Der US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, sagt in einem Interview mit der Zeitung Al-Sharq Al-Awsat (eine saudische Zeitung mit Hauptsitz in London), das am 26. September 2018 veröffentlicht wurde, dass die Absetzung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad "kein Ziel der USA" sei. Er stellte jedoch fest, dass es ein Ziel der USA sei, die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen, und dass die USA wirtschaftlichen und diplomatischen Druck ausüben und nicht am Wiederaufbau Syriens oder an der "diplomatischen Anerkennung des Regimes" ohne einen unumkehrbaren politischen Prozess teilnehmen würde. Er betonte auch, dass eine Lösung in Syrien einen Verfassungsprozess und Wahlen beinhalten müsse, und bemerkte, dass es möglich sei, dass Assad von seinem Volk in einem Verfassungsprozess gestürzt würde, genau wie der ehemalige irakische Präsident Nouri Al-Maliki.
Jeffrey wörtlich: "Das Ziel meines Landes ist nicht Assad zu entfernen. Wir freuen uns, wenn er zurücktritt und seinen Rücktritt freiwillig erklärt. Aber das ist nicht unser Ziel. Unser Ziel ist ein anderes Syrien, das weder seine Bevölkerung noch Nachbarn bedroht, keine Chemiewaffen einsetzt, keine Flüchtlinge vertreibt und Menschen aus seinem Territorium verdrängt und dem Iran keine Plattform bietet, Raketen gegen Israel einzusetzen. Ein weiteres Ziel ist es, die Täter von Kriegsverbrechen zur Rechenschaft zu ziehen. Assads Schicksal wird von den Syrern bestimmt werden. Wenn Assad Syrien in diese Richtung führen kann, werden die Syrer dies möglicherweise berücksichtigen"
Beim Treffen der UN-Generalversammlung in New York haben Deutschland, Frankreich, das Vereinigte Königreich, die USA, Ägypten und Saudi-Arabien am 27. September 2018 eine gemeinsame Erklärung abgegeben.
Aus einer Mitteilung der Pressestelle des Vereinigten Königreichs geht hervor:
"Wir, die Außenminister Ägyptens, Frankreichs, Deutschlands, Jordaniens, des Königreichs Saudi-Arabien, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten von Amerika, haben die folgende Erklärung zur Unterstützung für die dringende Einberufung eines Verfassungsausschusses abgegeben, um die Bemühungen der UN zu beschleunigen, eine politische Lösung des Konflikts in Syrien auf der Grundlage der Resolution 2254 des UN-Sicherheitsrats zu erreichen (...) Es gibt keine militärische Lösung für den Krieg und keine Alternative zu einer politischen Lösung. Wir bekräftigen auf das Schärfste, dass diejenigen, die eine militärische Lösung anstreben, nur das Risiko einer gefährlichen Eskalation und eines weiteren Flächenbrands in der Region und darüber hinaus erhöhen können. Zu diesem Zweck fordern wir die Vereinten Nationen und das Büro des Sondergesandten für Syrien auf, so schnell wie möglich einen glaubwürdigen, alle Seiten einbeziehenden Verfassungsausschuss einzuberufen, der mit der Ausarbeitung einer neuen syrischen Verfassung und der Schaffung der Grundlagen für freie und faire, von der UN überwachte Wahlen in einer sicheren und neutralen Umgebung, in der alle teilnahmeberechtigten Syrer - einschließlich derjenigen in der Diaspora - ein Recht auf Teilnahme haben. Wir fordern den Sondergesandten der Vereinten Nationen für Syrien auf, dem Sicherheitsrat spätestens am 31. Oktober über seine Fortschritte Bericht zu erstatten."
Der vorgeschlagene Verfassungsausschuss soll eine neue Verfassung für Syrien ausarbeiten. Die geforderte Einbeziehung von Gruppierungen, die gegen die syrische Regierung sind, könnte den Staaten, die die Einberufung eines Verfassungsausschusses fordern, die Möglichkeit bieten, über ihre "Stellvertreter" im Syrien-Konflikt einen Einfluss auf die Ausarbeitung der neuen Verfassung auszuüben. Jene "oppositionellen Stellvertreter" fordern beispielsweise eine Dezentralisierung Syriens, was zu einer faktischen Aufteilung des Landes in Autonomiegebiete führen könnte, die gemäß dem Grundsatz der Selbstbestimmungsrecht der Völker zu einem späteren Zeitpunkt eine Abspaltung fordern würden, wie dies bereits zu Beginn der 1990er Jahre im ehemaligen Jugoslawien der Fall gewesen ist. Die Genehmigung von Autonomiegebieten würde Syrien nicht nur in ethnische und religiöse Blöcke spalten, sondern würde jenen Gebieten auch die Möglichkeit geben, ihre Sicherheit- und Energiepolitik selbst zu bestimmen. Bei der Vergabe von öffentlichen Energieprojekten an ausländische Firmen wäre nicht mehr die Zentralregierung in Damaskus zuständig.
Syriens aktuelle Verfassung
Gemäß der aktuellen Verfassung spielt der Präsident eine wichtige Rolle. Seine Amtszeit dauert sieben Jahre. Er ernennt die Mitglieder der Regierung und auch die Mitglieder des Verfassungsgerichts, wie dies auch in den USA der Fall ist. Er ist der Oberbefehlshaber der Armee, des nationalen Sicherheitsrats und aller Geheimdienste, berichtet die türkische Zeitung Aydınlık. Das Land wird zentral regiert. Das Parlament und er dürfen Gesetzesvorschläge einbringen. Seine Gesetzesvorschläge müssen mit einer Zweidrittelmehrheit vom Parlament gebilligt werden. Er darf Dekrete herausgeben, die jedoch nicht verfassungswidrig sein dürfen. Das Parlament, das über 250 Abgeordnete hat, müssen sich mindestens zur Hälfte aus Arbeitern und Bauernvertretern zusammensetzen. Die Wahl des Parlaments erfolgt alle vier Jahre. Das Parlament hat das Recht, den Präsidenten abzusetzen, um ihn bei schweren Verstößen gegen die Verfassung strafrechtlich verfolgen zu lassen. Die letzten syrischen Parlamentswahlen wurden am 7. Mai 2014 abgehalten. Die Nationale Fortschrittsfront stellt derzeit mit 168 Sitzen im syrischen Parlament die Regierung. Dazu gehören die Arabisch-Sozialistische Baath-Partei, die Syrische Kommunistische Partei (Yusuf Faisal-Gruppe), die Syrische Kommunistische Partei (Chalid Bektas), die Bewegung des Nationalen Pakts, die Arabische Sozialistische Bewegung, die Arabische Sozialistische Union, die Demokratisch-Sozialistische Unionspartei, die Arabisch-Demokratische Unionistenpartei und die Sozialistische Unionistenpartei.
Die Volksfront für Wandel und Freiheit, die sich aus der Syrischen Sozialen Nationalistischen Partei und der Partei des Volkswillens, hat fünf Sitze. Alle anderen unabhängigen Parteien, die sich nicht zu einem Parteienverbund zusammengeschlossen haben verfügen über 77 Sitze. Nicht zugelassen sind die Parteien der Muslimbruderschaft, die in Ägypten ihren Hauptsitz hat, die Demokratischen Partei Kurdistan-Syrien (PDKS), die ihren Hauptsitz im irakischen Arbil hat, und die Nationale Erlösungsfront, die in Belgien gegründet wurde und dort ihren Hauptsitz hat.