidsch hat die Türkei eine ,Lokomotiv-Funktion’.”

Çavuşoğlu fügte hinzu, dass die Kurden-Milizen entwaffnet werden müssen. “Trump und seine Freunde haben uns versprochen, dass sie die YPG/PKK entwaffnen werden. Wir wissen jedoch, dass nicht alle Waffen einkassiert werden können. Am Wichtigsten ist, dass die Kurden-Milizen in Manbidsch komplett entwaffnet werden. Wenn dann noch eine Entwaffnung östlich des Euphrats stattfindet, würde dies einer kompletten Umsetzung unserer Vereinbarung gleichkommen”, so der türkische Außenminister.

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