Finanzen

Brüssel erwägt gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten

Auf Druck Italiens plant man in Brüssel die gemeinsame Ausgabe von Anleihen der Euro-Länder. Bisher hatte es vor allem in Deutschland starken Widerstand gegen diese Vergemeinschaftung von Schulden in der Eurozone gegeben.
20.03.2020 12:40
Aktualisiert: 20.03.2020 12:40
Lesezeit: 2 min
Brüssel erwägt gemeinsame Anleihen der Euro-Staaten
Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission, und der Belgier Charles Michel, Chef des EU-Rats, am Dienstag während einer Pressekonferenz. (Foto: dpa) Foto: Etienne Ansotte

Angesichts der gewaltigen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie auf die Staatshaushalte ist die gemeinsame Ausgabe von Anleihen der Euro-Länder kein Tabu mehr. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte sich am Freitag offen für diese Idee, die vor allem in Deutschland in der Vergangenheit immer wieder auf Ablehnung stieß: "Wir gucken alle Instrumente an", sagte sie im Deutschlandfunk. "Und das, was hilft, wird eingesetzt." Das gelte auch für sogenannte Corona-Bonds. "Wenn sie helfen, wenn sie richtig strukturiert sind, werden sie eingesetzt."

In der aktuellen Ausnahmesituation wäre laut EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM die beste Möglichkeit für europäische Bonds im Kampf gegen die Krise. Corona-Bonds müssten über Finanzstrukturen begeben werden, sagt er dem Sender RAI Radio 1. "Die am besten geeignete ist der ESM." Der 500 Milliarden Euro schwere ESM wurde geschaffen, um die Euro-Krise einzudämmen, in der viele Staaten wie Griechenland mit überbordenden Schulden und Problemen ihrer Banken kämpften.

Nach Einschätzung der Commerzbank dürfte die Summe aber allenfalls reichen, um das besonders von der Coronavirus-Krise betroffene Italien ein Jahr zu stützen. Daniel Lenz, Analyst bei der DZ Bank, hält es für möglich, den Fonds aufzustocken, um genügend Mittel zur Verfügung zu haben. Die Euro-Länder haben massive Hilfsprogramme auf den Weg gebracht, die bis zu 20 Prozent der Wirtschaftsleistung umfassen. Allerdings habe sich Italien bislang zurückhaltend dazu gezeigt, den ESM in Anspruch zu nehmen, weil sich das Land dann einem Kontrollprogramm unterwerfen müsse, sagte Lenz. "Jetzt ist Krise, es geht darum, Solidarität zu zeigen", sagte er. "Italien kann nichts dafür, dass es so stark getroffen würde."

Italiens Wirtschaftsminister Roberto Gualtieri pocht auf Euro-Bonds. Diese Anleihen sollten speziell an die Bekämpfung der Pandemie und ihrer wirtschaftlichen Konsequenzen geknüpft sein, sagt er der Zeitung "Il Corriere della Sera". "Wir haben es mit einem symmetrischen Schock zu tun, der alle betrifft, und darum müssen wir die Werkzeuge, die wir haben, auf innovative Weise nutzen."

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Gemeinschaftsanleihen in der Vergangenheit stets abgelehnt. Auch deshalb, weil der Bundestag zustimmen müsste und die Vorbehalte der Unionsabgeordneten immer sehr groß waren. Viele deutsche Top-Ökonomen und die Bundesbank waren bislang strikt gegen eine "Vergemeinschaftung von Schulden", bei der Deutschland bei einem Zahlungsausfall in einem anderen Land finanziell einspringen und Steuergelder dafür ausgeben müsste. "Man vertraut anderen doch seine Kreditkarte nicht an, wenn man nicht die Möglichkeit hat, deren Ausgaben zu kontrollieren", lautete etwa das Argument von Bundesbankchef Jens Weidmann.

ITALIEN IM FOKUS DER MÄRKTE

Die Viruskrise hat weite Teile der Wirtschaft im Euroraum lahmgelegt: Geschäftsschließungen und Produktionsstopps von immer mehr Firmen in der EU sorgten auch an den Finanzmärkten für hohe Nervosität. An den Anleihemärkten war zuletzt vor allem das besonders stark von der Virus-Krise betroffene Italien ins Visier der Anleger geraten. Die Zinsen verdreifachten sich am Mittwoch bis auf etwa drei Prozent. Die EZB konnte nur mit der Ankündigung eines riesigen Ankaufprogramms für Staatsanleihen für etwas Beruhigung an den Märkten sorgen. Experten sehen dies jedoch nur als Behelfslösung an, auch wenn die EZB laut dem französischen Notenbankchef Francois Villeroy de Galhau die Lage im Griff hat: Es bestehe kein Risiko, dass in der gegenwärtigen Situation eine Regierung insolvent werde, sagte das Ratsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB) im Rundfunk.

Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer hält es aber für möglich, dass die EZB notfalls ihr unbegrenztes Anleihe-Kaufprogramm aus der Zeit der Eurokrise wieder auflegt. Corona-Bonds beurteilte er skeptisch: "Die Politik geht lieber über die EZB, das ist für die Öffentlichkeit nicht so sichtbar."

Die Idee von Euro-Bonds, also gemeinsamen Staatsanleihen aller Euro-Ländern, ist seit Entstehung der Staatengemeinschaft in der Debatte und höchst umstritten: Denn die europäischen Verträge verbieten in der sogenannte No-Bailout-Klausel die Haftung der EU und ihrer Mitglieder für Schulden einzelner Staaten. Bislang hat Deutschland sich daher vehement gegen Euro-Bonds ausgesprochen. Daher begibt jedes Land nur eigene Anleihen - mit der Konsequenz, dass hoch verschuldete Staaten teils sehr hohe Zinsen zahlen müssen. Staaten mit guter Bonität wie Deutschland kommen dagegen günstiger an frisches Geld.

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