Politik

Kurden im Nordirak sollen Bundesstaat der Türkei werden

Lesezeit: 3 min
08.12.2018 21:59
Die Aufteilung der Türkei in Bundesstaaten soll dazu führen, dass die Kurden im Nordirak und Syrien als Bundesstaaten in eine "Türkisch-Kurdische-Föderation" übergehen.
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Hinter dem Gedanken, die Türkei im Rahmen eines Präsidialsystems in Bundesstaaten aufzuteilen, steckt der Gedanke einer angeblichen Einfluss-Erweiterung der Türkei. Seit geraumer Zeit wird in den türkischen Medien über eine "Türkisch-Kurdische-Föderation" unter der Einbeziehung des Nordirak diskutiert. Unklar bleibt, ob auch die Gebiete Nord- und Ostsyrien, die von der Kurden-Miliz YPG/PYD und den USA kontrolliert werden, zu einem späteren Zeitpunkt einbezogen werden sollen.

Die Zeitung Milliyet berichtet, dass dieser Gedanke ihren Ursprung in den USA hat. Im Jahr 1965 schlug die damalige US-Regierung der Türkei vor, ein föderales System zu gründen, um anschließend Gebiete der Kurden im Irak und im Iran einzuverleiben. Der Plan konnte damals nicht umgesetzt werden, da die Türkei Spannungen mit den Nachbarstaaten unterbinden wollte. Erst nach dem pro-amerikanischen Türkei-Putsch vom 12. September 1980 wurde das Thema erneut aufgegriffen. Der Putschisten-General sagte im Jahr 2007, dass die Türkei in ein föderales System übergehen müsse.

Derzeit hat der Nordirak einen autonomen Status. Ein autonomer Status für die Kurden in Syrien ist ebenfalls nicht unmöglich. Wenn in einer späteren Phase die Türkei in ein föderales System übergehen sollte, wäre es rechtlich möglich, dass sich die beiden autonomen kurdischen Gebiete in Syrien und im Nordirak in einer "Türkisch-Kurdischen-Föderation" zusammenfinden. Dazu müssten gemäß dem Völkerrechtsgrundsatz des Selbstbestimmungsrechts der Völker Referenden abgehalten werden. Aus US-amerikanischer Sicht hätte dies den Vorteil, dass mit den Kurden in Syrien und im Nordirak und der Türkei gleich drei US-Stellvertreter in der Region zusammenkommen würden. Aktuell ist der Nordirak wirtschaftlich vollständig von der Türkei abhängig.

Die Zeitung Yeniçağ titelt in einem Beitrag: "Der verdeckte Bundesstaat Kurdistan". In dem Beitrag wird ausgeführt, dass die Türkei und den Nordirak einerseits Ölgeschäfte und andererseits türkische Investitionen im Nordirak und der Handel zusammenhalten würden.

Dem türkischen Politikwissenschaftler Ahmet Yıldız zufolge wäre eine "Türkisch-Kurdische-Föderation jedoch eine Totgeburt, weil es von Anfang an einen Dualismus geben würde. Eine Einigung sei nur schwerlich zu erzielen, zumal die Kurden in Syrien und im Nordirak untereinander zerstritten sind. Der kurdische Nationalismus sei insbesondere aufgrund der Übergriffe von Saddam Hussein enorm angewachsen. Eine "Türkisch-Kurdische-Föderation" wäre äußerst anfällig für externe Einflüsse, zitiert Haber 7 den Wissenschaftler.

Kritik von Militärs

Dem türkischen Generalstabschef a.D. İlker Başbuğ zufolge zielt die Transformation der Türkei von einem parlamentarischen zu einem Präsidialsystem mit einer neuen Verfassung darauf ab, die Türkei territorial und politisch zu spalten. In einem Interview mit dem türkischen Journalisten Uğur Dündar führt er aus, dass ein funktionstüchtiges Präsidialsystem nur dann möglich wäre, wenn es eine klare Trennung zwischen der Exekutive, Legislative und Judikative geben würde. Dies sei im Hinblick auf die neue Verfassung der Türkei nicht der Fall, da die benötigten "Checks and Balances" fehlen. Der Verfassung von 1982 zufolge ist die Türkei ein "Einheitsstaat". Başbuğ wörtlich: "Seit dem Jahr 1984 kämpft die Türkei gegen einen ethnischen Nationalismus, der sich im Gewand einer separatistischen Organisation zeigt. Diese Terrororganisation möchte eine ,Zwischenlösung' in Form einer föderalen Struktur erzielen. Es wäre ein historischer und unverzeihlicher Fehler, wenn man übersehen würde, dass die Umfunktionierung der Türkei in eine föderales System nicht zu einer Spaltung des Landes führen. Wir sind Zeugen, wie der Irak gespalten wurde, und es mittlerweile Bestrebungen nach unabhängigen Staaten gibt. Niemand kann von denjenigen, die die Unteilbarkeit des Volks und des Landes über allen Dingen sehen, erwarten, dies einfach so hinzunehmen."

Das Argument, wonach das türkische Präsidialsystem dem US-amerikanischen Präsidialsystem gleichen werde, sei falsch. Die Zuständigkeiten des US-Präsidenten seien sehr eng gefasst, da die beiden Kammern (US-Senat und US-Repräsentantenhaus) einen Großteil der Zuständigkeiten ausüben würden. Der US-Präsident könne nicht nach Belieben walten und schalten, was jedoch im Rahmen der neuen türkischen Verfassung dem türkischen Präsidenten zugestanden wird.

Der ehemalige Chef der Aufklärungsabteilung der türkischen Marine, Soner Polat, führt in einem Artikel der Zeitung Aydınlık aus, dass die Schaffung von Bundesstaaten in der Türkei zwangsläufig zu einer Wiederholung des jugoslawischen Beispiels führen würde.

Die türkische Journalistin Banu Avar führte im Jahr 2012 in einem Interview mit dem Rechercheportal OdaTV aus: "Die einzelnen Schritte, die die Türkei in eine Föderation umfunktionieren sollen, sind bald abgeschlossen (...) Während wir darüber diskutieren, wird die Türkei als Einheitsstaat abgeschafft. Es wird ein Präsidialsystem mit Bundesstaaten und autonomen Gebiete geschaffen werden. Wir beobachten, dass hier mit dem Existenzrecht eines Volks gespielt wird. Die Regierung und die Opposition blasen alle ins selbe Horn. Ihnen geht es nur um den Macht- und Verteilungskampf."


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