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Der Abschwung erreicht die deutsche Automobilindustrie

Lesezeit: 6 min
12.04.2019 17:16
Der weltweite Konjunkturabschwung hat die deutsche Automobilindustrie erreicht. Seit dem zweiten Halbjahr 2018 gehen die Absätze zurück. Die Aussichten sind ebenfalls alles andere als positiv.

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Die deutsche Automobilindustrie steuert auf einen deutlichen Abschwung zu. So haben die deutschen Autobauer im März etwa 10 Prozent weniger Aufträge aus dem Inland erhalten als im Vorjahresmonat. Aus dem Ausland sind rund 8 Prozent weniger Bestellungen eingegangen, teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) Anfang April mit.

Für Bestellungen aus dem Ausland weist der Verband allerdings auch für das erste Quartal ein Minus von acht Prozent aus. Die Auftragseingänge geben der Branche einen wichtigen Ausblick auf die weitere Entwicklung. Insgesamt wurden im ersten Quartal dieses Jahres 880.200 Pkw neu zugelassen, etwa so viele wie im gleichen Zeitraum 2018. Im März lag die Zahl mit 345.600 Pkw um 1 Prozent unter dem Wert aus dem Vorjahresmonat.

Die deutschen Autobauer und Zulieferer hatten bereits im Laufe des vergangenen Jahres deutliche Produktionsrückgänge verzeichnet. Wie das Statistische Bundesamt am Dienstag mitteilte, lag die Produktion von Kraftwagen und Kraftwagenteilen im zweiten Halbjahr 2018 kalender- und saisonbereinigt um 7,1 Prozent niedriger als im ersten Halbjahr. Zum Vergleich: Im gesamten Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland ging die Produktion im selben Zeitraum um 2,0 Prozent zurück.

BMW hat im ersten Quartal weniger Automobile ausgeliefert als im Vorjahresquartal, erwartet auf Sicht des ganzen Jahres aber eine leichte Absatzsteigerung, wie ein Sprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagte:

„Die BMW Group hat in den ersten beiden Monaten des Jahres 341.977 Automobile ausgeliefert, was einem leichten Rückgang gegenüber dem Vorjahreszeitraum entspricht. Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die gesamte Automobilindustrie sind nach wie vor volatil und herausfordernd. Die BMW Group stellt jedoch unverändert ein profitables Wachstum in den Mittelpunkt und strebt im laufenden Jahr einen leichten Anstieg des globalen Absatzes im niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbereich an. In Deutschland erwarten wir im Jahr 2019 ein leichtes Absatzwachstum, wobei unsere neuen X-Modelle unsere Hauptwachstumstreiber sind. Für Europa erwartet die BMW Group im Jahr 2019 ebenfalls ein leichtes Absatzwachstum."

Das Münchener Unternehmen wollte sich nicht zur Frage äußern, ob es die Aufträge an seine Zulieferer in letzter Zeit reduziert hat oder nicht.

Auch Daimler hat mit seiner Marke Mercedes-Benz zu Beginn des Jahres einen Absatzrückgang verzeichnet.

„Wir freuen uns, dass Mercedes-Benz sowohl im Februar als auch seit Jahresbeginn weiterhin die führende Premium-Automobilmarke weltweit ist. In den ersten zwei Monaten des Jahres hat Mercedes-Benz weltweit 333.229 Pkw ausgeliefert, was einem Minus von 6,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum entspricht“, sagte ein Sprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten.

Rückgänge bei den Aufträgen im Geschäft mit den Zulieferern gibt es Daimler zufolge derzeit nicht. „Basierend auf den aktuellen Prognosen und dem Hochlauf der Elektromobilität wird der Ausbau des Lieferantennetzwerks weiter vorangetrieben”, sagte der Sprecher.

Daimler schließt aus, dass es in den kommenden zehn Jahren zu betriebsbedingten Kündigungen kommen wird. Allerdings werde die Hinwendung zur Elektromobilität die Mitarbeiterstruktur verändern und die Anzahl der Produktionsprozesse verringern:

„Unsere Industrie steht vor einem Wandel hin zur Elektromobilität und wir sehen diesen Wandel als Chance. Verbrennungsmotoren, Plug-in-Hybrid-Antriebe sowie reine Elektrofahrzeuge werden aber noch über viele Jahre nebeneinander existieren. Die Parallelentwicklung der verschiedenen Technologien bedeutet für die nächsten Jahre einen höheren Aufwand für uns. Zudem bieten neue Technologien auch Chancen auf neue Jobs in zusätzlichen Geschäftsfeldern oder mit neuen Geschäftsmodellen. Natürlich wird der Wandel zur Elektromobilität Aufgaben und Beschäftigungsprofile verändern und verschieben. Aus heutiger Sicht wird es in der reinen Wertschöpfungskette von batterieelektrischen Fahrzeugen eine geringere Anzahl von Produktionsschritten geben. Wir verfolgen generell eine Wachstumsstrategie mit steigendem Absatz, die bei gleichzeitigen Effizienzgewinnen Arbeit und Beschäftigung sichert. Die Beschäftigung bei Daimler ist sicher. Im Rahmen der geplanten Neuaufstellung „Projekt Zukunft“ haben sich Konzernleitung und Betriebsrat auf eine Verlängerung der Zukunftssicherung bis Ende 2029 verständigt. Bis dahin sind betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen. Die Regelung greift zum Start in der neuen Struktur voraussichtlich ab Herbst 2019.“

Volkswagen und seine Konzerntochter Audi haben im März weniger Autos verkauft als im Vorjahresmonat. Während bei VW der Absatz um 7,2 Prozent auf 542.700 Fahrzeuge zurückging, schrumpfte er bei den Ingolstädtern um 0,5 Prozent auf rund 182.750 Autos, wie die Konzerne am Dienstag mitteilten. Im ersten Quartal ging die Zahl der verkauften VW-Fahrzeuge um 4,5 Prozent auf insgesamt 1.456.400 Fahrzeuge zurück. In dem ebenfalls rückläufigen weltweiten Gesamtmarkt habe die Marke aber ihren Marktanteil leicht ausgebaut.

Der Absatz in der Periode Januar bis Februar im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2018 in Deutschland um 3,1 Prozent und in ganz Europa um 0,6 Prozent zurückgegangen, wie ein Sprecher den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagte.

„Der Start ins Jahr 2019 ist ordentlich verlaufen. Bei den Auslieferungszahlen liegen wir allerdings erwartungsgemäß leicht unter dem Vorjahr. Im bisherigen Jahresverlauf entwickelt sich die Marke Volkswagen besser als der Gesamtmarkt. Wir gewinnen weiter Marktanteile. Also ein durchaus solider Start ins Jahr. Und wir sind zuversichtlich, dass wir im zweiten Halbjahr wieder aufholen und insgesamt auf Vorjahresniveau kommen. Diese Zuversicht basiert nicht zuletzt auf unserem hohen Auftragsbestand.”

Der Februar stach allerdings positiv hervor.

„In Europa hat die Marke Volkswagen im Februar 130.900 Fahrzeuge ausgeliefert, das sind 1,8 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Auch Westeuropa zeigte ein starkes Bild im Berichtsmonat. Insgesamt lieferte Volkswagen hier 110.600 Fahrzeuge aus, das entspricht einem Plus von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch in ihrem Heimatmarkt Deutschland schloss die Marke Volkswagen den Februar mit einem Plus ab und wuchs dabei stärker als der Gesamtmarkt: 42.300 neue Volkswagen gingen in Kundenhand über, das waren 3,4 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Hier taten sich die Tiguan-Familie mit 5.700 Auslieferungen, der Polo mit 5.400 Auslieferungen sowie der neue T-Roc mit über 4.500 Auslieferungen positiv hervor.“

Die schwächere Autonachfrage in China hat den Absatz des Volkswagen-Konzerns im März allerdings wieder schrumpfen lassen. Im vergangenen Monat seien weltweit 998.900 Pkw und Nutzfahrzeuge ausgeliefert worden und damit 4,3 Prozent weniger als im Vorjahresmonat, teilte Volkswagen am Freitag mit. Leichte Zuwächse in Europa und Nordamerika hätten die Rückgänge um rund zehn Prozent in Asien und Südamerika nicht ausgleichen können. Am wichtigsten Markt China verkaufte der Dax-Konzern 9,4 Prozent weniger Fahrzeuge, wobei vor allem die Kernmarke Volkswagen und die Sportwagenschmiede Porsche schwach abschnitten. Im ersten Quartal lag der Konzernabsatz mit 2,6 Millionen Fahrzeugen knapp drei Prozent unter Vorjahr.

VW hat laut eigener Aussage bislang nicht damit begonnen, die Aufträge für seine Zulieferer zurückzufahren.

Engpässe beim neuen Abgasmessverfahren WLTP haben den Absatz des Sportwagenbauers Porsche im ersten Quartal belastet. Die VW-Tochter lieferte mit 55.700 Fahrzeugen zwölf Prozent weniger aus als im Vorjahreszeitraum. Neben WLTP bremsten demnach auch Generationswechsel beim Sportwagen 911 und beim SUV Macan. Auch der wichtigste Markt China blieb mit minus zehn Prozent im Rückwärtsgang. Ursache sei die konjunkturelle Abschwächung und Kaufzurückhaltung der Kunden vor einer Mehrwertsteuersenkung im April, teilte Porsche weiter mit. Die Schwaben halten dennoch an der Jahresprognose eines leichten Absatzanstiegs fest.

Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer schätzt die mittelfristigen Aussichten für die deutsche Automobilwirtschaft negativ ein, wie er den Deutschen Wirtschaftsnachrichten sagte:

„Wir haben weltweit derzeit ein Konjunkturproblem. (…) Von daher wird dieses Jahr und nächstes Jahr von der Konjunkturseite nicht einfach und wir laufen in Überkapazitäten. Das macht dünne Margen bzw. Verluste. Mittelfristig gehen wir davon aus, dass der Welt-Pkw-Markt seinen Wachstumskurs fortsetzt.

Allerdings kommen zu dem konjunkturellen Problem noch ein großes, deutlich wichtigeres Strukturproblem: Der Übergang in die Elektromobilität. Umwälzungen und Änderungen hat es in der Autoindustrie immer gegeben – doch nie zuvor war die Strukturverschiebung so schwer wie heute. Damit sind die Unternehmen – alle Unternehmen weltweit – vor zwei großen Herausforderungen. Zusätzlich braucht man Mittel für die Digitalisierung der Werke - Industrie 4.0 – und muss weiter zusätzlich in autonome Fahrzeugentwicklungen setzen. Es ist die Zeit der Kooperationen. Daher glaube ich, dass Kooperationspartner, die schnell den Wandel angehen – zu den Gewinnern gehören und all jene die zögerlich sind langfristig ihr Leben aufs Spiel setzen.“

Langfristig sind die drei großen deutschen Autobauer aus Sicht von Dudenhöffer aber gut auf die Herausforderungen vorbereitet:

„BMW und Daimler arbeiten in wichtigen Themen zusammen: Mobilitätsdienstleistungen und autonomes Fahren. Das sind gute Voraussetzungen, die hohen Investments der Zukunft zu schultern. Bei VW treibt man mit hoher Energie und Geschwindigkeit das Elektroauto voran. Das ist richtig und gut. Allerdings ist man mit Kooperationspartnern noch nicht so weit, dass man Verträge hat. Also Vor und Nachteile: In Summe rüsten sich nach meiner Einschätzung die drei deutschen Autobauer gut für die Zukunft. Also alle drei haben gute Chancen, Gewinner beim Wandel zu werden. Schwer wird es für Toyota, Honda, aber auch Peugeot-Citroen und FiatChrysler und Ford. Weltweit sind diese Unternehmen nach meiner Einschätzung am schlechtesten auf die Zukunft vorbereitet.“

Der Abschwung im Automobilsektor zeichnete sich bereits Ende des Jahres bei wichtigen Zulieferbetrieben ab.

„Es ist offensichtlich, dass der Abschwung in China begonnen hat. Im vergangenen Herbst gab es auf Jahressicht einen Rückgang der Autoverkäufe, zum ersten Mal seit langer Zeit. (…) Noch in den ersten neun Monaten des Vorjahres hatten wir so viele Aufträge, dass wir nicht alle bearbeiten konnten. Im vierten Quartal 2018 gab es dann einen deutlichen Abschwung, weswegen wir das Produktionstempo im November und Dezember zurückgefahren haben. Der gegenwärtige Abschwung betrifft nicht vor allem unsere Abteilung für Schmiedeteile. Monetär berechnet liegen unsere Verkäufe dieses Jahr auf dem Niveau des Vorjahres, aber der Produktionsumfang fällt etwa 5 Prozent geringer aus“, zitiert die Zeitung Finance aus Slowenien den heimischen Zulieferbetrieb Unior – einen wichtigen Kunden der deutschen Automobilindustrie.

Auch die Industriegruppe Kolektor – ebenfalls ein wichtiger Zulieferer der deutschen Autoindustrie – erkennt eine Eintrübung der Geschäftslage:

„Der Trend negative Trend, welcher Ende des vergangenen Jahres begann, setzte sich im laufenden Jahr fort. Die wirtschaftliche Situation der Welt wird schwieriger, insbesondere auch in jenen Ländern, in die Kolektor viel exportiert. Das Geschäftsklima hat sich insbesondere stark in der Automobilindustrie eingetrübt, für welche die Indizes auf eine geringere Produktion hinweisen. Für das erste Quartal erwarten wir in unserer Sparte ‚Components and mobility systems‘ einen Rückgang der Verkäufe um 15 Prozent. Wir erwarten, dass sich dieser Trend aber umkehrt und wir das Jahr nach unseren Plänen abschließen können. Trotzdem bereiten wir einige Anpassungen vor. Die Erfahrung vergangener Jahre zeigt, dass Kolektor aufgrund seiner Position in der Lieferkette Abschwünge frühzeitig erkennen kann“, zitiert Finance einen Sprecher des Unternehmens.


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