Die Verunsicherung vieler Italiener über den politischen Kurs der Regierung in Rom sorgt bei den Banken in der Schweiz für reges Treiben. Denn zahlreiche beunruhigte Bankkunden bringen einen Teil ihres Vermögens in den benachbarten "sicheren Hafen" - bevorzugt in den italienischsprachigen Kanton Tessin im Süden der Schweiz.
Zwar stellt sich die italienische Regierung hinter die Euro-Mitgliedschaft und hat versprochen, die Sparguthaben der Bürger nicht zu besteuern. Doch der heftige Schlagabtausch um das Staatsbudget des hoch verschuldeten Landes strapaziert die Nerven.
"Wir erhalten Informations-Anfragen wie man ein Konto eröffnet, wie man investiert und was Alternativen sind zu Euro-Anlagen oder italienischen Anleihen", sagt Franco Citterio, Direktor der Tessiner Bankiervereinigung. Dieses Phänomen hätten die Banken bereits bei früheren Krisen in Italien beobachtet. Sobald dort die Unsicherheit steige, fließe Geld verstärkt in die Schweiz. "Wir beobachten, dass die Menschen besorgt sind, was das italienische Bankensystem betrifft und mit Blick auf die öffentliche Verschuldung. Sie wollen wissen, was passiert und ihr Geld diversifiziert anlegen."
Auch Vermögensverwalter in der Region spüren ein verstärktes Interesse aus Italien. "Es gibt einige Kunden, die unruhig sind wegen der Situation in Italien. Einige haben angefangen, das Geld von Italien in die Schweiz zu bringen", berichtet Fabio Poma, Geschäftsführer beim Vermögensverwalter WMM Group. "Die beste Sicherheit, die man im Moment haben kann, ist, das Geld in ein anderes Land zu bringen. Die Leute haben die Möglichkeit in andere Währungen zu investieren. In Italien ist das etwas schwierig."
Und auch Holger Schmitz vom Vermögensverwalter Schmitz & Partner mit Sitz am Lago Maggiore berichtet von verstärkten Zuflüssen in die Region. "Seit Frühsommer haben viele Italiener Angst vor dem Austritt Italiens aus dem Euro." Bei der Einführung einer neuen Lira könnten sie Teile ihres Vermögens verlieren. "Das ist der Hintergrund, warum viele reiche Leute aus Norditalien die kurzen Wege genutzt haben, ihr Geld zu Schweizer Banken zu bringen und dann auch aus dem Euro in Schweizer Franken umzutauschen", sagt er.
Abzulesen ist das auch in der Statistik der Bank für Internationalen Zahlungsverkehr BIZ. Deren Daten reichen aktuell zwar nur bis Mitte 2018 zurück - als die neue italienische Regierung gerade angetreten war. Dennoch zeigen sie einen deutlichen Trend: Vom dritten Quartal 2017 bis Mitte 2018 sind die Vermögen und Kredite der Italiener bei Schweizer Banken um rund fünf Prozent gestiegen - auf nunmehr 13,7 Milliarden Dollar.
Die Angst der Italiener kommt nicht von ungefähr: Der Staat hat schon einmal versucht, mit Hilfe einer Abgabe auf Sparguthaben die öffentlichen Finanzen zu sanieren: 1992 hatte Italien quasi über Nacht eine Zwangssteuer auf italienische Bankkonten erhoben. Das hat Spuren hinterlassen: Ein Unternehmer aus Norditalien etwa hat im Oktober ein Konto bei einer Bank in Lugano eröffnet - um einen sicheren Ort für sein Vermögen von einer halben Million Euro zu haben. Denn seit dem Antritt der neuen Regierung in Rom sei er verunsichert. "Ich fühle mich nicht wohl dabei, all mein Geld hier zu parken. Ich will eine sichere Ausstiegsstrategie, wenn die Dinge schlimmer werden", sagt er.
Den Banken im Tessin sind solche Kunden willkommen. "Für uns ist das eine gute Gelegenheit", erklärt ein Manager eines Tessiner Instituts. Einige Geldhäuser hätten mit dem Ende des Bankgeheimnisses und dem Kampf gegen Steuerflüchtlinge 25 bis 30 Prozent ihrer Kunden verloren - und könnten nun einen Teil davon zurückgewinnen. "Jetzt ist das Geld transparent, es geht nicht mehr um Steuerhinterziehung."
Die Gelder, die nun zu Schweizer Banken fließen, stammen vor allem aus der oberen Mittelschicht Italiens. Für die großen Schweizer Vermögensverwalter und Privatbanken dürfte das kein nennenswertes Zusatzgeschäft bringen. "Das ist der Notgroschen der Zahnärzte und Lehrer", sagt eine mit der Situation vertraute Person. Millionäre und Milliardäre - die Hauptkundschaft der Schweizer Privatbanken - hätten ihr Geld ohnehin breit gestreut.