Griechenland will die drei größten Flüchtlingslager auf den Inseln Lesbos, Chios und Samos schließen. Die deutlich überfüllten Lager sollten durch neue Einrichtungen mit Aufnahmekapazitäten von je mindestens 5000 Menschen ersetzt werden, teilte die griechische Regierung am Mittwoch mit. Bei den neuen Einrichtungen soll es sich demnach um geschlossene Lager handeln.
Mehr als 1350 Migranten sind in den vergangenen Tagen auf den griechischen Ägäis-Inseln angekommen. Die griechische Küstenwache rettete nach eigenen Angaben zwischen Freitag und Montagvormittag 658 Menschen aus Seenot. 730 weitere Migranten erreichten die Inseln aus eigener Kraft. Im Hafen von Piräus auf dem griechischen Festland kamen am Montag 179 Asylbewerber an, die anschließend auf Unterkünfte verteilt wurden, berichtet AFP.
Um die überfüllten Flüchtlingslager auf den Inseln zu entlasten, hatte die griechische Regierung Anfang Oktober die schrittweise Überführung von 20.000 Menschen auf das Festland bis Ende Dezember angekündigt. Auf den Inseln warten derzeit mehr als 32.000 Asylbewerber unter katastrophalen Bedingungen auf ihre Registrierung. Nach Angaben der Organisation Ärzte ohne Grenzen vom Samstag kam ein neun Monate altes Baby durch Dehydrierung im Lager Moria ums Leben gekommen.
Auf dem griechischen Festland rief die Überführung von Flüchtlingen zuletzt jedoch Widerstände in der Bevölkerung hervor. Mehrere Städte und Dörfer hatten Demonstrationen gegen Einwanderung organisiert.
Griechenland sieht sich von der Europäische Union mit dem Problem alleine gelassen. Der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat die EU scharf dafür kritisiert, immer noch keine nachhaltige Lösung für die Verteilung von Flüchtlingen gefunden zu haben. "Europa betrachtet Ankunftsländer wie Griechenland als bequeme Parkplätze für Flüchtlinge und Migranten", sagte Mitsotakis dem Handelsblatt vom Dienstag. "Ich werde das nicht länger hinnehmen." Kein EU-Land könne die Vorteile des Schengenraums in Anspruch nehmen und sich zugleich weigern, die Lasten zu teilen, "wie es einige osteuropäische Länder tun".
Seit dem Sommer steigt die Zahl der in Griechenland ankommenden Flüchtlinge wieder. In diesem Jahr waren es nach Daten des UN-Flüchtlingshilfswerks bereits fast 60.000. Das ist noch weit von den Zahlen aus dem Jahr 2015 entfernt, setzt die Regierung in Athen aber unter Druck.
Mitsotakis lobte die Vorschläge des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) zur Reform des Dublin-Asylsystems. "Die EU muss die Vorschläge von Bundesinnenminister Horst Seehofer für eine Reform des Dublin-Asylsystems vorantreiben. Wir brauchen eine einheitliche europäische Asylpolitik."
Seehofer will bei einer Reform der europäischen Migrationspolitik schärfer gegen eine unerlaubte Weiterreise innerhalb Europas vorgehen. In einem Eckpunktepapier des Bundesinnenministeriums heißt es unter anderem, die Vorprüfung von Asylanträgen an den Außengrenzen solle "verpflichtend" vorgesehen werden.
Mitsotakis kritisierte die Haltung der türkischen Regierung in der Flüchtlingsfrage scharf. Es sei offensichtlich, dass die Türkei versuche, "die Migration als Hebel einzusetzen, um Europa unter Druck zu setzen und Konzessionen zu erreichen", sagte der Parteichef der konservativen Nea Dimokratia. Er habe Präsident Recep Tayyip Erdogan "ganz offen gesagt, dass er nicht Migranten und Flüchtlinge als Instrumente missbrauchen kann, wenn er gutnachbarliche Beziehungen mit Griechenland haben möchte".