Technologie

Corona-Krise zeigt die Macht von Chinas Überwachungs-Technologie

Im Kampf gegen die Corona-Krise weitet China die technologische Überwachung und Kontrolle seiner Bürger massiv aus. Auch wenn die Chinesen es längst gewohnt sind, auf Schritt und Tritt überwacht zu werden, sind sie schockiert über die zunehmende Macht der künstlichen Intelligenz.
23.02.2020 14:25
Lesezeit: 3 min
Corona-Krise zeigt die Macht von Chinas Überwachungs-Technologie
China, Shenyang: Ein Temperaturerfasser kontrolliert den Eingang zu einer Fabrik der "Northern Heavy Industry Group". (Foto: dpa) Foto: Yang Qing

Die chinesische Regierung hat das weltweit beste elektronische Überwachungssystem zur Kontrolle seiner Bürger. Dies ist längst bekannt und die Chinesen sind sich dessen durchaus bewusst. Doch nun, seit das Corona-Virus im Land ausgebrochen ist, zeigt sich, wie weit die Technologie fortgeschritten ist. Denn die Krise liefert den Behörden nun eine Rechfertigung, weitreichende Maßnahmen zur Kontrolle der Bürger im großen Stil einzusetzen.

Wie effektiv die chinesische Überwachung funktioniert, zeigt der Fall eines Mannes aus Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang. Als er von einer Geschäftsreise nach Hause kam, wurde er von der örtlichen Polizei kontaktiert. Denn Überwachungskameras hatten das Nummernschild seines Autos im nahe gelegenen Wenzhou aufgezeichnet. Dort hat es eine Reihe von Coronavirus-Fällen gegeben, auch wenn es weit vom Epizentrum des Ausbruchs entfernt liegt. Die Polizei forderte ihn daher auf, zwei Wochen lang im Haus zu bleiben.

Schon diese effektive Überwachung war erstaunlich, doch es sollte noch heftiger werden. Nach etwa zwölf Tagen langweilte sich der Mann und verließ trotz Hausarrest seine Wohnung. In der Folge nahm nicht nur die Polizei den Kontakt mit ihm auf, sondern auch sein Chef. Denn der Mann war in der Nähe des Hangzhouer Westsees von einer Kamera mit Gesichtserkennungstechnologie erkannt worden, und die Behörden hatten seine Firma als Warnung alarmiert.

"Ich war ein wenig schockiert über die Fähigkeiten und Effizienz des Massenüberwachungsnetzes", zitiert Reuters den Mann, der aus Angst vor Auswirkungen nicht namentlich genannt werden will. Im Grunde könnten die Behörden die Menschen jederzeit und an jeden Ort verfolgen.

Die Unternehmen für künstliche Intelligenz und Sicherheitskameras rühmen sich damit, dass ihre Systeme selbst Menschen mit geringem Fieber auffinden können. Die Kameras können die Menschen offenbar auch dann identifizieren und an die Behörden melden, wenn ihre Gesichter mit Masken bedeckt sind. Wenn eine Person einen Zug besteigt, kann das Echtnahmen-System der Bahn sogar eine Liste aller in der Nähe sitzenden Personen liefern.

Handy-Apps können den Benutzern sagen, ob sie in einem Flugzeug oder Zug mit einem bekannten Träger des Virus gesessen haben, und ihnen die Standorte von Gebäuden zeigen, wo infizierte Personen leben. Obwohl es in den sozialen Medien auch Kritik an der Überwachung gegeben hat, scheinen die meisten Chinesen dies im Kampf gegen das Virus zu akzeptieren. "Unter den gegebenen Umständen werden sie dies wahrscheinlich für vernünftig halten, auch wenn sie nicht speziell darüber informiert werden", sagte Carolyn Bigg, Partnerin der Anwaltskanzlei DLA Piper in Hongkong.

Die Telekommunikationsunternehmen verfolgen seit Langem die Standort-Bewegungen ihrer Nutzer. China Mobile hat diese Woche für diesen Dienst geworben und schickte den Einwohnern von Peking eine SMS, in der sie ihnen mitteilte, dass das Unternehmen überprüfen kann, wo sie in den letzten 30 Tagen gewesen sind. Es wurde nicht erklärt, warum die Nutzer dies möglicherweise wissen sollten, aber es könnte für sie sogar von Nutzen sein, wenn sie von den Behörden oder ihren Arbeitgebern zu ihren Reisen befragt werden.

"In der Ära von Big Data und des Internets ist der Fluss jeder Person deutlich zu erkennen. Das ist heute anders als zu Zeiten von SARS", sagte der Epidemiologe Li Lanjuan letzte Woche in einem Interview mit Chinas staatlichem Fernsehsender CCTV. Die SARS-Pandemie in den Jahren 2002 und 2003 tötete weltweit knapp 800 Menschen. "Mit solchen neuen Technologien sollten wir sie in vollem Umfang nutzen, um die Infektionsquelle zu finden und die Infektionsquelle einzudämmen", so der Epidemien-Forscher.

Chinas Industrieministerium hat diese Woche eine Mitteilung an Unternehmen und Forschungsinstitute geschickt, die im Bereich künstliche Intelligenz (KI) tätig sind. Darin werden sie aufgefordert, bei der Bekämpfung des Ausbruchs zu helfen. Die Unternehmen haben mit einer Flut von Ankündigungen reagiert, in denen sie die Fähigkeiten ihrer Technologie anpreisen.

Die Gesichtserkennungsfirma Megvii sagte am Dienstag, sie habe mit Unterstützung des Industrie- und Wissenschaftsministeriums eine neue Methode entwickelt, um Menschen mit Fieber zu erkennen und zu identifizieren. Ihr neues "KI-Temperaturmesssystem", das die Temperatur mit Wärmekameras erfasst und Körper- und Gesichtsdaten zur Identifizierung von Personen nutzt, wird bereits in einem Pekinger Bezirk getestet.

SenseTime, eine weitere führende KI-Firma, sagte, dass sie ein ähnliches System für den Einsatz an Gebäudeeingängen gebaut hat, das selbst maskierte Personen identifizieren kann und auf diese Weise eine Schwäche der bisherigen Technologie überwindet. Die Überwachungskamera-Firma Zhejiang Dahua sagt, dass sie Fieber mit Infrarotkameras mit einer Genauigkeit von 0,3 Grad Celsius erkennen kann.

In einem Interview mit der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua erklärte Zhu Jiansheng von der chinesischen Akademie der Eisenbahnwissenschaften, wie die Technologie den Behörden helfen kann, Menschen zu finden, die auf einer Zugreise in Kontakt mit einem bestätigten oder vermuteten Coronavirus-Fall waren.

"Wir werden relevante Informationen über den Fahrgast abrufen, einschließlich der Zugnummer, der Waggonnummer und Informationen über Fahrgäste, die sich in der Nähe der Person aufhielten, etwa Personen, die in drei Sitzreihen davor und dahinter saßen", sagte er. "Wir werden die Informationen extrahieren und sie dann den zuständigen Abteilungen für Epidemieprävention zur Verfügung stellen".

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Neues Werk für NATO-Kampfjet: Rheinmetall startet Produktion in NRW
01.07.2025

Der Rüstungskonzern Rheinmetall hat in Weeze (Nordrhein-Westfalen) eine hochmoderne Fertigungsanlage für Bauteile des Tarnkappenbombers...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Investitionsstau: Kaputte Straßen, marode Schulen – Kommunen am Limit
01.07.2025

Viele Städte und Gemeinden stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand: Allein die Instandhaltung von Straßen, Schulen und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Alt gegen Jung: Wie die Generation Z das Arbeitsleben umkrempelt – und was zu tun ist
01.07.2025

Alt gegen Jung – und keiner will nachgeben? Die Generationen Z und Babyboomer prallen aufeinander. Doch hinter den Vorurteilen liegen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Arbeitsmarkt ohne Erholung im Juni: Warten auf den Aufschwung
01.07.2025

Die erhoffte Belebung des Arbeitsmarkts bleibt auch im Sommer aus: Im Juni ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland nur minimal um...

DWN
Politik
Politik Schlachtfeld der Zukunft: Die Ukraine schickt ihre Kampfroboter ins Gefecht
01.07.2025

Die Ukraine setzt erstmals schwere Kampfroboter an der Front ein. Während Kiew auf automatisierte Kriegsführung setzt, treiben auch...

DWN
Immobilien
Immobilien Wohnen bleibt Luxus: Immobilienpreise steigen weiter deutlich
01.07.2025

Die Preise für Wohnimmobilien in Deutschland sind erneut gestiegen. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Kaufpreise für Häuser und...

DWN
Politik
Politik Trump und Musk im Schlagabtausch: Streit um Steuerpläne und neue Partei eskaliert
01.07.2025

Die Auseinandersetzung zwischen US-Präsident Donald Trump und dem Tech-Milliardär Elon Musk geht in die nächste Runde. Am Montag und in...

DWN
Politik
Politik Dänemark übernimmt EU-Ratsvorsitz – Aufrüstung dominiert Agenda
01.07.2025

Dänemark hat den alle sechs Monate rotierenden Vorsitz im Rat der EU übernommen. Deutschlands Nachbar im Norden tritt damit turnusmäßig...