Politik

Macron mobilisiert 90.000 Polizisten: „Das ist ein Putsch-Versuch“

Die französische Regierung wappnet sich für massive Ausschreitungen am Samstag.
07.12.2018 01:04
Lesezeit: 3 min

Inhalt wird nicht angezeigt, da Sie keine externen Cookies akzeptiert haben. Ändern..

Frankreich rüstet sich mit einem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften gegen Gewalt und neue Ausschreitungen. Für Samstag würden rund 89 000 Polizisten und andere Ordnungskräfte mobilisiert, davon 8000 in Paris, sagte Premierminister Édouard Philippe am Donnerstagabend im TV-Sender TF1. Die Zahl ist deutlich höher als die 65 000, von denen zunächst die Rede gewesen war. Am Samstag soll es wieder Demonstrationen der "Gelben Westen" geben.

Französische Geheimdienste haben sich mit drastischen Warnungen beim Elysée-Palast gemeldet - der offiziellen Residenz von Präsident Macron. Es soll demnach "Aufrufe zum Töten" von Regierungsvertretern, Parlamentariern und der Polizei sowie die Aufforderung, sich zu bewaffnen, geben, berichtet der Figaro: "Das sind Putschisten. Wir befinden uns in einem Putschversuch", sagten Geheimdienstquellen dem Figaro.

"Das ist eine außergewöhnliche Mobilmachung", resümierte der Premier. Es solle in Paris auch etwa ein Dutzend gepanzerter Fahrzeuge der Gendarmerie eingesetzt werden. "Wir wollen nicht (....), dass die Republik, die Institutionen (und) die gemeinsame Sicherheit aufs Spiel gesetzt werden." Unterdessen breitet sich der Protest im Land auf weitere gesellschaftliche Gruppen aus.

Am vergangenen Wochenende lieferten sich Demonstranten bei Protesten in Paris der "Gelben Westen" Straßenschlachten mit der Polizei. Autos gingen in Flammen auf, Geschäfte wurden geplündert. Die Polizei nahm über 400 Menschen fest - ein Niveau, das in den vergangenen Jahrzehnten nicht erreicht wurde. Es ist mittlerweile das vierte Wochenende in Folge, an dem mit großen Aktionen im Land protestiert wird. Die "Gelben Westen" demonstrieren seit Mitte November gegen geplante Steuererhöhungen auf Benzin und Diesel - mittlerweile ist der Protest aber viel allgemeinerer Natur und richtet sich gegen die Regierung und Präsident Emmanuel Macron.

Seit Montag protestieren in ganz Frankreich auch Schüler und Studenten gegen Reformen im Bildungsbereich. Sie blockieren Bildungseinrichtungen. Auch hier ist die Lage angespannt. Bei Demonstrationen wurden am Donnerstag in der Nähe von Paris 146 Menschen festgenommen. Dabei handelte es sich vor allem um Schüler, die in der Nähe einer Schule in Mantes-la-Jolie protestiert hatten, wie die Polizei erklärte. Die Schüler hätten in dem Ort randaliert. Im ganzen Land wurden laut Nachrichtenagentur AFP mehr als 700 Schüler vorläufig festgenommen.

Premier Philippe erklärte im Senat, Innenminister Christophe Castaner rufe dazu auf, am Samstag nicht in Paris zu demonstrieren. Es sei nicht verboten, zu demonstrieren - allerdings würden so Demonstranten nicht die Falle von Schlägern geraten.

Die Krise wirkt sich auch auf den Tourismus aus, der ein wichtiges wirtschaftliches Standbein Frankreichs ist. Wegen der erwarteten Proteste wird das Wahrzeichen von Paris, der Eiffelturm, am Samstag für Besucher geschlossen bleiben. Auch die Oper und Museen wie der weltbekannte Louvre wollen nicht öffnen.

Frankreichs Präsident Macron war den Demonstranten am Mittwochabend ein Stück weiter entgegengekommen und hatte angekündigt, die geplanten Steuererhöhungen für Benzin und Diesel für das Jahr 2019 außer Kraft zu setzen. An diesen Erhöhungen hatte sich der Protest der "Gelben Westen" entzündet.

Mit öffentlichen Auftritten hielt sich der Präsident nach seiner Rückkehr vom G20-Gipfel in Argentinien aber zurück. Die Erklärungen für die Politik der Regierung lieferte stattdessen Premier Philippe vor der Nationalversammlung und dem Senat. Den Kurswechsel bei den Steuererhöhungen kündigte Umweltminister François de Rugy während einer Livesendung im Fernsehen an.

Wenn der Bildungsminister nicht bald eine starke Antwort gebe, werde es Todesfälle geben, sagte der Präsident der Nationalen Schülerunion, Louis Boyard, dem Sender BFMTV. Er fürchte bei den Protesten Gewalt - und rief gleichzeitig zur Ruhe auf.

Einige Bereiche der Pariser Universität Sorbonne blieben am Donnerstag geschlossen, wie die Hochschule mitteilte. Medienberichten zufolge hatten zuvor mehrere Menschen versucht, Teile der Universität zu besetzen.

Für kommende Woche haben die Landwirte Proteste angekündigt. Ein Grund für die Wut der Bauern sei "Agri-Bashing" - also pauschale Angriffe auf den Berufsstand der Bauern, hieß es von der Bauerngewerkschaft. Die Bauern fühlten sich "gedemütigt".

Unterdessen stellt sich die französische Hauptstadt auf weitere Krawalle ein. Rund um den Pariser Triumphbogen, wo es am vergangenen Wochenende vor allem zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen war, war Polizei im Einsatz. Die Zugänge zu dem weltberühmten Wahrzeichen waren gesperrt. Einzelne Läden auf der Prachtstraße Champs-Élysées wurden gesichert - ansonsten herrschte aber der übliche Besucherandrang auf dem Boulevard.

Mit Blick auf mögliche neue Ausschreitungen wurden auch mehrere Fußballspiele abgesagt. Dazu zählt die für Freitag geplante Partie zwischen AS Monaco und OGC Nizza. Das Spiel sei auf Ersuchen der Regierung des Fürstentums Monaco und der Präfektur des Departements Alpes-Maritimes abgesagt worden, teilte die Französische Fußball-Liga mit. Auch ein ursprünglich für Sonntag angesetztes Spiel zwischen AS Saint-Etienne und Olympique Marseille wurde verschoben.

Die Liga äußerte sich zunächst nicht weiter zu den Gründen. Laut AFP sollen die für die Spiele vorgesehenen Polizisten stattdessen bei den Demonstrationen der "Gelbwesten" eingesetzt werden. Wegen der Proteste waren auch das für Samstag geplante Topspiel zwischen Paris Saint-Germain (PSG) und dem HSC Montpellier sowie die Partie zwischen Toulouse und Lyon verschoben worden.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Unternehmen
Unternehmen Stellenanzeigen: Firmen verschenken Potenzial mit fehlender Familienfreundlichkeit
21.08.2025

Deutsche Unternehmen reden gern über Familienfreundlichkeit, doch in den Stellenanzeigen bleibt davon wenig übrig. Eine neue Analyse...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft US-Importzoll auf Autos aus EU soll rückwirkend sinken
21.08.2025

Washington senkt seine Importzölle auf Autos aus der EU – rückwirkend und überraschend deutlich. Für Europas Autobauer ist das zwar...

DWN
Panorama
Panorama Nord-Stream-Anschlag: Carabinieri verhaften Ukrainer wegen Sprengstoff-Operation
21.08.2025

Seit zwei Jahren ermittelt die Bundesanwaltschaft im Fall der gesprengten Nord-Stream-Pipelines. Nun gerät ein Ukrainer ins Visier, den...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Homeoffice auf Rezept? Ärztliches Attest bedeutet keinen Anspruch aufs Homeoffice – was zu beachten ist
21.08.2025

Ärztliche Homeoffice-Atteste liefern Hinweise, sind aber kein automatischer Freifahrtschein. Fehlen verbindliche Regeln und ein...

DWN
Politik
Politik Russland erklärt, in die Sicherheitsgarantien für die Ukraine „einbezogen“ werden zu wollen
21.08.2025

Russland will bei den Sicherheitsgarantien für die Ukraine mitreden – und verlangt ein Vetorecht. Experten warnen: Damit droht Moskau,...

DWN
Finanzen
Finanzen Millionen PayPal-Zugangsdaten im Umlauf – das sollten Nutzer jetzt tun
21.08.2025

Millionen PayPal-Zugangsdaten sollen im Darknet zum Verkauf stehen – zu einem erstaunlich niedrigen Preis. Ob es sich um aktuelle Daten...

DWN
Panorama
Panorama Streit um neue Praxisgebühr: Ärzte, Gewerkschaften und Politik in Alarmbereitschaft
21.08.2025

Die Forderung nach einer neuen Praxisgebühr entfacht heftige Debatten zwischen Arbeitgebern, Ärzten, Gewerkschaften und Politik. Während...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Südkorea folgt China in die Arktis: Fünfjahresplan für die nördliche Seeroute
21.08.2025

Südkorea will in die Arktis – mit einem Fünfjahresplan für die Nördliche Seeroute. Während China und Russland bereits Milliarden...